Zyklen des organisationalen Wandels

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Zyklen des organisatorischen Wandels

Die Zyklen des organisatorischen Wandels (Cycles of Organizational Change) wurden 1992 durch Henry Mintzberg und Frances Westley beschrieben.[1] Ihr Ansatz umfasst ein ganzheitliches Rahmenwerk, welches in der Lage sein soll, die Komplexität von Wandlungsprozessen in Organisationen abzubilden. In ihrer Veröffentlichung “Cycles of Organizational Change” soll einer Vielzahl unterschiedlicher Theorien, die sich mit dem Phänomen Wandel auseinandersetzen, eine Struktur gegeben werden. Dabei wird der Wandel in Organisationen durch ein System sich bewegender Zyklen abgebildet.

Zyklen des Wandels

Es wird zwischen vier Zyklen unterschieden: Die „Concentric Cycles“, die die verschiedenen Inhalte organisationalen Wandels auf unterschiedlichen Ebenen repräsentieren, die „Circumferential Cycles“, welche die Mittel und Prozesse des Wandels darstellen, die „Tangential Cycles“, welche die verschiedenen Episoden sowie die Stadien, die durchlaufen werden, widerspiegeln und die „Spiraling Cycles“, die die Sequenzen des Wandels sowie die wiederkehrenden Muster des Wandels repräsentieren.

Konzentrische Zyklen (Concentric Cycles)

Wandel in einer Organisation lässt sich in zwei Sphären unterscheiden: Wandel in der Verfassung sowie Wandel in der Strategie. Desweiteren

Ebenen des organisatorischen Wandels

vollzieht sich dieser Wandel auf unterschiedlichen Ebenen – von der konzeptionellen zur konkreten Ebene, d. h. von der Denkweise zu konkreten Handlungen einer Organisation. Die Kultur bzw. Vision stellen die konzeptionelle Ebene einer Organisation dar, während Mitarbeiter bzw. Betriebsmittel die konkrete Ebene widerspiegeln (s. Abbildung). Mintzberg und Westley unterscheiden hierbei zwischen deduktivem und induktivem Wandel. Deduktiver Wandel vollzieht sich von der konzeptionellen zur konkreten Ebene, d. h. es findet zunächst ein Wandel in der Kultur bzw. Vision statt, welcher sich in einem zweiten Schritt auf die unteren Ebenen bis zum operativen Management ausbreitet. Induktiver Wandel beschreibt den Prozess, bei dem konkrete Veränderungen in den Handlungen (operative Ebene) einen Wandel auf konzeptioneller Ebene der Organisation auslösen.

Je höher die Ebene ist, desto wichtiger ist es, dass der Wandlungsprozess sowohl in der Verfassung, als auch in der Strategie stattfindet. Eine neue Vision sollte mit einem Wandel in der Kultur einhergehen, damit die Veränderungen nachhaltig in der Organisation integriert werden, während neue Maschinen beschafft werden können, ohne dass sich dies zwangsläufig auf die Mitarbeiter auswirken muss. Desweiteren können Wandlungsprozesse auf einer höheren Ebene abgeschnitten werden, jedoch nicht umgekehrt. Die Neubeschaffung von Betriebsmitteln muss sich nicht zwangsläufig auf die konzeptionelle Ebene auswirken, wohingegen ein Wandel in der Vision ohne Veränderungen in den darunter liegenden Ebenen lediglich eine leere Geste wäre. [2]

Umlaufende Zyklen (Circumferential Cycles)

Wandlungsprozesse in einer Organisation können durch verschiedene Personen initiiert werden, z.B. durch einen einzelnen Mitarbeiter, ein Team

Mittel und Prozesse des organisatorischen Wandels

oder einen externen Berater. Desweiteren unterscheiden sich die Prozesse, welche nach der initialen Veränderung ablaufen, Mintzberg und Westley beschreiben diesbezüglich drei Ansätze: prozessuales Planen, visionäre Führung sowie induktives Lernen.

Prozessuales Planen beschreibt einen deduktiven Planungsansatz, welcher vom Top Management formuliert wird, um auf den unteren Ebenen implementiert zu werden. Hierbei ist eine Kooperation auf den unteren Ebenen notwendig, um den Wandel erfolgreich umzusetzen.

Visionäre Führung umfasst die Entwicklung und Verbreitung einer neuen Vision durch eine Führungskraft. Die Mitarbeiter entwickeln daraus eine eigene Interpretation und Details der Implementierung, wodurch ein informeller Wandlungsprozess der Mitarbeiter mit der Vision der Führungskraft stattfindet.

Induktives Lernen stellt einen informellen oft unerwarteten Wandlungsprozess dar, welcher überall in der Organisation entstehen, isoliert bleiben oder sich auf die gesamte Organisation ausbreiten kann.

In der Praxis treten diese drei Prozesse in der Regel komplementär auf. Der Wandel muss von den Mitarbeitern erfasst und begriffen werden, induktives Lernen bricht dafür die alten Verhaltensweisen auf. Die kollektive Denkweise der Organisation wird durch die Vision verändert, um eine neue Basis zu schaffen. Prozessuales Planen implementiert die neuen Verhaltensweisen in der Organisation und passt die Struktur der Organisation an die Veränderungen an.

Tangierende Zyklen (Tangential Cycles)

Die tangierenden Zyklen, repräsentieren die verschiedenen Episoden und Stadien eines Wandels. Episoden des Wandels sind Perioden, in denen allumfassende Veränderungen oder erste Ansätze von Veränderungen in Organisationen stattfinden. [3] Gründe für die Veränderungen sind entweder ein Wandel im externen Kontext, zum Beispiel durch die Einführung einer neuen Technologie auf dem Markt, oder ein Wandel im internen Kontext, beispielsweise ein Wechsel des Managements.[4]

Die bekanntesten Episoden eines Wandels in Organisationen sind der Turnaround und die Revitalisierung. Ein Turnaround zeichnet sich durch einen schnellen Ablauf des Wandels aus und wird von zentraler Stelle aus geleitet und geplant. Ein solcher Top-down Prozess wird als besonders angemessen angesehen, wenn die Organisation sich bereits in so erheblichen Schwierigkeiten befindet, dass klare Anweisungen eines Managers benötigt werden. Die Revitalisierung ist hingegen durch einen stetigen sowie anpassungsfähigen Ablauf des Wandels gekennzeichnet, der in kleinen Schritten und auf allen Ebenen der Organisation erfolgt. Voraussetzung für einen solchen Bottum-up Prozess ist eine kooperative Unternehmenskultur.

Die Beschreibungen der beiden Episoden erscheinen jedoch zu vereinfacht, denn die Konsequenz daraus wäre, dass ein Turnaround ein Prozess des prozessualen Planens, beziehungsweise der visionären Führung sein muss und die Revitalisierung ein Prozess des induktiven Lernens ist. Ein Wandel ist jedoch zu komplex für solche Stereotypen. Die Episoden können in folgende fünf Stadien eines Wandels in einer Organisation eingeteilt werden:

  • Stadium der Entwicklung

In der Gründungsphase einer Organisation werden unter anderem Arbeitnehmer eingestellt, strategische Positionen festgelegt, eine Struktur etabliert und die Unternehmenskultur kreiert. Innerhalb der Organisation existiert daher ein beständiger und durchgehender Wandel. Dieses Stadium ist durch induktives Lernen geprägt.

  • Stadium der Stabilität

In dieser Etappe des Wandels sind konzeptuelle Grundelemente einer Organisation, beispielsweise die Vision und die Unternehmenskultur, bereits etabliert. Auf der konkreten Ebene der Organisation (siehe Concentric) findet ein Wandel statt, welcher durch prozessuales Planen angetrieben wird.

  • Stadium der Anpassung

In diesem Stadium des Wandels passt sich die Organisation aktiv der Situation an, indem sie beispielsweise ihre Aktivitäten erweitert. Der Wandel auf der konkreten Ebene der Organisation beeinflusst Elemente des konzeptuellen Levels. Prozessuale Planung ist hier ein wichtiger Prozess, aber ebenso das induktive Lernen.

  • Stadium des Existenzkampfes

Dieses Stadium ist durch den Überlebenskampf einer Organisation geprägt. Im schlechtesten Fall weiß das Management in diesem Stadium nicht, welche Richtung es einschlagen soll, im besten Fall experimentiert das Management und kann der Organisation eine neue Richtung geben. Das Stadium des Existenzkampfes ist oftmals eine Phase der Konfrontation, die mit politischen Veränderungen und Unbeständigkeit einhergeht.

  • Stadium der Revolution

Ausgangspunkt dieses Stadiums ist die gleichzeitige Veränderung von Elementen innerhalb einer Organisation. Der Wandel durchdringt alle Ebenen der Organisation. Das Stadium der Revolution muss nicht immer plötzlich auftreten, denn die Revolution kann Jahre zuvor angefangen haben, indem zunächst ein Wandel in der Denkweise und dann erst ein durchdringender Wandel des Verhaltens erfolgt.

Spiralförmige Zyklen (Spiraling Cycles)

Die Episoden und Stadien entwickeln sich über die Zeit und formen Sequenzen und Muster des Wandels. Die folgenden vier Muster verdeutlichen, auf welche wiederkehrende Art und Weise Organisationen sich über die Zeit wandeln:

  • Periodische, plötzliche Veränderungen (Periodic Bumps)

Dieses Muster des Wandels ist besonders in konventionellen Organisationen üblich. Lange Perioden der Stabilität werden von dramatischen Revolutionen unterbrochen, welche die Organisation wieder mit der Unternehmensumwelt in Einklang bringt.

Periodische, plötzliche Veränderungen







  • Pendelnde Veränderungen (Oscillating Shifts)

Andere Organisationstypen wandeln sich nach einem Muster von Konvergenz und Divergenz. Die Gesamtheit des Wandels kann hier als periodische Wellen einer Revitalisierung beschrieben werden.

Pendelnde Veränderungen







  • Lebenszyklus (Life Cycle)

Wenn eine Organisation sich nach dem Muster des Lebenszyklus wandelt, erfolgt der Wandel in einer geordneten Reihenfolge. Die Organisation durchläuft zunächst die Phase der Entwicklung, der Stabilität, der Anpassung, die Phase des Existenzkampfes, sowie abschließend die der Revolution oder dem Niedergang der Organisation.

Lebenszyklus







  • Stetige Entwicklungen (Regular Progress)

Bei diesem Muster erfolgt der Wandel einer Organisation stetig, langsam und isoliert. Der Wandel findet auf allen Ebenen einer Organisation statt. Weiterhin ist dieses Muster von dem Prinzip des induktiven Lernens geprägt.

Stetige Entwicklung










  • Wovon könnte es abhängen welches Muster sich ergibt?

Die Organisationsstruktur sowie die Umwelt des Organisationstypen beeinflusst, welches Muster sich bei einer Organisation ergibt. Der Organisationstyp und die -struktur lässt sich mit Hilfe der Konfiguration von Mintzberg identifizieren.

Das Muster „periodische, plötzliche Veränderungen“ ergibt sich beispielsweise besonders bei dem Organisationtyp "Maschinenbürokratie" von Mintzberg. Grund dafür ist, dass die Organisationsstruktur der Maschinenbürokratie hierarchisch ist, Verhaltenspläne bestehen und ein hoher Grad an Formalisierung keine kontinuierliche Anpassung gewährt. Von daher wird die Phase der Stabilität nur von dramatischen Revolutionen unterbrochen, wenn die Organisation mit der Unternehmensumwelt in Einklang gebracht werden muss.

Drei Modelle des Wandels

Drei Modelle zur erfolgreichen Aufrechterhaltung bei Wandlungsprozessen in Organisationen werden beispielhaft anhand der katholischen, protestantischen und buddhistische Kirche beschrieben: Enklave, Klonen sowie „Uprooting“. Die Beschreibungen basieren auf historischen, voneinander unabhängigen Ereignissen in der jeweiligen Weltreligion. Alle drei Modelle haben sich als erfolgreiche Modelle herausgestellt, da Lösungswege für Wandel innerhalb einer Organisation integriert werden. Zusammengehalten werden die drei Modelle durch Integration (Enklave), Abspaltung (Klonen) oder Akzeptanz von Individueller Freiheit (Uprooting).

Das Katholische Modell/Enklave

Das Katholische Modell beschreibt Grass-Root Bewegungen, welche sich unabhängig vom Management entwickeln, und einen Wandel innerhalb einer „Enklave“ in der Organisation hervorrufen. Für das Management gilt es, solche zu erkennen, zu kontrollieren und vorsichtig in die bestehende Organisation zu (re)integrieren. Als Beispiel aus der katholischen Kirche nennen die Autoren die Humiliati um 1170 n.Chr., welche der katholischen Kirche durch ihre liberalen Ansichten und Forderungen zunächst Angst bereiteten (z.B, durch Ausübung der Predigt durch Laien). 1201 erfolgte die Wiedereingliederung in die katholische Kirche, welche mit der Akzeptanz der kirchlichen Statuten durch die Humaliati einherging bei gleichzeitiger Erweiterte der Glaubensdefinitionen durch die katholische Kirche. Ein ähnlicher Fall wiederholte sich später sowohl bei dem Dominikaner- als auch dem Franziskaner-Orden.

Das Katholische Modell/Enklave








Das Protestantische Modell/Klonen

Das protestantische Modell beschreibt den Wandlungsprozess des „Klonens“, bei dem es um vielfältige Ansichten und Handlungen innerhalb eines Teils der Organisation geht. Diese Art der Veränderung, der meist eine eigene, neue Vision zugrunde liegt, kann zur Abspaltung zwischen neuer und alter Denkweise innerhalb der Organisation führen. Eine Gruppe, die sich vom Bestehenden löst und abspaltet tut dies aufgrund der Unzufriedenheit mit dem Status Quo. Für die abgespaltene Gruppe entsteht dadurch ein Vorteil, da sich individuelle Kreativität neu entfalten und ohne Kontrolle alter Strukturen entwickeln kann. Als Beispiel nennen die Autoren die vielfältigen Forme des Protestantismus, die sich aufgrund der Abspaltung von der katholischen Kirche nach der Reformation gebildet haben. Hierzu zählen zum Beispiel die Reformierte Kirche, die Evangelisch-lutherische Kirche oder auch die Baptisten.

Das Protestantische Modell/Enklave









Das Buddhistische Modell/"Uprooting"

Das Buddhistische Modell beschreibt, wie trotz möglichst minimaler Bindung des Einzelnen an die Gruppe eine Einheit durch für alle zugrunde liegenden Werte geschaffen werden kann. „Uprooting“ steht daher für den gemeinsamen Kern von Werten, der sich jedoch in unterschiedlichen Ausprägungen entwickelt und äußert. Aufgrund der individuellen Freiheit des Einzelnen entsteht im buddhistischen Modell ein Zustand geringer Stabilität. Das Modell ist besonders durch die Kreativität des Einzelnen geprägt, dessen Lernen vom Management angeleitet und durch dessen Planung gestützt wird. In der Praxis ist das „Uprooting“ schwierig zu implementieren, da es neben einer starken Führungskultur auch einer starken Zustimmung durch die Mitarbeiter bedarf; bei Gelingen bietet es jedoch den höchsten und nachhaltigsten Revitalisierungsfaktor für eine Organisation. Als Beispiel nennen die Autoren die Konsistenz und Lehre der Buddhistischen Mönche. Demnach ist die Auslebung des Glaubens ein sehr freies und individuelles Vorhaben, obgleich die Grundannahmen und Werte alle gläubigen Buddhisten vereinen. Dieser gemeinsame Kern sorgt für den spirituellen Zusammenhalt, wenngleich sich die äußerliche Auslebung des Glaubens unterscheidet.

Das Buddhistische Modell/Enklave








Kritik

Mithilfe der visuellen Muster für die Beschreibung der Zyklen unterstützen Mintzberg und Westley ihre argumentativ starke Beschreibung von Wandlungsprozessen. Fallbeispiele dienen als praktische Bezüge zu den entwickelten Modelle. Trotz sehr detailreicher Darstellung der Ansätze sind konkrete Handlungsempfehlungen für das Management jedoch nur bedingt aufgeführt. Große Teile der qualitativen Forschung beruht auf Ergebnissen der Autoren und nur teilweise verwenden diese Studien anderer Forscher. Der Bezug zu den Weltreligionen ist eine pragmatische Darstellung für die Modelle des Wandels, wenngleich eine Erklärung seitens der Autoren offen bleibt, warum sie gerade dieses gewählt haben.


Literatur

Mintzberg, H. und Westley, F., Cycles of Organizational Change, in: Strategic Management Journal, Vol. 13, Special Issue: Fundamental Themes in Strategy Process Research (Winter, 1992), p. 39-59.

Westley, F. (1990). “The eye of the needle: Cultural and personal transformation in a traditional organization, Human Relations, 43(3), pp. 273-293.

Pettigrew, A. M. (1988) Introduction: Researching strategic change. The Management of Strategic Change. Basil Blackwell, p. 1-13.

Einzelnachweise

  1. Mintzberg, H. und Westley, F., Cycles of Organizational Change, in: Strategic Management Journal, Vol. 13, Special Issue: Fundamental Themes in Strategy Process Research (Winter, 199), p. 39-59.
  2. Westley, F. (1990). “The eye of the needle: Cultural and personal transformation in a traditional organization, Human Relations, 43(3), pp. 273-293.
  3. Mintzberg, H. und Westley, F., Cycles of Organizational Change, in: Strategic Management Journal, Vol. 13, Special Issue: Fundamental Themes in Strategy Process Research (Winter, 1992), p. 39-59.
  4. Pettigrew, A. M. (1988) Introduction: Researching strategic change. The Management of Strategic Change. Basil Blackwell, p. 1-13.