Verunsicherung im mittleren Management

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Insbesondere ökonomische und demographische Entwicklungen führen dazu, dass sich eine Verunsicherung im mittleren Management feststellen lässt. Besondere Aufmerksamkeit wurde diesem Phänomen in Deutschland insbesondere um die Jahrtausendwende zugewiesen, da zu dieser Zeit im Rahmen des Lean Management in vielen Unternehmen die Rolle und die Relevanz des mittleren Managements zunehmend infrage gestellt worden ist.


Phänomen

Die Untersuchung der Unsicherheit des mittleren Managements und der Hochqualifizierten hat aufgrund von wirtschaftlichen Entwicklungen um die Jahrtausendwende stark an Bedeutung gewonnen. Grundsätzlich lassen sich in Deutschland bis in die 1990er Jahren Boom-Jahrzehnte beobachten, in denen hochqualifizierten Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft viele finanzielle sowie status-betreffende Boni, wie zum Beispiel außertarifliche Vergütung oder Firmenwagen, gewährt worden sind. Eine Anstellung entsprach oftmals einer lebenslangen Möglichkeit des Einkommenserwerbs. Diese Privilegien waren somit Bestandteil des [1] psychologischen Vertrages, der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht. Die Arbeitgeberseite forderte dafür über die Maßen Identifikation und Loyalität ein (näheres zum psychologischen Vertrag siehe unten).[1]

In seinen soziologischen Längsschnittstudien aus den Jahren 1997, 2008 und 2016 identifiziert Hermann Kotthoff drei Megatrends, die auf die Beschäftigungsbedingungen der Hochqualifizierten einwirken:[2] 

  • Abnehmende Loyalität sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite: Früher wirkte der Arbeitgeber stärker in das gesellschaftliche Leben und das Privatleben der Arbeitnehmer hinein. Dies hing oft mit der Anstellung der gesamten Familie in einem Betrieb zusammen. Dieses patriarchalische Auftreten wich einer Professionalität und der neutralen Sichtweise, dass es in einem Arbeitsverhältnis vor allem um den Tausch von Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gegen Lohn und Gehalt des Arbeitgebers geht.
  • Zunehmende Akademisierung als Folge der expansiven Bildungspolitik der 1960er Jahre (sog. Akademikerschwemme): Die Studiengänge wurden in Richtung Betriebswirtschaft geöffnet, sodass zunehmend auch Kaufleute studieren, nicht nur Ingenieure oder Naturwissenschaftler. Außerdem veränderte sich das numerische Verhältnis von Akademikern in Relation der für die Akademiker vorgesehenen Arbeitsplätze, wodurch die Markt- oder Verhandlungsmacht der Arbeitgeber stieg und die der Arbeitskräfte sank.
  • Dezentralisierung und Vermarktlichung: Es ließ sich eine zunehmende Verbreitung dieser Phänomene an Stelle bürokratisierter und hierarchisierter Formen der Arbeitssteuerung beobachten. Die fortschreitende Globalisierung sorgte für verstärkte Konkurrenz aus dem Ausland für hiesige Unternehmen. Diese reagierten mit starkem Effizienzstreben und Hierarchie- und Bürokratieabbau. Dies führte vor allem zu erschwerten Karrierebedingungen. Außerdem wurden Privilegien seltener zugesprochen und selbst im Falle eines Zuspruchs waren diese auch weniger wertvoll. So waren Vorteile oftmals lediglich von geringem Gewicht und hatten kaum positive Auswirkungen auf den Status des Arbeitnehmers. Diese negative Entwicklung stellte einen Bruch des psychologischen Vertrags dar, der zuvor zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestanden hat. Die Erwartungen, auch von angehenden Nachwuchskräften, auf eine sichere, privilegierte Anstellung wurden gebremst. Bei den Angehörigen des mittleren Managements sorgten die Umstrukturierungen zusätzlich für Angst vor Job- und Statusverlust.


Begriffe

Mittleres Management

Organisationsstruktur nach Mintzberg (1980)

Unter dem Begriff des mittleren Managements wird die mittlere Führungsebene in Unternehmen und anderen Organisationen verstanden. Häufig sind es Abteilungs- oder Bereichsleiter, die dieser Ebene zuzuordnen sind. In Mintzbergs (1980) Konfigurationsmodell befindet sich das mittlere Management zwischen dem Topmanagement und dem operativen Kern.[3][4] (siehe Abbildung 1). Da eine genaue Abgrenzung nach oben, unten, aber auch zur Technostruktur und den unterstützenden Einheiten in einigen Fällen schwierig ist, werden häufig die Aufgaben des mittleren Managements herangezogen, um ein genaueres Verständnis für dieses zu schaffen.[5] Die Aufgabenbereiche des mittleren Managements lassen sich in folgende Cluster einteilen:[6]

  • Koordination und Kooperation
  • Personalführung und -entwicklung
  • Ausführung und Umsetzung
  • Veränderungsmanagement
  • Gestaltung des Unternehmens
  • Externe Zusammenarbeit
  • Fachprozesse
  • Kommunikations- und Informationsmanagement
  • Stabilisierung
  • Konflikt- und Interessensmanagement

Hervorzuheben ist hierbei das breit gefächertes Aufgabenfeld, wobei häufig gleichzeitig Fach-, Management- und Führungsaufgaben ausgeübt werden. Die genauen Aufgabenbereiche sind stark branchenabhängig und beispielsweise in der Pharmaindustrie anders ausgeprägt als in einer Versicherung. Zudem spielt die Position als Bindeglied zwischen der strategischen Spitze und dem operativen Kern eine wichtige Rolle. Dabei nimmt das mittlere Management eine Informationsvermittlungsfunktion, eine Repräsentationsfunktion und eine Transformationsfunktion ein.[7] Das mittlere Management ist somit in der Regel mit verantwortungsvollen Aufgaben vertraut, die ein hohes Engagement einfordern.


Unsicherheit

Unter Unsicherheit wird in der Psychologie der Zustand mangelnder oder unvollständiger Gewissheit bezeichnet.[8] In der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie beschreibt Unsicherheit eine fehlende Sicherheit in Bezug auf zukünftige Umweltsituationen. [9] Auch wenn im alltäglichen Sprachgebrauch Unsicherheit häufig synonym mit Ungewissheit verwendet wird, wird in der Entscheidungstheorie zwischen diesen Begriffen Unterschieden. Ungewissheit wird in diesem Fall als eine Ausprägung der Unsicherheit definiert, in der möglicherweise eintretenden Umweltsituationen zwar bekannt sind, nicht jedoch deren Eintrittswahrscheinlichkeiten.[10] Für das Thema der Verunsicherung im mittleren Management ist vor allem die psychologische Sichtweise von Bedeutung, wobei Verunsicherung nicht gleichzusetzen ist mit Unsicherheit. Verunsicherung umfasst den “Verlust von emotionaler Sicherheit, Störung von Vertrauen, Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl”.[11]


Empirie

Verbreitung

Unsicherheit im Management ist ein weit verbreitetes Phänomen, das in der Forschung durch zahlreiche Studien belegt worden ist. Die Dr. Jürgen Meyer Stiftung (2019) hat ermittelt, dass bei 52% der befragten Mitglieder des mittleren Managements Unsicherheit darüber besteht, wie sich Umstrukturierungsprozesse des Unternehmens auf ihre Position auswirkt. So empfinden 13% der befragten mittleren Manager Arbeitsplatzunsicherheit, dieser Wert stellt somit zumindest im Vergleich zum Jahre 2012 eine Reduzierung um 4% dar. Neben der Angst vor Jobverlust kann auch die Angst vor Statusverlust Ursache für das Unsicherheitsempfinden sein.[12]

Eine weitere Unterscheidung kann hinsichtlich der Wahrnehmung in verschiedenen Altersgruppen vorgenommen werden. Der Dr. Jürgen Meyer Stiftung (2019) zufolge nimmt die Arbeitsplatzunsicherheit mit zunehmendem Alter ab. Dies steht der verbreiteten Vermutung entgegen, dass ältere Arbeitnehmer aufgrund von niedrigeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatzverlust eher fürchten (siehe Abbildung 2).[13]

Die Verbreitung von Angst vor Jobverlust nach Altersgruppe

Im Vergleich zum Top-Management und des operativen Kerns wird das mittlere Management selten explizit als zentraler Forschungsgegenstand behandelt. Es lassen sich sowohl positive als auch negative Darstellungen des mittleren Managements beobachten:  Es wird verschiedentlich vom mittleren Management als Lehm- bzw. Lähmschicht gesprochen, die Prozesse verlangsamt oder verhindert. Dieser Begriff wurde im Nachgang vor allem durch den Gebrauch des Siemens-Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher im Jahr 2008 populär.

Ähnliche Einschätzungen können auch einer Studie der Personalberatung Boyden (2017) entnommen werden, die 186 Führungskräfte aus dem Top-Management zu unterschiedlichsten Themen befragt hat. Bezüglich der Ursache für Widerstände der Digitalisierung wird an erster Stelle das mittlere Management von 65% der Befragten genannt. [14]

Es gibt auch Forschungsarbeiten, die ein positives Bild des mittleren Managements zeichnen: Linda Rouleau hat 2005 in einem wissenschaftlichen Artikel die Rolle des mittleren Managements in einem französisch-kanadischen Unternehmen gegenüber externen Stakeholdern untersucht: Demzufolge kommt dem mittleren Management die besondere Aufgabe zu, strategische Umstrukturierungen zu kommunizieren und zu verkaufen. [15]

In einer 2018 veröffentlichen Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung wird die wichtige Rolle des mittleren Managements verdeutlicht, die diesem bei der Gefährdungsbeurteilung von psychosozialen Belastungen zukommt. Grund hierfür ist vor allem die exponierte Stellung zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen wie Top Management und operativem Kern.[16]


Determinanten

In Bezug auf Status und Stellung im Unternehmen wirken insbesondere fünf Determinanten verstärkend auf die Verunsicherung im mittleren Management.

Unklare Rollenverteilung

Das mittlere Management trägt vertikal sowohl gegenüber dem Topmanagement als auch gegenüber dem operativen Kern Verantwortung und muss Erwartungen von beiden Seiten erfüllen. Zum einen muss das mittlere Management die operativ arbeitenden Mitarbeiter oder unteren Manager führen, ist jedoch auch gleichzeitig verantwortlich gegenüber dem Topmanagement und dient in dieser Beziehung als Empfänger von Anweisungen. Dies wird häufig als Sandwichposition bezeichnet. Das Machtgefälle unterscheidet sich demnach abhängig von der Situation und erfordert einen ständigen Wechsel zwischen der Rolle des Untergeordneten hin zur Rolle der Führungspersönlichkeit. Da von den beiden Seiten teilweise gegensätzliche Erwartungen an das mittlere Management gestellt werden, kann es zu einem Rollenkonflikt kommen. Dieser Rollenkonflikt kann für die betroffene Person eine psychische Belastung darstellen und trägt zur empfundenen Unsicherheit bezüglich der Stellung im Unternehmen bei.[17] Hinzu kommen Beziehungen und Erwartungen auf horizontaler Ebene. Dies können beispielsweise Konkurrenzsituationen mit anderen Angehörigen des mittleren Managements sein, aber auch Erwartungen von Externen (zum Beispiel Kunden). Somit gibt es sowohl vertikale als auch horizontale Einflüsse, die einen Rollenkonflikt hervorrufen können.[18]

Image des mittleren Managements

In Bezug auf die empfundene Unsicherheit muss auch das Image des mittleren Managements betrachtet werden. Dies ist durch ein ambivalentes Bild geprägt: Auf der einen Seite findet man das Image als Lähmschicht, das insbesondere im Rahmen der Umsetzung des Lean Management 1990er Jahre aufgekommen ist. Hier wird das mittlere Management als hinderlich in Bezug auf effiziente Abläufe und Informationsflüsse angesehen und in vielen Fällen für organisationale Misserfolge verantwortlich gemacht. Auf der anderen Seite findet sich jedoch auch das Bild des mittleren Managements als Schlüsselrolle, das insbesondere durch die vorgestellten Fach-, Management- und Führungsaufgaben und die Informationsvermittlungs-, Transformations- und Repräsentationsfunktion eine wichtige Rolle innerhalb des Unternehmens einnimmt. Diese gespaltenen Ansichten können somit zu Unsicherheit führen, da das Image im eigenen Umfeld und somit auch die Wahrnehmung der eigenen Position durch Andere häufig nicht klar ist.[19]

Fehlende Wertschätzung

Eine fehlende Wertschätzung vonseiten der Vorgesetzten und Mitarbeiter kann dazu führen, dass Unklarheit bezüglich der eigenen Stellung besteht und dies eher als negativ wahrgenommen wird. Daraus kann dann Unsicherheit resultieren, zum Beispiel über den eigenen Wert für das Unternehmen oder die Sicherheit der eigenen Position. Dass dies ein relevanter Faktor ist, zeigt eine Studie, in der sich über die Hälfte der befragten Mittelmanager nicht ausreichend wertgeschätzt fühlt.[20]. Aus dieser fehlenden Wertschätzung kann ein Vertrauensverlust wachsen, was zum Beispiel auch im wahrgenommenen Bruch des psychologischen Vertrages wiederzufinden ist (siehe unten). Zudem findet häufig eine Misserfolgsattribuierung statt, in der das mittlere Management sowohl vom Topmanagement als auch von Mitarbeitern bei Problemen der Strategieumsetzung verantwortlich gemacht wird (Sandwich-Position). Dabei wird Erfolg extern sowie intern meist dem Topmanagement zugeschrieben. Insgesamt sind die Tätigkeiten im mittleren Management ist oft extrem zeitintensiv, was jedoch materiell häufig nicht angemessen gewürdigt wird. [21]

Fehlende Aufstiegschancen und Attraktivität

Auch stark begrenzte Aufstiegschancen und eine fehlende Attraktivität des mittleren Managements können eine Determinante für Unsicherheit in Bezug auf Status und Stellung im Unternehmen sein. Viele Arbeitnehmer im mittleren Management würden gerne höhere Positionen einnehmen, jedoch sind die realen Aufstiegschancen als gering zu bewerten. Dies liegt zum einen daran, dass es in den meisten Organisationen weniger Top-Stellen gibt als karrierewillige Manager und somit naturgemäß nicht alle aufsteigen können. Auch die Art der Selektion der Topmanager kann Einfluss darauf haben, wie stark die Aufstiegschancen in einem Unternehmen ausgeprägt sind. Denn häufig findet die Auswahl für das Topmanagement schon früh in Assessment-Centern statt, in denen High-Potential-Listen erstellt werden. Wer in diesen nicht überzeugt, hat später geringere Chancen doch noch aufzusteigen. In einer von Kotthoff und Wagner (2008) vorgestellten Studie sieht nur die Hälfte der Befragten mittleren Manager die eigenen Karriereaussichten als positiv an.[22] Zudem kommt, dass die Bezeichnung mittleres Management häufig mit mittelmäßig in Verbindung gebracht wird und die Attraktivität des mittleren Managements als Karriereziel an Ansehen verloren hat. In vielen Fällen herrscht ein Ungleichgewicht von Aufwand und Entlohnung vor, sodass das mittlere Management häufig als Sprungbrett angesehen wird, jedoch aufgrund der eingeschränkten Aufstiegsmöglichkeiten eher als Sackgasse bezeichnet werden kann.[23]

Fehlende Partizipation

Häufig werden strategische Entscheidungen im Topmanagement getroffen, die aber teilweise mit den Vorstellungen der mittleren Manager oder ihrer Mitarbeiter kollidieren, was zu einer erhöhten Belastung und Unsicherheit bei den Beteiligten führen kann. Dies kann zu Beispiel eine Entscheidung des Topmanagements sein, hinter der der mittlere Manager nicht steht oder die sogar ethische Bedenken auslöst, die jedoch trotzdem umgesetzt werden muss. Daraus entsteht ein innerer Konflikt. Die Kollision von Wertvorstellungen oder unterschiedlicher Auffassungen über die Machbarkeit könnte durch stärkere Partizipation des mittleren Managements an strategischen Entscheidungen verringert werden, gerade wenn das mittlere Management als Wissensträger angesehen und die Nähe zu den operativen Mitarbeitern genutzt wird, um die Umsetzbarkeit direkt bei den Strategieentscheidungen zu berücksichtigen. Dadurch könnten Umsetzungsschwierigkeiten bereits im Vorfeld erkannt und vermieden werden.[24]


Wirkungen

Angst vor Entlassung

Die unklare Rolle im Unternehmen, das Image des mittleren Managements sowie die fehlende Wertschätzung kann eine Angst vor einer Entlassung wecken. Insbesondere wenn Umstrukturierungsmaßnahmen anstehen und sich Fragen gestellt werden stellen wie: „Werde ich noch gebraucht?“ oder „Sieht das Topmanagement meine Leistungen und die Wichtigkeit meiner Rolle im Unternehmen?“. Die Angst vor Entlassung wird vor allem dann stimuliert, wenn bereits durch die Entlassung anderer Manager der mittleren Ebene eine hohe Unsicherheit vorherrscht.

Angst vor Statusverlust

Neben der Angst vor einer Entlassung kann auch eine Angst vor einem Statusverlust entstehen. Dieser bezieht sich in der Regel auf den sozialen Status, also die Stellung innerhalb einer Gruppe. Auch wenn das Beschäftigungsverhältnis als sicher erscheint, können Umstrukturierungsmaßnahmen dazu führen, dass Stellen neu ausgerichtet werden, wodurch sich der Status innerhalb der Organisation ändert. Ob dies Angst hervorrufen kann, hängt unter anderem davon ab, wie stark die Identifikation mit dem Unternehmen ist und wie signifikant der eigene Position wahrgenommen wird. Die Angst vor einem Statusverlust kann zudem auch durch das Wegfallen von monetären oder anderen außertariflichen Leistungen verstärkt werden. Wie wichtig der Status sein kann, zeigt ein Beispiel aus einer Studie von Thomas & Lindstedt (2002).[25] Dort verliert ein Manager der mittleren Ebene den Titel „Manager“ und ist nun „Team Leader“. Er bezieht weiterhin das gleiche Gehalt, hat jedoch trotzdem das Gefühl seinen Job und sozialen Status verloren zu haben.

Demotivation

Mangelnde Wertschätzung oder niedrige Aufstiegschancen wirken demotivierend und können eine negative Einstellung zum Topmanagement oder zum Unternehmen allgemein hervorrufen. Dies wiederum kann sich auch auf untergeordnete Mitarbeiter und somit negativ auf den Erfolg eines Change-Vorhabens auswirken.[26]

Stress

Eine weitere Wirkung kann sich in Form von Stress äußern, der beispielsweise durch die unklare Rolle und den damit verbundenen Rollenkonflikt zwischen „leader“ und „follower“ entsteht (Sandwich-Position), aber zum Beispiel auch durch steigenden Leistungsdruck, wenn das Gefühl aufkommt, die eigene Position rechtfertigen und sich beweisen zu müssen.

Depression

Auch Depressionen und andere psychische Krankheiten sind eine Folge der Unsicherheit sein. Dies zeigt auch eine Studie, laut der Angestellte im mittleren Management besonders häufig psychisch krank werden: Bei Angestellten ohne Führungsverantwortung lag die Rate bei 12%, im Topmanagement bei 11% und im mittleren Management bei 18%.[27]


Theorie

Theoretische Erklärungsansätze

Um die Ursachen für die Unsicherheit des mittleren Managements nachzuvollziehen, ist ein grundlegendes Verständnis vom psychologischen Vertrag notwendig: Dieser enthält nach Denise M. Rousseau (1990) nicht einforderbare Erwartungen hinsichtlich der Leistungen und Gegenleistungen auf Basis subjektiv gedeuteter Versprechen. Es lassen sich fünf zentrale Eigenschaften definieren: [28]

  • Versprechensbasierte Erwartungen: Der Vertrag enthält Erwartungen an die andere Partei, die von dieser Seite versprochen worden sind.
  • Wechselseitige Versprechen: Der Vertrag umfasst sowohl Versprechen auf Arbeitgeber-, aber auch auf Arbeitnehmerseite.
  • Subjektive Deutung: Die genaue Ausführung der Versprechen ist nicht explizit aufgeführt. Es kann daraus der Konflikt entstehen, dass die Parteien ein Versprechen unterschiedlich deuten, zum Beispiel in Hinblick auf den Zeithorizont der Einhaltung.
  • Dynamische Anpassungen: So wenig diese Versprechen explizit festgehalten sind, so wenig sind diese auch fest und immerwährend festgeschrieben und können demnach angepasst werden.
  • Nicht-Einklagbarkeit: Im Gegensatz zu Brüchen von Elementen eines schriftlich festgehaltenen Arbeitsvertrages (beispielsweise die Konsultation des Arbeitsgerichts bei Verstößen in Hinblick auf die Arbeitszeit) können Leistungen aus diesen Versprechungen nicht bei einem Dritten eingeklagt werden. Es kann aber durchaus eine Konsequenz aus einem Bruch gezogen werden, wie beispielsweise eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Neben dem psychologischen Vertrag ist es höchstrelevant, die Wahrnehmung der ökonomischen Zusammenhänge der Arbeitnehmer und damit die Reaktion auf einen Bruch des psychologischen Vertrages zu untersuchen. Das Selbstverständnis des mittleren Managements ist gemäß den Studien von Kotthoff & Wagner (2008) von einer Beitragsorientierung geprägt. Dies bedeutet, dass die Akteure bereit sind, einen essentiellen Beitrag zum Fortkommen des Unternehmens zu leisten (beispielsweise durch Mehrarbeit statt "Dienst nach Vorschrift“) und Spuren hinterlassen möchten.[29]

Trotz dieses Selbstverständnisses haben Kotthoff & Wagner (2008) in ihrem Studiendesign drei verschiedene Reaktionen auf den Bruch des psychologischen Vertrags identifiziert: Affirmation, Realismus und Skepsis. Es existiert somit nicht zwingend eine einheitliche, allgemeingültige Reaktion auf den Vertragsbruch. Grundsätzlich gibt es neben dem Bruch, der sich auf kognitive Wahrnehmungen beruht, auch die Vertragsverletzung, die sich wiederum auf emotionale Wahrnehmungen stützt. Ihnen ist gemein, dass das Ausmaß der Reaktion von der Diskrepanz zwischen Erwartung und Erfüllung abhängt.[30] Da beide Formen in der Forschung häufig synonym verwendet werden, wird in dieser Arbeit weiterhin der Bruch behandelt. Ein wesentlicher Einfluss wird dem damit verbundenen Persönlichkeitstyp und den Karriereambitionen zugeschrieben[31]:

  • Mitarbeiter, die mit Affirmation reagieren, sehen die Strukturveränderungen als notwendig an und möchten diese Wahrnehmung, dass das Unternehmen akut durch die äußeren Einflüsse bedroht wird, in das Unternehmen weitertragen. Die Affirmation wird vom Persönlichkeitstyp "Durchstarter" mit Karriereambitionen verfolgt. Dieser möchte die Karriereleiter hochklettern oder sieht das Unternehmen als Sprungbrett an.
  • In der realistischen Wahrnehmung werden die Strukturveränderungen als notwendig und unvermeidlich angesehen, denen das Unternehmen /unvermeidlich unterliegt, um das eigene Fortbestehen zu sichern. Das Unternehmen wird von Schuld freigesprochen. Der „rückzugsreife Realist“ hat seine Aufstiegsambitionen im Rahmen der veränderten Rahmenbedingungen (Umstrukturierungsprozesse) aufgegeben.
  • Auftretende Skepsis ist geprägt durch die Äußerung von Kritik am Shareholder-Value-Ansatz, der die ehemalige soziale Verantwortung des Unternehmens verdrängt. Die Skeptiker verurteilen die Wandlung ihres ehemals sozialen Arbeitgebers und sehen diese Entwicklung nicht als alternativlos an. Zu dieser Gruppe gehören mit lediglich 10% der Befragten der Studie die wenigsten Befragten. Diese haben ebenfalls keine Karriereambitionen mehr.


Beschreibung eines Mechanismus und Veranschaulichung

Auf Basis der oben beschriebenen Aspekte des psychologischen Vertrags und der Wahrnehmung ökonomischer Zusammenhänge wird ein Mechanismus beschrieben, der eine nachgelagerte Reaktion auf den Bruch des psychologischen Vertrages bestimmt. Dies ist als zweistufiger Prozess zu verstehen.

Der Mechanismus der zweistufigen Reaktion auf den Bruch des psychologischen Vertrags.

Im ersten Schritt reagieren die Akteure des mittleren Managements unterschiedlich auf die Umstrukturierungen. Dies stellt die oben vorgestellte Wahrnehmung der ökonomischen Zusammenhänge dar.  Da der psychologische Vertrag durch wechselseitige Versprechen und dynamische Anpassung geprägt ist, führt dies unausweichlich zur Frage, wie sich im zweiten Schritt die Reduzierung auf der einen Seite (auf der Arbeitgeberseite) auf die Leistung auf der anderen Seite (auf der Arbeitnehmerseite) auswirkt. 

Das Wirkprinzip "Quid pro quo" soll verdeutlichen, dass die Protagonisten ihre eigene Handlung danach ausrichten, was sie sich persönlich von dem Umstrukturierungsprozess versprechen. Dies bedeutet, dass der Akteur je nach Wahrnehmung der Zusammenhänge unterschiedlich auf den Bruch reagiert.  In Abhängigkeit vom Persönlichkeitstyp und von den Karriereambitionen können folgende Zusammenhänge erwartet werden.  Die Durchstarter mit Karriereambitionen erachten die Maßnahmen als notwendig, die eher noch zu inkonsequent verfolgt werden. Der Durchstarter wird Treiber des Wandels im Sinne des Topmanagements und bringt sich stark ein, der Wandel stellt ein "spannendes Projekt“ dar, bei dem sich der Durchstarter profilieren kann. Folglich erhöht der Durchstarter sein Engagement.  Der Realist kann die Ursache des Wandels nachvollziehen, sieht die Konsequenzen als unvermeidlich an und hat seine Karriereambitionen begraben. Folglich führt der Vertragsbruch dazu, dass der Realist das Gleichgewicht, ähnlich einer Waage, wiederherstellen muss und daher sein Engagement reduziert.  Die Skeptiker, die die Ursachen für den Bruch des psychologischen Vertrags oftmals nicht mittragen möchten, haben aufgrund ihrer fehlenden Karriereambitionen keine relevanten Versprechungen von dem Wandel. Sie reagieren von daher demotiviert und mit stark reduziertem Engagement. 

Der Mechanismus beinhaltet die folgenden Elemente:

Dauerhafte Geltungsbedingungen

Das oben genannte Wirkprinzip benötigt zur Gültigkeit die Bedingungen, die eingangs vorgestellt worden sind. Dazu gehören zum einen die volkswirtschaftlichen Entwicklungen wie Globalisierung, der erhöhte n Konkurrenz und dem sich ausbreitenden Effizienzgedanken, der einen Bürokratie- und Hierarchieabbau notwendig macht. Des Weiteren muss eine Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgebers vorliegen, damit der Arbeitnehmer als Weisungsempfänger agiert, da sich dieser ansonsten den Anweisungen widersetzen könnte.  

Auslösebedingung als Startschuss   Der Bruch des psychologischen Vertrags, indem beispielsweise Privilegien entzogen werden. 

Wahrnehmung ökonomischer Zusammenhänge

Der Akteur nimmt die ökonomischen Zusammenhänge unvermeidlich wahr, entweder versteht er und unterstützt diese (Affirmation), versteht sie und akzeptiert diese (Realismus), oder versteht sie nicht und reagiert mit Widerstand (Skepsis). 

Teil-Elemente, die im Ablauf des Mechanismus ineinandergreifen

Durch den Bruch des psychologischen Vertrags und dem Entzug von Privilegien wird eine Dissonanz erlebt, auf die reagiert werden will. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer die Motivation zur Dissonanzreduktion verspürt. Sofern der Arbeitnehmer nicht dem Wirkprinzip “Quid pro Quo” folgt und eine Anpassung seines Engagements vornimmt, können auch Handlungsalternativen geprüft werden, zum Beispiel ein Arbeitgeberwechsel. Damit würde der Arbeitnehmer aus diesem Modell "ausbrechen“. Bei einem Wechsel müssen immer auch die Alternativkosten betrachtet werden, beispielsweise ob ein anderes Unternehmen dem Arbeitnehmer mehr bieten kann.  

Störgrößen, die das Wirkprinzip maßgeblich beeinflussen

Die Karriereambitionen sind im Falle der affektiven Durchstarter hoch, im Falle der Rückzugsreifen Realisten und der Skeptiker niedrig. Die Karriereambitionen moderieren somit das Ausmaß des Wirkprinzips auf das Engagement des Arbeitnehmers und können das Engagement verstärken oder verringern.  Die Dimension der individuellen Betroffenheit oder Kollektivbetroffenheit beschreibt die folgende Unterscheidung: Wenn sich die Statuseinbußen nur auf einzelne Personen beschränken, könnten diese vermuten, dass es nicht gerecht oder fair zugeht und weisen von daher eher eine niedrige Akzeptanz auf. Im Falle einer kollektiven Betroffenheit fällt es den Betroffenen hingegen leichter, mit dem Entzug von Privilegien umzugehen, da eine individuelle Benachteiligung ausgeschlossen werden kann. 


Anwendung

Bedeutung für Change Phänomene

Wahrscheinlich gab es und gibt es noch immer aufgeblähte Organisationsstrukturen, in denen zu viele Hierarchieebenen den Arbeitsfluss eher stören. In diesen Fällen sollte über Maßnahmen zur Reduzierung der Ebenen nachgedacht werden und in vielen Fällen wird es wahrscheinlich auch das mittlere Management treffen, wenn es um Stellenstreichungen geht.

Eine pauschalisierende Wahrnehmung des mittleren Managements als Lähmschicht sollte vermieden werden, da dieses in vielen Fällen einen großen Einfluss auf den Erfolg von Umstrukturierungsmaßnahmen hat und somit ein wichtiges Element in Wandlungsprozessen darstellt. Denn das mittlere Management ist verantwortlich für die Umsetzung der vom Topmanagement festgelegten Ziele und gestaltet den Wandel somit aktiv mit. Das mittlere Management partizipiert bei der Sinnstiftung (engl. Sensegiving) und hat somit großen Einfluss wie die Mitarbeiter den Wandel interpretieren (engl. Sensemaking). Dies wiederum hat Einfluss darauf, ob die vom Topmanagement geplanten Maßnahmen auch so von den Mitarbeitern umgesetzt werden wie geplant. Somit spielt das mittlere Management eine entscheidende Rolle im Sensegiving und für den organisatorischen Wandel.

Deshalb sollte die Option berücksichtigt werden das mittlere Management in Wandlungsprozessen zu stärken, sodass diese zu Promotoren des Wandels werden und den Wandel maßgeblich mitgestalten können. Um dies zu erreichen gibt es verschiedene Ansätze:[32]

  1. Die Stärkung der Rolle beginnt schon bei der Auswahl. Hier sollte darauf geachtet werden, dass nur geeignete Führungskräfte ausgewählt werden, denn nicht jede gute Fachkraft ist auch eine gute Führungskraft. Die bestehenden Führungskräfte sollten zudem fortgebildet werden, insbesondere im Bereich der Personalführung. Dadurch würden den mittleren Managern Kompetenzen beigebracht, die sie in ihrer Rolle als Führungskraft stärken und somit aufkommenden Unsicherheiten in diesem Bezug entgegenwirken.
  2. Rollenkonflikte zwischen “leader” und “follower” sollten reduziert werden. Dies kann beispielsweise durch Empowerment erreicht werden, zum Beispiel durch das Einräumen von ausreichenden Kompetenzen, sodass das mittlere Management einen größeren Handlungsspielraum hat. Dadurch kann die Umsetzung der Vorgaben durch das Topmanagement freier gestaltet werden, wodurch die mittleren Manager weniger in einen Konflikt zwischen den Anforderungen des Top Managements und denen der Mitarbeiter geraten. Die Die Unsicherheit, die durch einen solchen Rollenkonflikt entsteht, könnte somit verringert werde.
  3. Zudem muss die Attraktivität des mittleren Managements als Karriereziel gesteigert werden um Unzufriedenheit zu verhindern. Möglich wäre dies durch eine angemessene Bezahlung, ein leistungsorientiertes Vergütungssystem, aber auch nicht-monetäre Wertschätzung, gerade für gute Leistungen oder Erfolge. Die Anerkennung kann auch durch einen engen Kontakt zum Topmanagement gezeigt werden, beispielsweise durch gemeinsame Projekte oder der Mitwirkung bei der Strategieformulierung. Zudem können auch horizontale Entwicklungspfade angeboten werden, zum Beispiel in andere Bereiche, sodass eine Weiterentwicklung stattfindet und neue Motivation erzeugt werden kann. Unsicherheiten und demotivation in Bezug auf den eigenen Karriereweg können so vermieden werden.
  4. Übermäßig hohe Belastung muss reduziert werden. Ansatzpunkte könnten hier die klare Definition von Aufgabenbereichen sein oder das Setzen eigener Ziele. Ebenfalls können Weiterbildungsmöglichkeiten helfen, sodass das mittlere Management lernt, besser mit den sich verändernden Herausforderungen umgehen zu können. Klar definierte Aufgaben, die im Kompetenzbereich der betroffenen Person liegen, verringern das Potenzial vor überfordernden Aufgaben zu stehen, die Unsicherheit hervorrufen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass, um Unsicherheiten zu vermeiden, eine klare Kommunikation sowie Partizipation und ausreichende Handlungskompetenzen von großer Bedeutung sind. Eine klare Kommunikation führt zu einer besseren Erwartungshaltung, eine stärkere Partizipation zu mehr Wertschätzung und erweiterte Handlungskompetenzen zu einem erhöhten Kontrollempfinden innerhalb der eigenen Rolle.


Fallbeispiel

Um das Problem der Unsicherheit im mittleren Management etwas anschaulicher darzustellen, soll nun ein Fallbeispiel betrachtet werden. Es werden hierbei die Gedanken und Erfahrungen einer realen Person wiedergegeben, die im Rahmen eines Interviews in einer qualitativen Studie von Thomas & Linstead (2002)[33] wiedergegeben wurden. Der Mann, um den es geht, wird Phil genannt (Name wurde geändert), ist Ende 30 und arbeitet bereits sein ganzes Leben bei einer Mineralölfirma. Privatisierungen und weitere Faktoren treiben die Fima schon seit Jahren durch mehrere Umstrukturierungsprozesse und viele Mitarbeiter mussten die Firma bereits verlassen.

Im Rahmen dieser Umstrukturierungsmaßnahmen muss Phil immer wieder Interviews mit Beratern führen und hat dabei das Gefühl, seine Position im Unternehmen verteidigen zu müssen, um nicht auch entlassen zu werden. Dies bereitet ihm viel Stress und Druck und er empfindet eine ständige Unsicherheit, ob er seinen Job behalten kann oder sogar entlassen wird. Unter seinen Kollegen herrscht die Wahrnehmung, dass das Topmanagement kein gutes Bild vom mittleren Management hat und denkt, dass dieses keinen Nutzen beiträgt, sondern nur eine Last für das Unternehmen ist und trotzdem noch einen Firmenwagen bekommt. Phil stellt sich deshalb die Frage: „Wie geht es für mich weiter?“

Hinzukommt, dass Phil schon seit Jahren mit der Familie in ein Haus umziehen möchte. Jedoch weiß er auch schon seit Jahren nicht, ob und wie lange er seinen jetzigen Job noch behalten kann und damit auch, ob er sich das Haus überhaupt leisten kann. Er sieht kein Ende der Umstrukturierungsmaßnahmen und damit auch kein Ende seiner unklaren Situation. Diese Unsicherheit belastet ihn, seine Familie und natürlich auch seine Kollegen immens. Sie fühlen sich hilflos, da sie selbst keine Stimme in den Entscheidungsprozessen haben. Auf der anderen Seite sieht er selbst die Mittelmanager als diejenigen, die maßgeblich am guten Image des Unternehmens beteiligt sind.


Erklärung des Fallgeschehens

Der beschriebene Fall ist typisch für eine empfundene Unsicherheit im mittleren Management in Bezug auf ihren Arbeitsplatz und soziale Stellung. Insbesondere die Verbreitung des Lean Management Ansatzes in den 1990er Jahren führte bei vielen Unternehmen zu Einsparungen und Umstrukturierungsmaßnahmen, von denen auch besonders das mittlere Management betroffen war und ist. Die vorher empfundene Sicherheit im Job verschwand zunehmend und kann mit dem Bruch des psychologischen Vertrags beschrieben werden.

Einige der vorgestellten Determinanten und Wirkungen lassen sich gut in dem Fall von Phil wiedererkennen. So trägt das Image des mittleren Managements dazu bei, dass er und seine Kollegen das Gefühl haben, dass das Topmanagement sie für überflüssig hält und als Last wahrnimmt. Die immer wiederkehrenden Interviews zeugen von einem Mangel an Vertrauen, einer fehlenden Wertschätzung und zeigen zudem, dass es keine wirklichen Weiterentwicklungsperspektiven für die Manager des mittleren Managements gibt. Hinzu kommt das Gefühl der Hilflosigkeit, da sie selber keinen großen Einfluss auf die wichtigen Entscheidungen haben. All dies führt zu der empfundenen Unsicherheit, die im Fall von Phil insbesondere mit einer Angst vor einem Jobverlust und Stress verbunden ist. Aus seinen Aussagen lässt sich zudem eine eher demotivierte Haltung in Bezug auf seinen Arbeitgeber herauslesen. Von ihm genutzte Begriffe wie Überlastung und Müdigkeit verstärken dies.

Um seine Situation in die Reaktionsformen Affirmation, Realismus und Skepsis einzuordnen, ist besonders ein Teil des Interviews interessant. Auf die Frage, ob er ein Ende dieser belastenden Zeit sieht, verneint Phil dies und ergänzt, dass er diese Situation einfach akzeptieren und damit leben muss. Dies würde am ehesten dem Typ des rückzugsreifen Realisten entsprechen, wobei jedoch teilweise auch weitere Aussagen zu finden sind, die der Skepsis zuzuordnen wären. Es ist somit keine gänzlich trennscharfe Aussage darüber zu treffen. Insgesamt zeigt dieses Fallbeispiel, wie stark sich die Belastung durch Unsicherheit im Job auf einen Menschen auswirken kann. Dass das Beispiel von Phil kein Einzelfall ist, wird in mehreren Studien und gesellschaftlichen Kreisen diskutiert, wie oben dargestellt.


Würdigung & Ausblick

Die Wahrnehmung des mittleren Managements erfolgte über die vergangenen Jahrzehnte in Wellenbewegungen, beispielsweise entweder als potentielles Objekt für Hierarchie- und Bürokratieabbau oder aber als essentielle Schlüsselposition im Unternehmen.  

Es ist schwierig einzuschätzen, in welche Richtung sich die Bedeutung des mittleren Managements in naher Zukunft entwickelt. Zum einen kann die geforderte Agilität eine Herausforderung für das mittlere Management darstellen. Wenn die tägliche Arbeit in flexiblen Projektteams mit ständig wechselnder Zusammensetzung organisiert wird, könnte die Bedeutung des mittleren Managements ähnlich wie um die Jahrtausendwende erneut abnehmen. 

Eine Chance für das mittlere Management lässt sich in der erhöhten Dynamik im heutigen Unternehmensumfeld erkennen. Unternehmen befinden sich im ständigen Wandel, für den Unternehmen Strategien entwickeln und durchführen müssen. Hier kommt dem mittleren Management mit seiner Mittlerfunktion und dem Übersetzen und Ausführen der Strategie eine wichtige Rolle zu. 

Es lässt sich festhalten, dass pauschale Aussagen der Bedeutung des mittleren Managements nicht gerecht werden und eine differenzierte Betrachtungsweise, je nach Unternehmen und Situation, notwendig ist. Zum Beispiel bestehen große Unterschiede hinsichtlich der Unternehmensstruktur: Ein Konzern, der aufgrund seiner Komplexität mehr Hierarchie-Strukturen benötigt wird das mittlere Management möglicherweise anders bewerten als ein Unternehmen, das ohne Hierarchien aufgebaut und von hoher Flexibilität geprägt ist. 


Literatur

Accenture (2008): Middle Managers Around the World Unsatisfied with Their Organizations, Accenture Survey Finds. Abgerufen unter https://newsroom.accenture.com/article_display.cfm?article_id=4485 (am 12.03.2020).

Anicich, E. M. & Hirsch, J. B. (2017): The Psychology of Middle Power: Vertical Code-Switching, Role Conflict, and Behavioral Inhibition. Academy of Management Review, 42 (4), 659–682.

Bamberg, G., Coenenberg, A. G., Krapp, M. (2019) Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre. 16. Auflage, München: Vahlen.

Boyden (2017): Leadership in der digitalen Welt – wo stehen die deutschen Unternehmen? Abgerufen unter https://www.boyden.com/media/leadership-in-der-digitalen-welt-boyden-studie-2017-1787791/leadership-in-der-digitalen-welt-boyden-studie-2017.pdf (am 20.03.2020).

Dr. Jürgen Meyer Stiftung (2011): Das mittlere Management: Die unsichtbaren Leistungsträger. Abgerufen unter http://www.juergen-meyer-stiftung.de/stiftung-ethik-pdf/DMM_Die_unsichtbaren_Leistungstraeger.pdf (am 12.03.2020).

Dr. Jürgen Meyer Stiftung (2019). Das mittlere Management – Noch immer gefangen im Sandwich? Abgerufen unter https://www.economics.phil.fau.de/files/2019/08/2019-Fifka-und-Becker-JMS-Das-mittlere-Management-Noch-immer-gefangen-im-Sandwich.pdf (am 05.03.2020).

Gabler (o.J.): Middle Management. Abgerufen unter https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/middle-management-41247/version-264615 (am 07.07.2020).

Guldner, J. (2019): Die Sandwich-Position ist noch verhasster als gedacht. Abgerufen unter https://www.wiwo.de/erfolg/management/mittleres-management-die-sandwich-position-ist-noch-verhasster-als-gedacht/24955770.html (am 12.03.2020).

Hans Böckler Stiftung (2018). Treiber und Getriebene. Die Rolle des mittleren Managements im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung psychosozialer Belastungen und mögliche Unterstützungsansätze. Abgerufen unter https://www.boeckler.de/pdf/p_study_hbs_400.pdf (am 15.03.2020).

Klagge, J. (1996). The Leadership Role of Today's Middle Manager. Journal of Leadership & Organizational Studies, 11–19.

Kotthoff, H./Wagner, A. (2008): Die Leistungsträger. 11-27; 205-231. Berlin: Edition Sigma.

Kotthoff, H. (2016): Arbeit, Arbeitsbewusstsein und Interessenorientierung von Hochqualifizierten Angestellten. Industrielle Beziehungen, 23, 415-439.

Mintzberg, H. (1980). Structure in 5's: A Synthesis of the Research on Organization Design. Management Science, 26 (3), 322–341.

Robinson, S. L./Rousseau, D. M. (1994): Violating the psychological contract: Not the Exception but the Norm. Journal of Organizational Behavior, 15 (3), 245–259.

Rousseau, D. M. (1990): New hire perceptions of their own and their employer’s obligations: A study of psychological contracts. Journal of Organizational Behavior, 11 (5), 389–400.

Spektrum (o.J.): Verunsicherung. Lexikon der Psychologie. Abgerufen unter https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/verunsicherung/16379 (am 06.08.2020).

Spies, M. (1993): Unsicheres Wissen. Heidelberg, Berlin, Oxford: Spektrum Akademischer Verlag.

Thomas, R/Lindstead, A. (2002): Losing the Plot? Middle Managers and Identity. Organization 9 (1), 71-93.

Walter, A. D. (2016): Mittleres Management – Schlüssel zum Unternehmenserfolg. Leipzig: Springer Gabler.

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Einzelnachweise

  1. Kotthoff & Wagner 2008
  2. Kotthoff & Wagner 2008
  3. Mintzberg 1980
  4. Gabler o.J.
  5. Dr. Jürgen Meyer Stiftung 2011
  6. Walter 2016
  7. Dr. Jürgen Meyer Stiftung 2011
  8. Spies 1993
  9. Bamberg, Coenenberg & Krapp 2019
  10. Bamberg, Coenenberg & Krapp 2019
  11. Spektrum o.J.
  12. Dr. Jürgen Meyer Stiftung 2019
  13. Dr. Jürgen Meyer Stiftung 2019
  14. Boyden 2017
  15. Linda Rouleau 2005
  16. Hans-Böckler-Stiftung 2018
  17. Anicich & Hirsch 2017
  18. Walter 2016
  19. Dr. Jürgen Meyer Stiftung 2011
  20. Accenture 2008
  21. Dr. Jürgen Meyer Stiftung 2011
  22. Kotthoff & Wagner 2008
  23. Walter 2016
  24. Dr. Jürgen Meyer Stiftung 2011
  25. Thomas & Lindstedt 2002
  26. Dr. Jürgen Meyer Stiftung 2011
  27. Guldner 2019
  28. Rousseau 1990
  29. Kotthoff & Wagner 2008
  30. Werth 2015
  31. Kotthoff & Wagner 2008
  32. Dr. Jürgen Meyer Stiftung 2011
  33. Thomas & Linstead 2002