Teilnehmende Beobachtung als Analyseinstrument in der OE

Aus Personal_und_Führung
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Gesellschaft für Organisationsentwicklung (GOE) versteht Organisationsentwicklung als einen längerfristig angelegten, organisationsumfassenden Entwicklungs- und Veränderungsprozess von Organisationen und der in ihr tätigen Menschen. Der Prozess beruht auf Lernen aller Betroffenen durch direkte Mitwirkung und praktische Erfahrung. Sein Ziel besteht in einer gleichzeitigen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation und der Qualität des Arbeitslebens. Um die Potenziale der in der Organisation tätigen Menschen zu erkennen und diese zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation zu nutzen, werden Menschen bzw. Mitarbeiter beurteilt. Leistungsdefizite können erkannt werden und durch individuelle und der Situation angemessene Fördermaßnahmen beseitigt werden. Die Erhaltung und Steigerung der Mitarbeiterleistung ist dadurch tendenziell besser möglich. Beurteilungen müssen:

  • sich auf Beobachtungen stützen,
  • sie müssen beschreibbar, bewertbar
  • und vergleichbar sein. [1]

Die teilnehmende Beobachtung ist eine Standardmethode der Feldforschung.[2] Sie wurde zunächst in der Ethnologie und in der Kulturanthropologie eingesetzt, später wurde die teilnehmende Beobachtung auch in die Soziologie eingeführt.[3]

Die Beobachtung ist neben der Befragung, dem Experiment und der Inhaltsanalyse eine der vier wesentlichen empirischen Forschungsmethoden. Das maßgebliche Kennzeichen der teilnehmenden Beobachtung ist der Einsatz in der natürlichen Lebenswelt der Untersuchungspersonen. Der Forscher nimmt am Alltagsleben der ihn interessierenden Personen und Gruppen teil und versucht, durch genaue Beobachtung etwa deren Interaktionsmuster und Wertvorstellungen zu explorieren und für die wissenschaftliche Auswertung zu dokumentieren.[4] Er muss ein Mindestmass an Interaktionen ausüben und eine oder mehrere soziale Rollen einnehmen. Aus dieser „teilnehmenden Anwesenheit“ im Forschungsfeld ergibt sich nicht nur die personelle Identität von Forscher und Beobachter, sondern auch die Notwendigkeit, dass der Forscher zwischen der nötigen Empathie und der nötigen Distanz entscheidet. Der Forscher sollte also zwischen sozialer Teilnehmerrolle und Forscherrolle abwägen können.[5]

Die Methode der teilnehmenden Beobachtung qualifiziert sich vor allem dort, wo es darauf ankommt, den Forschungsgegenstand als komplexes Geschehen in seinem natürlichen Umfeld zu betrachten und wo eine experimentelle Künstlichkeit das eigentliche Erkenntnisziel verhindern würde.[6]

Entwicklung

Die teilnehmende Beobachtung wurde als Forschungspraxis zunächst in der Anthropologie bzw. Ethnologie ausgeübt und diente dazu, fremde Kulturen verstehen zu lernen oder die eigene Kultur aus verfremdeter Perspektive wahrzunehmen. Lewis Henry Morgan und etwas später auch Franz Boas begannen im späten 19 Jh. mit systematischer und stationärer Feldforschung bei der sie durch intensive Teilnahme das soziale Leben der Irokesen (Morgan) und der Inuits (Boas) erforschten.

Ausführlich beschrieben wurde die Praxis der teilnehmenden Beobachtung durch Bronislaw Malinowski im Jahr 1922 in seinem Werk „Argonauts of the Western Pacific“.[7] Es ist das Resultat eines mehrmonatigen Aufenthalts auf den Trobriand Inseln (Pazifik), bei dem er die participant observation (teilnehmende Beobachtung) entwickelt, welche ein, über einen längeren Zeitraum hinweg, intensives Zusammenleben mit der untersuchten Bevölkerung vorsieht.

Innerhalb der Soziologie entwickelte sich in den 20er Jahren des 20 Jh. ein Ansatz – die Chicagoer Schule –, der explizit dazu aufforderte, die interessierenden sozialen Phänomene dort zu untersuchen, wo ihr „natürlicher“ Ort ist, also „ins Feld“ zu gehen.[8] Im Jahre 1927 wurden die sogenannten „Hawthorne-Studies“ unter der Leitung des australischen Soziologen Elton Mayo durchgeführt. Bei den Hawthorne-Studien handelt es sich um eine klassische Studie der Betriebspsychologie. Hierbei wurde untersucht, welchen Einfluss verbesserte Umweltbedingungen im Unternehmen auf die Arbeitsleistung, das Verhalten und die Gesundheit von Arbeitenden haben. Diese Studie war der Beginn einer sich eigens herausbildenden Organisationsanthropologie.[9]

Kurz nach den „Hawthorne Studies“ begann im Jahr 1933 die Feldforschungsphase der „Yankee City Studies“ durch William L. Warner und Josiah O. Low. In dieser Studie wurde die interne Dynamik einer Schuhfabrik während eines Streiks untersucht.

In den 50er Jahren wurde die Methode der teilnehmenden Beobachtung in den „Manchaster Shop-Floor Studies“ durch Max Gluckman eingesetzt. Der Fokus bei diesen Studien lag auf der Analyse von Interaktionen innerhalb einer Wirtschaftsorganisation zwischen Manager und Arbeiter. In den insgesamt fünf Studien wurde die teilnehmende Beobachtung konflikttheoretisch eingesetzt und sollte dazu beitragen herauszufinden, welche sozialen Prozesse zum Erhalt des Bestehenden und welche zu Veränderungen führen.[10] Insbesondere für die Entwicklung einer Organisation ist es von großer Bedeutung zu Wissen, welche sozialen Abläufe zu Veränderungen innerhalb einer Institution beitragen. Anders als bei den beiden zuvor genannten Studien nahm der Forscher erstmalig an der Arbeit der zu beobachtenden Gruppe teil.[11]

Varianten der Beobachtung

Zunächst wird bei der Beobachtung zwischen einer unstrukturierten naiven Alltagsbeobachtung und einer strukturierten wissenschaftlichen Beobachtung unterschieden. Eine wissenschaftliche Beobachtung unterscheidet sich von der naiven, indem es eine wiederholte Prüfung und Kontrolle hinsichtlich der, Gültigkeit, Zuverlässigkeit und Genauigkeit gibt. Die wissenschaftliche Beobachtung nutzt die systematische Aufzeichnung der beobachteten Ereignisse, ist systematisch geplant, dient einem bestimmten Forschungszweck und hat einen besonderen Stellenwert innerhalb einer wissenschaftlichen Beobachtung.[12] In der Sozialforschung zählt die teilnehmende Beobachtung zu einer der wichtigsten Methoden. Ihre Anwendung kann unterschiedlich erfolgen. Nachfolgend werden fünf unterschiedliche Beobachtungsformen aufgezeigt.

Überblick über die Varianten[13]

Strukturierte / Unstrukturierte Beobachtung

Beide Varianten sind genau auf ein formuliertes Forschungsziel gerichtet und werden systematisch geplant und aufgezeichnet. Bei der strukturierten Beobachtung werden die Beobachtungen nach einem vorab festgelegtem Schema und Richtlinien durchgeführt. Hingegen bei der unstrukturierten werden vorab keine Schemata und Richtlinien festgelegt.[14]

Teilnehmende / Nichtteilnehmende Beobachtung

Bei der teilnehmenden Beobachtung agiert der Beobachter selbst aktiv in der Gruppe. Er nimmt eine Rolle im sozialen Feld ein und beobachtet aus dieser Rolle heraus. Kritisch wird es, wenn die Objektivität verloren geht, da dies zu fälschlichen Ergebnissen führen kann. Besonders in der Ethnologie besteht die Gefahr, dass Forscher sich zu stark mit ihrer Rolle im Feld verbunden fühlen, also dass ein „going native“ stattfindet. Werden teilnehmende Beobachtung in Unternehmen durchgeführt, ist eine Gefahr des „going native“ sehr unwahrscheinlich, denn meist tritt es nur bei sehr langen Beobachtungszeiträumen auf. Bei der nichtteilnehmenden Beobachtung wird das Feld von außen beobachtet und der Beobachter nimmt keine Rolle ein. [15]

Offene / Verdeckte Beobachtung

Bei der offenen Beobachtung tritt der Beobachter ausdrücklich als Forscher auf. Das soziale Feld und die Teilnehmer kennen den Zweck der Anwesenheit des Forschers. Bei der verdeckten Beobachtung gibt der Forscher seine Identität nicht zu erkennen. Zweck der verdeckten Beobachtung ist es, eine Störung des sozialen Feldes und damit eine mögliche Modifikation des Verhaltens durch das Wissen der Anwesenheit des Forschers zu vermeiden.[16] Die verdeckte Beobachtung ist besonders geeignet, wenn das Arbeitsklima im Büroalltag erforscht werden soll, indem z.B. die persönlichen Gespräche unter Kollegen beobachtet werden.

Labor- / Feldbeobachtung

Die Laborbeobachtung findet in einem künstlich hergestellten Raum statt. Die Feldbeobachtung hingegen erfolgt in der natürlichen sozialen Umgebung der zu beobachtenden Personen.[17]

Vermittelte / Unvermittelte Beobachtung

Vermittelte Beobachtungen verwenden technische Hilfsmittel. Die unvermittelte Beobachtung verwendet keine technischen Hilfsmittel, es werden lediglich Notizen erstellt. Problematisch bei der unvermittelten Beobachtung ist es, dass unbewusst Notizen selektiert werden, wodurch ein verzerrtes Bild entstehen könnte. [18]

Anwendungsgebiet

Die teilnehmende Beobachtung wird vornehmlich dort praktiziert, wo es um ansonsten schwer zugängliche soziale Felder geht und/oder wo relatives Neuland betreten wird. Sie wird insbesondere dann eingesetzt wenn:

  • der Forschungsgegenstand in eine soziale Situation eingebunden ist,
  • der Gegenstandsbereich von außen schwer einsehbar ist,
  • die Fragestellung eher explorativen Charakter hat.[19]

Beispiel: Der Untersuchende beobachtet das Zusammenwirken von Mitarbeitern in einem Großraumbüro innerhalb einer Organisation. Ein solcher Gegenstandsbereich ist von außen oftmals schwer einsehbar. Es soll herausgefunden werden wie sich die neuen Mitarbeiter X und Y in das neue Arbeitsumfeld eingearbeitet haben und wie sie sich ihren neuen Kollegen gegenüber verhalten. Durch das Beobachten können vor allem die sozialen und ansonsten schwer einsehbaren Reaktionen und Verhaltensmuster der Mitarbeiter erforscht werden. Außerdem kann erfasst werden, wie sich Individuen im neuen Arbeitsumfeld zurecht finden und auf Veränderungen reagieren. Bei der Anwendung der teilnehmenden Beobachtung als Analyseinstrument können die Verhaltensweisen meist unverzerrt erfasst und als Information für Verbesserungen an die Organisationsentwicklung weiter gegeben werden.

Führungskräften ist es hierdurch möglich herauszufinden, ob der Entwicklungsprozess der Organisation z.B. durch Konflikte innerhalb der Belegschaft gestört wird. Doch auch um einen geplanten sozialen Wandel in Organisationen umzusetzen, ist die teilnehmende Beobachtung ein sehr hilfreiches Instrument. Die verschiedenen Verhaltensmuster und Reaktionen der Mitarbeiter können erfasst und analysiert werden, wodurch der Wandel bestmöglich durchgeführt und bei Bedarf verbessert werden kann.

Die teilnehmende Beobachtung hat sich als hilfreich erwiesen in Organisationen, die sich in einem raschen Wachstum befanden und ihre Expansion sowohl dynamisch und flexibel betreiben wollten, ohne darin ihre Orientierung zu verlieren. Sie ist ein Instrumente der Institutionsberatung.[20]

Teilnehmende Beobachtung als Organisationsdiagnoseinstrument

Die teilnehmende Beobachtung eignet sich unter anderem als Organisationsdiagnoseinstrument. Eine Organisationsdiagnose stellt eine systematische und wissenschaftlich fundierte Erfassung, Analyse, Darstellung und Interpretation des in Organisationen auftretenden Verhaltens und Erlebens der Organisationsmitglieder dar. Sie dient dem Ziel, vorhandene Organisationsprobleme aufzudecken und Organisationsänderungen vorzubereiten, die diese Probleme verringern oder beseitigen. Aufgrund der hohen Komplexität kann eine Organisation niemals als Ganzes diagnostiziert werden. Die Diagnose erfordert notwendigerweise jeweils eine Schwerpunktsetzung, die thematisch erfolgen kann. Dann lassen sich z. B. Diagnosen des Betriebsklimas, der Organisationskultur oder noch spezieller der Lernkultur einer Organisation unterscheiden.[21] Der Forscher beobachtet eine im Voraus festgelegte Situation, z.B. ein Verkaufsgespräch, eine Sitzung oder eine Gruppenmoderation und analysiert diese Beobachtung anschließend. Ein abschließender Beobachtungsbericht dient der Diskussion und Reflexion der Situation und kann als Anstoß für Veränderungen im Unternehmen genutzt werden.[22]


Beobachtbare Verhaltensweisen und ihre Wirkung

Die teilnehmende Beobachtung von Gesprächen oder Meetings eignet sich besonders gut, um sich der soziokulturellen Dimension einer Organisation zu nähern. In Gesprächen unter Kollegen können beispielsweise deutlich die in der Organisation vorhandenen Machtkonstellationen offenbart werden.

Die Dominanz einer Person kann sich in diesem Fall äußern in Monologen, direkten und indirekten Drohungen, Provokationen, Ironie, Schuldzuweisungen, Verzerrungen, Rechtfertigungen und Zurückweisungen, Interpretations- und Definitionsmacht oder in wolkiger, metaphorischer Rede. Unzureichendes aktives Zuhören, fehlende Klärungen, Ignorieren von Fragen, Ideen und Vorschlägen verstärken den Ausdruck einer geringen Wertschätzung der hierarchisch unterstellten Person als Dialogpartner.[23] Auch die von den Teilnehmern ausgesendeten körperlichen Signale können Spannungen oder Probleme offenbaren. Die körperlichen Signale können sich beispielsweise äußern in ziellosem Geradeausschauen, phasenweise starren Gesichtern und in ernsten und angespannten Gesichtsausdrücken. Auch die Stimme gibt Hinweise auf die innere Verfasstheit der Sprecher und kann z.B. eine Drohung oder Provokation unterstützen.[24]

Neben dem "Machtphänomen" gibt es auch noch das sog. „Drückeberger Phänomen“, auch „shirking“ genannt. Hierbei handelt es sich um die bewusste Leistungsverringerung eines Mitarbeiters in einer Organisation die einen durchweg negativen Einfluss auf die gemeinsame Gruppenleistung hat. Der Einzelne verringert bewusst seinen Einsatz, unter der Annahme, dass jemand Anderes die Aufgabe erfüllt. Dieses Phänomen tritt vor allem dann auf, wenn die Aufgabe von der jeweiligen Person als unangenehm bzw. unerfreulich bewertet wird. Insbesondere bei Teamarbeiten kann die teilnehmende Beobachtung eingesetzt werden, um „Drückeberger“ zu enttarnen.[25]

Methodische Güte

Die Güte der teilnehmenden Beobachtung kann in drei Gütekriterien unterteilt werden. Die Relibilität soll die Zuverlässigkeit der Beobachtung bei unterschiedlichen Bedingungen sicherstellen. Die Validität soll prüfen, inwiefern die teilnehmende Beobachtung eigentlich das misst, was beobachtet werden soll und die Generalisierbarkeit soll sicherstellen, dass das Ergebnis auf andere Situationen übertragbar ist. Des Weiteren hängt die methodische Güte der teilnehmenden Beobachtung von der Persönlichkeit des Forschers ab. Der Forscher muss sich mit der Methode identifizieren und mit den Schwierigkeiten dieser qualitativen Methode vertraut sein. Er darf nicht voreingenommen sein, er muss flexibel im Feld sein. Auch hängt die Güte von der Feldbeschaffenheit ab. Wissenschaftliche Beobachtungen über das Arbeitsverhalten in Büroräumen lassen sich einfacher erforschen, als das Jagdverhalten von Urvölkern im Dschungel. Die methodische Güte hängt somit im hohen Maße von der Persönlichkeit des Froschers, von der Feldbeschaffenheit und der Interaktion mit dem Feld ab.[26]. Diese Elemente kann der Forscher jedoch nur begrenzt kontrollieren. Einen optimalen Weg in der Feldforschung gibt es nicht und somit ist eine hundertprozentige methodische Güte nicht gegeben. Des Weiteren werden die Ergebnisse von der subjektiven Einstellung des Forschers unbewusst geprägt und verzerrt, wodurch bei der Datengewinnung eine rein sachliche Feststellung nicht möglich ist. Abschließend bleibt festzuhalten, dass es keine objektive Beobachtung im Sinne einer intersubjektiven Nachprüfbarkeit wie bei einem quantitativen Paradigma gibt.

Diese dargestellten Schwierigkeiten, welche die teilnehmende Beobachtung mit sich führt, machen es oftmals schwer, sie im Prozess der Organisationsentwicklung einzusetzen. Wenn man messen will, inwiefern sich der soziale Wandel in einem Unternehmen integriert hat, muss man sehr gut mit der Methode der teilnehmenden Beobachtung vertraut sein und sich mit ihr identifizieren können, ansonsten entstehen Fehleinschätzungen. Des Weiteren kann es vorkommen, dass die teilnehmende Beobachtung als Analyseinstrument der Oraganisationsentwicklung ungeeignet ist weil manche Verhaltensmuster überhaupt nicht beobachtet werden können. Oftmals könnten andere Analyseinstrumente besser geeignet sein, um einen sozialen Wandel im Unternehmen durchzuführen oder um allgemein die Beziehungen, Verhaltensweisen und Einstellungen gegenüber dem Individuum oder Arbeitsgruppen der Organisation zu erfassen. Sollen z.B. die Arbeitseinstellungen der Mitarbeiter ihrem jetzigen Arbeitgeber gegenüber ihrem alten Arbeitgeber verglichen werden, ist die die teilnehmende Beobachtung unbrauchbar und andere Analyseinstrumente, wie z.B. eine Befragung oder ein persönliches Gespräch könnten zu besseren Ergebnissen führen.

Vor- und Nachteile der teilnehmenden Beobachtung als Analyseinstrument in der OE

Die Vorteile der teilnehmenden Beobachtung liegen in ihrer Tiefenwirkung. Durch die Beobachtung können Gespräche und Verhaltensmuster im Unternehmen beobachtet und analysiert werden, wodurch viele Aspekte zum Vorscheinen kommen, welche durch andere Forschungsmethoden nicht zum Vorscheinen gekommen wären. Oftmals werden erst in intimen Gesprächen zwischen Arbeitskollegen die wahren Aussagen und Gedanken sichtbar. Außerdem können durch die Beobachtung Verhaltensmuster am Arbeitsplatz aufgedeckt werden, die ansonsten nur unbewusst stattfinden. Somit kann man durch die teilnehmende Beobachtung Veränderungsbedarf erkennen, Hypothesen generieren und schlussendlich Verbesserungsvorschläge für die Unternehmung unterbreiten.[27]

Die Nachteile der teilnehmende Beobachtung sind unter anderem die zeitintensiven und aufwendigen Erhebungsverfahren. Um einen Veränderungsbedarf im Unternehmen analysieren zu können, bedarf es eines längeren Beobachtungszeitraums. Außerdem wird die Beobachtung oftmals subjektiv wahrgenommen und Vorurteile und Interpretationen können das Ergebnis verzerren. Es kann auch dazu kommen, dass sich die Personen im Unternehmen gestört fühlen, wodurch sie ein anderes Arbeitsverhalten aufweisen und somit das Feld gestört wird. Auch technische Hilfsmittel, wie Kameras oder Aufzeichnungsgeräte können das Feld negativ beeinflussen. Außerdem können viele Beobachtungsfehler während der Beobachtung entstehen, wie z.B. der Mildeeffekt[28], wodurch aus Mitleid mit der beobachteten Person negative Verhaltensmuster ausgeblendet werden. Des Weiteren können Primary-Effekte entstehen, es bleibt eine starke Gewichtung des ersten Eindrucks, oder der Recency-Effekt, es wird der letzte Eindruck stark gewichtet. Auch Kontrastfehler können während der Beobachtung auftauchen, indem der Beobachter besonders die Gegensätze seiner eigenen Persönlichkeitsmerkmale beobachtet. Auch können Verhaltensänderungen der Beobachteten entstehen, wenn das Bewusstsein vorhanden ist, dass sie beobachtet werden. In diesem Fall spricht man vom Hawthorne-Effekt

Bezogen auf die Organisationsentwicklung sollten voranging Personen die teilnehmende Beobachtung ausführen, die über Fachwissen in diesem Bereich verfügen und eine gewisse Identifikation mit der Methode habe . Außerdem sollten vorrangig Vorgesetzte die teilnehmende Beobachtung durchführen, damit Prozessstrukturen und soziale Konflikte von oberster Stelle erkannt werden und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Zusätzlich sollte vor allem der soziale Wandel in einem Unternehmen mit allen Personen der obersten Stufe genau abgesprochen werden und gemeinsam mit allen Mitarbeitern durchgeführt werden. Jedoch sollten nicht nur Vorgesetzte die teilnehmende Beobachtung als Analyseinstrument einsetzen, sondern auch andere Mitarbeiter, damit alle Verhaltensmustern und Probleme bestmöglichst von allen Seiten erfasst und analysiert wären können. Außerdem kann somit ein möglicher sozialer Wandel besser umgesetzt werden, da die Arbeitnehmer eine größe Identifikation erfahren und auf deren Bedürfnisse mehr eingegangen wird. Trotzdem gibt es Situationen, in denen die teilnehmende Beobachtung keine Anwendung finden darf, wie z.B. bei der Beobachtung von Arbeitnehmern während ihrer Mittagspause. Dies könnte einen ethischen Konflikt darstellen, da in die Privatsphäre der Mitarbeiter eingegriffen wird. Hingegen ist die teilnehmende Beobachtung bei der Analyse von Verhaltensmustern der Mitarbeiter und bei der Umsetzung eines sozialen Wandels sehr gut geeignet, da ein unverzerrtes Bild der Verhaltensweisen der Mitarbeiter und der Arbeitsabläufe erfasst werden kann.

Begegnung der Schwierigkeiten

Um dem Problem der Fehlinterpretation entgegen zuwirken, ist es besonders wichtig, dass der Beobachter sein Feld kennt und sich bereits vor der eigentlichen Beobachtung mit dem Feld vertraut gemacht hat. Der Beobachter muss vorurteilsfrei sein und darf nicht interpretieren oder werten. Besonders wichtig ist es, nichts zu verallgemeinern und sich nicht auf den ersten Eindruck zu stützen. Außerdem sollten technische Hilfsmittel das Feld nicht stören.[29] Weiterhin sollte der Beobachter die Probleme und Gefahren der teilnehmenden Beobachtung kennen, damit keine negativen Effekte wie der Hawthorne-Effekt, der Primacy-Effekt und der Recency-Effekt, der Mildeeffekte, oder Kontrastfehler auftreten. Diese fünf Beobachtungsfehler lassen sich nicht einfach ausschalten, jedoch sie zu kennen und sich ihrer bewusst zu sein ermöglicht es, ihre Wirkung abzuschwächen und selbstkritisch zu begutachten. Somit kann die Methode der Beobachtung für wissenschaftliche Kontexte systematisiert, differenziert und methodisch verwendet werden. Man sollte sich bewusst sein, dass es keine hundertprozentig objektiven Beobachtungen gibt und eine gewisse Verzerrung immer vorhanden ist.

Besonders bei der Beobachtung von Verhaltensweisen der Arbeitnehmer sollten diese Beobachtungsfehler bekannt sein, damit keine falschen Schlussfolgerungen gezogen werden. Diese könnten z.B. entstehen, wenn zwei neue Mitarbeiter auf ihre sozialen Kompetenzen geprüft werden sollen und zwischen dem Beobachter und einem der Beobachteten zwischenmenschliche Diskrepanzen stehen. Dies würde das Ergebnis verzerren und einen der Arbeitnehmer im Hinblick auf seine sozialen Kompetenzen schlechter darstehen lassen, als seinen Mitstreiter.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Vgl. http://www.kiehl.de/downloads/150304/LP-45337.pdf
  2. Vgl. Mayring, Philipp: Einführung in die Qualitative Sozialforschung. 5. überarbeitete uns neu ausgestatte Auflage, Weinheim 2002, S.80.
  3. Vgl. Lamnek, Siegfried: Qualitative Sozialforschung. 5. überarbeitete Auflage, Basel 2010, S.498.
  4. Vgl. ebd., S.499.
  5. Vgl. Atteslander, Peter: Methoden der empririschen Sozialforschung. 10. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Berlin 2003, S.106.
  6. Vgl. Hänsel, Markus: Intuition als Beratungskompetenz in Organisationen: Dissertationsschrift im Begutachtungsverfahren an der Universität Heidelberg, Heidelberg 2002, S.140.
  7. Vgl. Bachmann, Götz: Teilnehmende Beobachtung. In: Kühl, Stefan et al.(Hrsg.): Methoden der Organisationsforschung. Quantitative und Qualitative Methoden. O.O. 2009, S.323.
  8. Vgl. Kochinka, Alexander: Beobachtung. In: Mey, Günter; Mruck, Katja (Hrsg.): Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie, o.O. 2010, S.452.
  9. Vgl. Choi, Jinchul: Organisationsethnographie im Kulturellen Kontext. Deutsch-koreanische Projektzusammenarbeit in multinationalen Unternehmen. Dissertation Ludwig-Maximilians-Universität, Münster 2010, S.74.
  10. Vgl. Kühl, Stefan; Strodtholz, Petra et. al.: Handbuch Methoden der Organisationsforschung. Quantitative und Qualitative Methoden. Wiesbaden 2009, S.249.
  11. Vgl. ebd., S.75.
  12. Vgl: Lamnek, Siegfried: Qualitative Sozialforschung. 5 überarbeitete Auflage, Basel 2010, S. 490 - 498.
  13. eigene Darstellung
  14. Vgl. Atteslader, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung, 10. Auflage, Berlin 2003, S.98.
  15. Vgl.ebd., S.490 - 501.
  16. http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-28.html
  17. http://www.methoden-psychologie.de/beobachtungsarten_1.html
  18. http://www.methoden-psychologie.de/beobachtungsarten_1.html
  19. http://www.uni-koeln.de/phil-fak/fs-psych/serv_pro/skripte/meth/qual_met.pdf ,S.17.
  20. http://www.institutionsberatung.ch/institutionsberatung/dienstleistungen/teilnehmende-beobachtung
  21. Vgl. Nerdinger; Friedemann W. et al.: Arbeits- und Organisationspsychologie, 2. überarbeitete Auflage, Heidelberg 2011, S.126.
  22. http://www.institutionsberatung.ch/institutionsberatung/dienstleistungen/teilnehmende-beobachtung
  23. Vgl. Arbeitsgemeinschaft QUEM (Hrsg.): Kompetenzen entwickeln - Veränderungen gestalten, Berlin 2000, S.206.
  24. Vgl. ebd., S.207.
  25. Vgl. Marold, Juliane: Sehen vier Augen mehr als zwei?. Der Einfluss personaler Redundanz auf die Leistung bei der Überwachung automatisierter Systeme. Dissertation an der technischen Universität Berlin. Berlin 2012, S.30 ff.
  26. Vgl. Greve; Ventura: Wissenschaftliche Beobachtung, eine Einführung. Weinheim 1997, S.50 - 54.
  27. Vgl. Lamnek, Siegfried: Qualitative Sozialforschung. 5 überarbeitete Auflage, Basel 2010, S.493 - 501.
  28. http://www.personalbeurteilung.de/wirtschaft/milde.htm
  29. Vgl. Kühl; Strodtholz: Methoden der Organisationsforschung. Originalausgabe, Hamburg 2002, S.337 - 339.