Szenariotechnik

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Die Szenariotechnik ist eine Planungstechnik, bei der durch die Erarbeitung unterschiedlicher Szenarien flexible Strategien für zukünftiges Handeln entwickelt werden.[1] Szenarien stellen hierbei „die Beschreibung alternativer Entwicklungsmöglichkeiten in der Zukunft dar“.[2]


Ausgangspunkt

Die Szenariotechnik entstand im Zuge des Zweiten Weltkrieges als eine Methode der militärischen Planung, bei der die US Air Force versucht hat, die Handlungen ihrer Gegner vorherzusehen und mögliche Reaktionen vorzubereiten.[3] Seit Beginn der 70er Jahre hat die Szenariotechnik auch im Bereich der Wirtschaft und Politik zunehmend an Bedeutung gewonnen.[4] Als Ausgangspunkt für die Entwicklung einer solchen Technik diente die Erkenntnis, dass gewöhnliche Prognoseverfahren nicht mehr ausreichen, um mit sich stetig ändernden Umfeldsituationen umgehen zu können.[5]

Durch Störereignisse und externe Faktoren wie beispielsweise politische und gesellschaftliche Entwicklungen, gesetzgeberische Maßnahmen, kürzere Produktlebenszyklen, sowie staatliche Eingriffe in die Wirtschaft (z. B. Umweltauflagen), sollte die Planung alternative Entwicklungen mit einschließen und um ein frühzeitiges Erkennen (unter anderem von Chancen und Risiken) bemüht sein.[6] Während bei kurz- oder mittelfristigen Plänen (2-5 Jahre) zumeist die betrieblichen Informationen, sowie Marktanalysen ausreichen, sollten bei längerfristigen Planungen (> 5 Jahre) zudem externe Informationen wie z.B. gesellschaftliche Entwicklungen, technische Entwicklungen, Infrastruktur oder internationale Beziehungen berücksichtigt werden.[7]

Hierfür eignet sich der Einsatz der Szenariotechnik, da diese:

  • eine fundierte Analyse der Ist-Situation liefert,
  • zu der Verarbeitung quantitativer und qualitativer Informationen, sowie zu der Ermittlung von Haupteinflussfaktoren führt,
  • die Verarbeitung von Störereignissen erleichtert, und letztendlich
  • in der Entwicklung von in sich stimmigen Zukunftsbildern (Szenarien) resultiert.[8]

Szenariotrichter

Abbildung 1: Szenariotrichter[9]
Abbildung 2: Alternativer Szenariotrichter[10]

Um die Szenariotechnik optisch darzustellen, wird zumeist ein sog. Szenariotrichter verwendet (s. Abbildung 1). Mithilfe einer Zeitachse werden verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt. Das Trendszenario bildet hierbei einen Ausgangspunkt, welcher den Verlauf eines Szenarios unter stabilen Umweltbedingungen darstellt (ceteris paribus). Gegenstand der Szenariotechnik ist weiterführend die Betrachtung von Szenarien, die durch instabile Umweltbedingungen hervorgerufen werden können, und als positive und negative Entwicklungsmöglichkeiten in dem Szenariotrichter dargestellt werden.[11] Die Spannweite dieser positiven und negativen Extremszenarien erhöht sich mit der fortschreitenden Entfernung von dem Trendszenario.[12]

In der Regel beschränkt sich die Nutzung der Szenariotechnik auf fixierte (sich zum Teil im Zeitablauf verändernde) Sichtweisen der Gegenwart. Wenn davon ausgegangen wird, dass im Rahmen der Szenariotechnik ein möglichst breites Spektrum möglicher Zukünfte erschlossen werden soll, entsteht dadurch eine verkürzte Betrachtung. Ein alternatives, fortgeschrittenes Modell des Szenariotrichters berücksichtigt auch, dass bereits in der Gegenwart verschiedene Sichtweisen der Realität bestehen können (s. Abbildung 2). Weiterhin berücksichtigt der Szenariotrichter die Möglichkeit äußerst unwahrscheinlicher Szenarien, welche durch Diskontinuitäten entstehen können.[13] Störereignisse beeinflussen die Richtung von Szenarien, sodass neue Szenarien entstehen (in Abbildung 2: B‘).[14]

Szenariotechnik Methoden

Die Szenariotechnik wird grundsätzlich in mehreren Schritten oder Phasen durchgeführt. Die Beschreibung dieser einzelnen Schritte und auch deren Anzahl sind allerdings nicht einheit-lich geregelt. In der Literatur sind deshalb unterschiedliche Modelle zu finden, von denen drei in der nachfolgenden Tabelle[15] dargestellt sind. Im Folgenden wird das 8 Schritte Modell von Geschka und Reibnitz erläutert.

Autor Definition Ziel Konzept
von Reibnitz (1988) Entwicklung von zukünftigen Umweltsituationen und die Beschreibung des Weges von der Gegenwart in diese Zukunft Kreierung von Alternativen bei Unsicherheiten und komplexen Problemen sowie Entwicklung von Zielen und Strategien. 8 Schritte: Untersuchungsfeldanalyse; Umfeldanalyse; Trendprojektionen; Annahmebündelung; Szenario-Interpretation; Störfallanalyse; Auswirkungsanalyse
Schwartz (1996) Werkzeug zur Ordnung von alternativen zukünftigen Umwelten, in denen jetzige Entscheidungen in Wirkung treten. Szenarien als Set von Geschichten. Herausstellen und Sichtbarmachen von Kräften, die die Zukunft in verschiedene Richtungen lenken. 8 Schritte: Problemidentifizierung; Identifizierung von Schlüsselkräften im Umfeld; Listung der treibenden Kräfte; Rang-folge der Kräfte nach Wichtigkeit; Szenarienauswahl (Abweichungen); Szenarienausarbeitung; Erkundung der Auswirkungen; Auswahl der Indikatoren und Wegweiser
Godet (1987) Beschreibung einer Zukunftssituation und dem Hergang, der zu diesem Szenarium führt. Förderung von strategischen Gedanken und Kommunikation innerhalb von Unternehmen und Verbesserung der Flexibilität. 3 Schritte: Konstruktion der Basis und Identifikation von Variablen; Identifikation von Problemen und zukünftigen Fragestellungen; Ausarbeitung von Szenarien

Szenariotechnik - 8-Schritte Modell nach Geschka und Reibnitz

Die Szenario-Analyse nach Geschka und Reibnitz durchläuft idealtypisch 8 Schritte. Hierbei werden alternative Zukunftsbilder entwickelt, für die es gilt, Konsequenzen und geeignete Maßnahmen abzuleiten.[16] Die chronologische sukzessive Ausführung der Schritte sollte angestrebt werden. Jedoch ist es im begrenzten Rahmen auch möglich, einzelne Schritte, wie z. B. die Störanalyse, zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen.[17] Einleitend werden nachfolgend die einzelnen Schritte in einer Übersicht dargestellt, bevor im Anschluss eine detaillierte Beschreibung der 8 Schritte folgt.

Schritt Beschreibung
1. Untersuchungsfeldanalyse – Untersuchungsfeld definieren und strukturieren
2. Umfeldanalyse – Einflüsse auf das Untersuchungsfeld identifizieren und strukturieren
3. Trendprojektionen – Entwicklungstendenzen und kritische Deskriptoren der Unter-nehmensfelder ermitteln
4. Annahmebündelung – Alternative, konsistente Annahmebündel bilden und auswählen
5. Szenario-Interpretation – Ausgewählte Umweltszenarien interpretieren
6. Störfallanalyse – Einführung und Auswirkungen signifikanter Störereignisse analysieren
7. Auswirkungsanalyse – Szenarien ausarbeiten bzw. Konsequenzen ableiten für das Un-tersuchungsfeld
8. Maßnahmenplanung – Maßnahmen und Planungen konzipieren

Begleitend werden alle Schritte an einem durchgehenden Beispiel veranschaulicht.


Beispiel: Ein angestellter IT- Spezialist zieht in Erwägung seine derzeitige Beschäftigung zu kündigen und sich im IT-Bereich selbstständig zu machen.


Schritt 1: Untersuchungsfeldanalyse

Im ersten Schritt geht es um die Strukturierung und Definition des Untersuchungsfeldes. Dies kann z.B. ein Geschäftsbereich, eine Technologie oder ein Marktsegment sein. Dabei gilt es, das Untersuchungsfeld sowie die Problemstellung zu konkretisieren, indem abgegrenzt wird, was Gegenstand der Analyse ist und was nicht.[18] Hierfür sollten Differenzierungen erfolgen, z.B. sachliche (geht es um eine Abteilung oder ein ganzes Unternehmen?), zeitliche (betrifft die Analyse die kommenden 5 Jahre oder mehr, z.B. 20 Jahre?) und räumliche (wird eine regionale, nationale oder internationale Analyse unternommen?.[19] Allgemein kann gesagt werden, dass die Definition des Untersuchungsfeldes sowie der Probleme von der überwiegenden Anzahl der Teilnehmer verstanden werden sollte.[20] Daher sind gleich zu Beginn einer Szenario-Analyse ausführliche Auseinandersetzungen und Diskussionen ratsam, um Hintergrundinformationen von Beteiligten und Betroffenen zu erfahren. Häufig ist es hierbei nötig, Definitionen des Untersuchungsfeldes und der Probleme mehrmals zu überarbeiten oder neu zu formulieren.[21]


Beispiel: Der IT-Spezialist definiert zunächst seine Ausgangssituation. Er ist Wirtschaftsingenieur, 33 Jahre alt, arbeitet im mittleren Management eines großen IT-Unternehmens und hat bereits 3 Jahre Auslandserfahrung. Als Problem führt er an, dass seine Karriere stagniert. Mit der Szenarioanalyse möchte er eigenständig ermitteln, unter welchen Bedingungen die Gründung seines IT-Unternehmens realisierbar ist, welche Marktsegmente in Frage kommen, wie die Marktentwicklung sein wird, welche Position im Markt möglich sein wird und welche Voraussetzungen dafür zu schaffen sind. Als Analysezeitraum betrachtet er die kommenden 5 Jahre.


Schritt 2: Umfeldanalyse

In Schritt 2 erfolgt die Erfassung wichtiger exogener Einflussfaktoren, welche auf das Untersuchungsfeld einwirken. Diese können sowohl quantitativ (z. B. Anzahl von PCs pro Einwohner) als auch qualitativ (z. B. Einstellung gegenüber Technik) sein. Wichtig ist dabei, relevante Umweltsegmente zu bestimmen, diese in Einflussfaktoren zu differenzieren und Kenngrößen zu bestimmen.[22] Häufig identifizierte Einflussfaktoren kommen aus den Bereichen: Märkte, Wirtschaft, Technologie, Gesellschaft, Ökologie und Wettbewerb.[23] Eine zugleich effektive als auch effiziente Methode, um möglichst viele Einflussfaktoren in kurzer Zeit zu identifizieren, ist das Ideenkarten-Brainwriting-Verfahren.[24]


Beispiel: Der IT-Spezialist identifiziert folgende Haupteinflussbereiche sowie dazu gehörende Einflussfaktoren auf seine Unternehmung und veranschaulicht diese in einer Tabelle.

Beispiel: Umfeldanalyse







Schritt 3: Trendprojektionen

Im dritten Schritt werden den Einflussfaktoren Deskriptoren bzw. Kenngrößen zugeordnet, welche das Umfeld im Wesentlichen charakterisieren,[25] um daraus Trendprojektionen für einen kurz-, mittel- und langfristigen Zeitraum abzuleiten.[26] Hierfür ist es hilfreich, die im zweiten Schritt ermittelten Einflussfaktoren als Ausgangspunkt zu verwenden. Für qualitative Kenngrößen, welche nicht durch Zahlen im Voraus bestimmbar sind, sollten eigene Messskalen für die Bewertung entwickelt werden. Zunächst erfolgt eine Ermittlung des Ist-Zustandes der ermittelten Kenngrößen. Anschließend eine Bündelung der Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen, in zwei Gruppen. Eine Gruppe fokussiert Faktoren, die eine positive Entwicklung begünstigen, die andere Gruppe solche, die eine negative Entwicklung bedingen.[27] Aufbauend auf den Ist-Zustand der einzelnen Deskriptoren werden zukünftige Entwicklungen prognostiziert. Hierzu ist es ratsam, Experten zu befragen und eigenständig zu recherchieren. Deskriptoren, welche mehrere Trendprojektionen zulassen, werden als kritische Deskriptoren bezeichnet, für die es Annahmen zu treffen gilt (s. Beispiel unten).[28] Schlussendlich sind alle Trendprojektionen auf Basis von eigenen oder recherchierten Erfahrungen zu begründen.


Beispiel: Auf Basis seiner langjährigen Erfahrung in der IT-Branche antizipiert der IT-Spezialist zu den in Schritt 2 ermittelten Haupteinflussbereichen und Einflussfaktoren positive und negative Entwicklungen der kritischen Deskriptoren und begründet diese. Seine Ergebnisse fasst er stichpunktartig in der folgenden Tabelle zusammen.

Beispiel: Trendprojektionen








Schritt 4: Annahmebündelung

Die Entwicklungstendenzen der kritischen Deskriptoren aus Schritt 3 passen nicht beliebig zusammen und sind oftmals widersprüchlich.[29] Deshalb müssen diese, in Schritt 4, nun zu möglichst widerspruchsfreien und in sich stimmigen Annahmebündeln zusammengefasst werden. Dazu werden in der Regel automatisierte Berechnungsverfahren (Rechenalgorithmen) eingesetzt. Ein Beispiel dafür ist der Konsistenzansatz. Dieser geht von einer Matrix aus, in der alle Ausprägungen der kritischen Deskriptoren einander gegenübergestellt werden. Durch die Gegenüberstellung in einer solchen Konsistenzmatrix kann bestimmt werden, welche Ausprägungen sich gegenseitig verstärken bzw. neutral oder widersprüchlich zueinander verhalten (siehe Abbildung 3). Zudem können bei umfangreicheren Studien neben der Verträglichkeit auch die Eintrittswahrscheinlichkeiten ermittelt und berücksichtigt werden. Mithilfe von spezieller Szenariosoftware (z. B. SAR, INKA) werden diese Konsistenzeinschätzungen abschließend zu widerspruchsfreien Annahmebündeln zusammengefasst.[30]

Aus diesen Bündeln werden abschließend zwei bis drei Kombinationen der kritischen Deskriptoren nach den Kriterien „hohe Konsistenz“, „hohe Unterschiedlichkeit“ und evtl. „hohe Wahrscheinlichkeit“ ausgewählt (s. Beispiel). Diese bilden dann die Basis für die im nächsten Schritt zu formulierenden Szenarien.[31]


Beispiel: Die in Schritt 3 ermittelten kritischen Deskriptoren stellt der IT-Spezialist in der Konsistenzmatrix einander gegenüber. Dabei erfasst er für jeden kritischen Deskriptor sowohl die positive Projektion (a) als auch die negative (b). Anschließend bewertet er die Konsistenz der jeweiligen Deskriptoren und Projektionen und inwiefern sich diese gegenseitig verstärken bzw. widersprechen. Er kennzeichnet die Ergebnisse seiner Analyse mit 0 (neutral), 1 (konsistent), 2 (konsistent mit Verstärkung), -1 (teilweise inkonsistent), -2 (absolut widersprüchlich und inkonsistent). Anhand der Einschätzungen wählt er zwei bis drei in sich konsistente Kombinationen bzw. Annahmebündel der kritischen Deskriptoren für die weiteren Analyseschritte aus.

Beispiel: Annahmebündelung - Konsistenzmatrix









Schritt 5: Szenariointerpreation

Schritt 5 befasst sich mit der eigentlichen Ausgestaltung der Szenarien. Den ausgewählten Annahmebündeln müssen dazu die aus Schritt 3 erarbeiteten Trendprojektionen (unkritische Deskriptoren), die nicht am Bündelungsprozess beteiligt waren, hinzugefügt werden.[32] Um auch den Verlauf von der Gegenwart bis in die Szenarioendsituation aufzuzeigen, werden Zwischenszenarien in Schritten von vier bis sechs Jahren aufgestellt. Zu jedem Zwischenschritt wird stets ein inhaltlicher Abgleich aller Szenarioausprägungen vorgenommen, sowie Reaktionen auf Entwicklungen der vorangehenden Periode verfolgt. So entsteht ein realitätsnaher, vernetzter Entwicklungsablauf, der sich von der Gegenwart bis zum Szenariozieljahr erstreckt.[33] Die Szenarien werden letztendlich entweder durch prägnant formulierte und illustrierte Thesen beschrieben oder als ausformulierter Text ausgearbeitet. Es sollte dabei jeweils eine anschauliche, spannende Geschichte entstehen, die durch verschiedene Darstellungen und Illustrationen verdeutlicht wird.[34]


Beispiel: Aus den in Schritt 4 ermittelten, konsistenten Annahmebündeln formuliert der IT-Spezialist konkrete Szenarien und veranschaulicht diese in einer Tabelle. Bei der Ausgestaltung der Szenarien beschränkt er sich dabei auf je ein positives und ein negatives Szenario.

Beispiel: Szenariointerpretation








Schritt 6: Störfallanalyse

Abbildung 3: Auswirkung von Störereignissen auf Szenarien[35]

Die Störfallanalyse ist der letzte Schritt zur Ausformulierung der Umfeld-Szenarien. Die Antizipation möglichst vieler Störereignisse ist wichtig, um zu bewerten, ob und wie die weitere Entwicklung bereits entwickelter Szenarien beeinflusst werden könnte (s. Alternativer Szenariotrichter in Abbildung 3).[36] Zu Beginn werden alle scheinbar relevanten Störereignisse gesammelt. Störereignisse können sich dabei positiv oder negativ auf eine Entwicklung auswirken, z.B. in Form einer Naturkatastrophe, durch die Veränderung rechtlicher Rahmenbedingungen oder technologischem Fortschritt. Um der unvorhersehbaren Natur von Störereignissen zu entsprechen, sollte der Verlauf bereits entwickelter Szenarien in dieser Phase keine Rolle spielen.[37] Danach erfolgt eine erste Bewertung von Eintrittswahrscheinlichkeit und Einfluss der Störereignisse auf die Szenarien. Relevante Störereignisse werden nachfolgend, gegebenenfalls in Expertengruppen, näher charakterisiert. Auf dieser Basis kann geprüft werden, welche Störereignisse welche Szenarien beeinflussen. Abschließend können die konkreten Auswirkungen für die entsprechenden Szenarien beschrieben werden. Für den Fall, dass ein Störereignis umfangreiche Auswirkungen verursacht, ist ein gesondertes Störszenario zu erwägen.[38]


Beispiel: Der IT-Spezialist antizipiert mögliche Störereignisse für den betrachteten Zeitraum seiner Unternehmung. Zusätzlich überlegt er sich auch mögliche Präventiv- sowie Reaktivmaßnahmen und fasst seine Ergebnisse in der folgenden Tabelle zusammen.

Beispiel: Störfallanalyse








Schritt 7: Auswirkungsanalyse

In Schritt 7 sollen nun die Erkenntnisse aus der Betrachtung der Umfeld-Szenarien auf das Untersuchungsfeld angewendet werden. Je nach Konkretisierung der Aufgabenstellung kommen unterschiedliche Vorgehensweisen in Betracht:

  • Im Falle einer Aufgabenstellung mit überwiegendem Problemlösungscharakter kann unmittelbar damit begonnen werden, Lösungsansätze für Problemfelder der Umfeld-Szenarien zu erarbeiten.
  • Bei einer Aufgabenstellung mit überwiegendem Orientierungscharakter sind nun für das Untersuchungsfeld selbst Szenarien zu erstellen. Dabei dienen die in Schritt 2 identifizierten Wirkungszusammenhänge der kreativen Ausgestaltung von alternativen Zukünften der in Schritt 1 definierten Deskriptoren des Untersuchungsfeldes.

Konsequenterweise gilt es im Anschluss, alle wahrscheinlichen Kombinationen aus Umfeld- und Untersuchungsfeldszenarien gegenüber zustellen, Probleme zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln.[39]


Beispiel: Nun betrachtet der IT-Spezialist die jeweiligen Einflussbereiche der Szenarien und leitet mögliche Auswirkungen auf seine zukünftige Unternehmung ab. Dabei bewertet er mögliche Chancen und Risiken für seine Unternehmung und formuliert Maßnahmenaktivitäten als Vorbereitung für den darauffolgenden Schritt 8. Seine Ergebnisse fasst er in der folgenden Tabelle zusammen.

Beispiel: Auswirkungsanalyse









Schritt 8: Maßnahmen

Für Unternehmen verbleibt mindestens ein Szenario auszuwählen und die Planungsaktivitäten darauf zu konzentrieren. Im engeren Sinne ist dieser Schritt nicht mehr Bestandteil der Szenariotechnik.[40] In diesem Zusammenhang können vier Strategietypen abgegrenzt werden: (A) Konzentration auf das wahrscheinlichste, optimistischste oder pessimistischste Szenario, (B) Absicherung von Verlusten, (C) Flexibilität in der Planung oder (D) Beeinflussung der Umwelt.[41] Zur Auswahl der richtigen Strategie bieten sich Entscheidungshilfen wie z.B. die Nutzwertanalyse an. Die Planung der Implementierung kann je nach Anwendungsbereich bspw. mithilfe einer Projektbilanz oder der Critical-Path-Methode durchgeführt werden. Insbesondere größere Vorhaben bedürfen in der Umsetzungsphase einer Steuerung durch KPIs und ERP-Systeme. Auch in Hinblick auf die Verbesserung zukünftiger Analysen macht eine abschließende Soll-Ist-Betrachtung Sinn.


Beispiel: Auf Basis der vorangegangenen Schritte, formuliert der IT-Experte eine konkrete Leitstrategie für die Umsetzung seiner Unternehmung. Die wichtigsten Maßnahmenschritte fasst er in der folgenden Tabelle zusammen.

Beispiel: Maßnahmen - Leitstrategie









Kritische Würdigung

Die Szenariotechnik beinhaltet direkte und indirekte Vorteile. Auf direktem Weg ermöglicht sie eine strukturierte Zukunftsanalyse sowie die Ableitung multipler Szenarien unter Berücksichtigung potenzieller Störereignisse[42] – eine wichtige Informationsbasis für strategische Entscheidungen.[43] Dabei können grundsätzlich zahlreiche Anwendungsbereiche in Politik und Wirtschaft erschlossen werden. Zusätzlich kann der Umfang der Szenariotechnik dem Anforderungsniveau der Aufgabenstellung angepasst werden: schnelle Orientierungen sind ebenso umsetzbar wie detaillierte und langfristige Analysen.[44]

Indirekt hat die Szenariotechnik auch einen Einfluss auf „weiche“ Faktoren in Organisationen. Beispielsweise bietet sie eine parallele Struktur für formale Kommunikation und somit ein Forum für interdisziplinären Austausch.[45] Es entsteht die Gelegenheit einer breiten Partizipation, welche nicht nur die Koordination eines Projekts und die Identifikation mit den Ergebnissen, sondern auch die Motivation der Beteiligten während der Umsetzung verbessern kann. Zudem fördert die gedankliche Vorwegnahme potenzieller Zukünfte die Auseinandersetzung mit Unsicherheit und hilft, Ängste sowie Widerstände gegenüber Veränderungen zu reduzieren.[46]

Weiterhin ist die Verwertbarkeit von Ergebnissen in Organisationen eng an den Zeitpunkt und die Qualität der Durchführung gebunden. Ein zu später Beginn, eine zu schnelle Durchführung oder eine nicht ausreichend breite Beteiligung können zu mangelhaften Ergebnissen führen.[47] Gleiches gilt für den jeweils umgekehrten Fall und impliziert eine möglichst präzise Kenntnis des Anforderungsniveaus vor Beginn der Szenariotechnik. Vor dem Hintergrund, dass Verantwortliche hierfür bereits eine Vorstellung von den Ergebnissen haben müssen, handelt es sich um einen schwierigen Anspruch, der unmittelbar zu einer Verkürzung der Ergebnisse führen kann. Weiterhin spielt die Fähigkeit Kreativitätsmethoden zielgruppenorientiert einzusetzen, eine Rolle. Schlussendlich ist die Szenariotechnik in der Regel ein verhältnismäßig umfangreiches Projekt, dessen Integration in den Betriebsablauf entsprechend schwierig ist.

Auch die strukturierte Vorgehensweise der Szenariotechnik kann das Risiko eines Irrtums nicht ersetzen. Zwar werden Szenarien entwickelt und bewertet, die Aufgabe der Auswahl – ggf. auch einer Kombination – von Szenarien und das dazugehörige unternehmerische Risiko verbleibt jedoch bei den verantwortlichen Führungskräften. Es besteht immer die Gefahr, wirtschaftliche und persönliche Schäden zu verursachen, wenn Entwicklungen übersehen oder falsch interpretiert werden. Dies ist der Fall, wenn sich aus Szenarien abgeleitete Strategien als nicht funktionsfähig herausstellen und z. B. zu betriebsbedingten Kündigungen führen oder wenn globale Entwicklungen wie der Klimawandel falsch eingeschätzt werden und kostenintensive externe Effekte verursachen. Ein zu starker Fokus auf die Parameter der Szenarien kann sich außerdem zu selbsterfüllenden Prophezeiungen entwickeln, weil reale – und eventuell sogar vorteilhafte – Entwicklungen im weiteren Zeitablauf ausgeblendet werden.

Schließlich sind die Ergebnisse der Szenariotechnik nur so gut, wie es das organisationale Setting zulässt. Kulturell verankerte Grundannahmen und funktionale Gebundenheit[48] bedingen die Menge und Beschaffenheit möglicher Szenarien genauso wie deren Interpretation. Der interne Einsatz der Szenariotechnik in Organisationen mit ausgeprägter Strukturträgheit erscheint deshalb wenig vielversprechend. Unter anderem bürokratische Prozesse und spezialisierte Abteilungen festigen Denkmuster, welche die Entwicklung alternativer Zukünfte stark einschränken. Das gilt vor allem für naturgemäß schwer zu antizipierende Störereignisse. Ein bestmögliches Ergebnis kann nur erreicht werden, wenn diese Denkmuster aufgebrochen bzw. umgangen werden. Eine weitere Gefahr besteht in der bewussten Verschleierung bzw. Zurückhaltung von Informationen, um z.B. Verantwortungsverlusten vorzubeugen oder eine Komfortzone zu wahren.[49] Abhilfe für die dargestellten Probleme bietet ein Perspektivwechsel, beispielsweise die Beteiligung organisationsfremder Experten, sowie die Begleitung der Szenariotechnik durch Maßnahmen zur Erweiterung des Horizonts der Teilnehmer. Unter Umständen sind für die gesamte Analyse externe Dienstleister heranzuziehen.

Abgesehen von einfachen Anwendungen ist die Szenariotechnik stets auf tiefer gehende Analysen angewiesen. Gegebenenfalls müssen langfristig angelegte Studien durchgeführt werden, um ausreichend valides Datenmaterial zu generieren. Für die Berücksichtigung und Aufbereitung komplexerer Wirkungsinterdependenzen ist zudem der Einsatz von Software erforderlich. Zur Bewertung und Auswahl von Szenarien zur Umsetzung können Verfahren zur Entscheidungsunterstützung wie z.B. die Nutzwertanalyse herangezogen werden. Die Szenariotechnik kann qualitative Entscheidungen unter Unsicherheit nicht ersetzen. Sie bietet jedoch eine hilfreiche Annäherung zur Komplexitätsreduktion von einer möglichen Zukunft und ist somit unter der Bedingung einer hinreichend offenen Organisationskultur abschließend als ein geeignetes Instrument zur strukturierten Entscheidungsvorbereitung zu bewerten.

Literatur

Bea, F. X. & Haas, J. (2001) Strategisches Management, 3. Auflage, Stuttgart: Lucius & Lucius.

Coates, F.J. (2000) Scenario Planning, Technological Forecasting and Social Change, Vol. 65, Nr. 1, S. 115-123.

Duncker, K. (1945) On Problem Solving, Psychological Monographs, Vol. 58, American Psy-chological Association.

Fischbach, R. &Wollenberg, K. (2007) Volkswirtschaftslehre 1: Einführung und Grundlagen, München: Oldenbourg Verlag.

Gausemeier, J. & Fink, A. (1999) Führung im Wandel – Ein ganzheitliches Modell zur zu-kunftsorientierten Unternehmensgestaltung, München/Wien: Carl Hanser Verlag.

Geschka, H., Hahnenwald, H. & Schwarz-Geschka, M. (2012) Szenarien als Grundlage für die Innovationstrategie, ManagerWiki 2012 [online verfügbar] unter: http://www.manager-wiki.com/index.php/innovationsmanagement/88-szenarien-als-grundlage-fuer-die-innovationsstrategie.

Geschka, H., Hahnenwald, H., & Schwarz-Geschka, M. (2008) Szenariotechnik, In: Praxiswissen Innovationsmanagement, München, Carl Hanser, S.119-138.

Geschka, H., & von Reibnitz, U. (1983) Die Szenario-Technik - ein Instrument der Zukunftsanalyse und der strategischen Planung, in: Töpfer, A., & Afhelt, H. (Hrsg.): Praxis der strategischen Unternehmensplanung; Frankfurt/Main: Matzner; S. 125-170.

Götze, U. (1991) Szenario-Technik in der strategischen Unternehmensplanung, Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag.

Graf, H. G. & Klein, G. (2003) In die Zukunft führen. Strategieentwicklung mit Szenarien, Zürich: Rüegger Verlag.

Heinecke, A. & Schwager, M. (1995) Die Szenario-Technik als Instrument der strategischen Planung, Braunschweig: Technische Universität Braunschweig.

Kehrt, K., Asum, H. & Stich, V. (2011) Die besten Strategietools in der Praxis: Welche Werkzeuge brauche ich wann? Wie wende ich sie an? Wo liegen die Grenzen?, 5. Erweiterte Auflage, Carl Hanser Verlag, München.

Krystek, U., & Herzhoff, M. (2006) Szenario-Technik und Frühaufklärung: Anwendungsstand und Integrationspotenzial, Zeitschrift für Controlling & Management, Vol. 50, Nr. 5, S. 305-310.

Mietzner, D., & Reger, G. (2005) Advantages and Disadvantages of Scenario Approaches for Strategic Foresight, International Journal of Technology Intelligence and Planning, Vol. 2, Nr. 2, S. 220-239.

Porter, M. E. (1986) Wettbewerbsvorteile, Frankfurt am Main: Campus. Sprey, M. 2003, Zukunftsorientiertes Lernen mit der Szenario-Methode, Julius Klinkhardt Verlag, Bad Heilbrunn.

Van der Heijden, K. (1996) Scenarios: The Art of Strategic Conversation, Chichester: Wiley. Von Reibnitz, U. (1987) Szenarien – Optionen für die Zukunft, Hamburg: McGraw-Hill Book Company.

Von Reibnitz, U. (1992) Szenario Technik: Instrumente für die unternehmerische und persönliche Erfolgsplanung, Wiesbaden: Gabler Verlag.

Einzelnachweise

<references>

  1. Bea & Haas 2001, S. 275 f.; Gausemeier & Fink 1999, S. 80
  2. Vgl. Krystek & Herzhoff 2006, S. 306.
  3. Vgl. Coates 2000, S. 116
  4. Vgl. Krystek & Herzhoff 2006, S. 305f.
  5. von Reibnitz 1992, S. 12; van der Heijden 1996, S. 15f.
  6. Vgl. Geschka & von Reibnitz 1983, S. 125f.
  7. Vgl. ebd., S. 126ff.
  8. Vgl. ebd., S. 128
  9. in Anlehnung an Bea & Haas 2001, S. 276 und von Reibnitz 1992, S. 27
  10. in Anlehnung an Bea & Haas 2001, S. 276, Graf & Klein 2003 und von Reibnitz 1992, S.27.
  11. Vgl. von Reibnitz 1992, S. 28 f.
  12. Vgl. Geschka & von Reibnitz 1983, S. 129 ; von Reibnitz 1992, S. 28
  13. Vgl. von Reibnitz 1992, S. 29
  14. Vgl. Geschka & von Reibnitz 1983, S. 129
  15. in Anlehnung an von Mietzner & Reger 2005
  16. Vgl. ebd., S. 130
  17. Vgl. Sprey 2003, S. 84
  18. Vgl. Geschka & von Reibnitz 1983, S. 131
  19. Vgl. Kehrt et al. 2011, S. 226
  20. Vgl. Sprey 2003, S. 85
  21. Vgl. Geschka & von Reibnitz 1983, S. 131
  22. Vgl. Kehrt 2011, S. 227
  23. Vgl. Sprey 2003, S. 85
  24. Vgl. Geschka & von Reibnitz 1983, S. 131
  25. Vgl. Sprey 2003, S. 86
  26. Vgl. Kehrt 2011, S. 227
  27. Vgl. ebd.
  28. Vgl. Geschka & von Reibnitz 1983, S. 132
  29. Vgl. ebd.
  30. Vgl. Geschka et al. 2008, S. 126; Geschka & von Reibnitz 1983, S.132
  31. Vgl. Geschka et al. 2008, S. 126
  32. Vgl. ebd.
  33. Vgl. Geschka et al. 2012, S. 10
  34. Vgl. Geschka et al. 2008, S. 127
  35. in Anlehnung an Bea & Haas 2001, S. 276, Graf & Klein 2003 und von Reibnitz 1992, S.27
  36. Vgl. Geschka & von Reibnitz 1986, S. 153 ff.
  37. Vgl. ebd.
  38. Vgl. ebd.
  39. Vgl. Geschka & Reibnitz 1986, S. 158 ff.
  40. Vgl. ebd.
  41. Vgl. Porter 1986, S. 591 ff.
  42. Vgl. Götze 1991, S. 254
  43. Vgl. von Reibnitz 1987, S. 226
  44. Vgl. Götze 1991, S. 255
  45. Vgl. von Reibnitz 1987, S. 227 f.
  46. Vgl. Götze 1991, S. 255
  47. Vgl. ebd.
  48. Vgl. Duncker 1945
  49. Vgl. Heinecke und Schwager 1995, S. 63