Rollen im OE-Prozess

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Unter einer Rolle versteht man ein Bündel normativer Verhaltenserwartungen an eine Position. Personen nehmen im Organisationsentwicklungsprozess verschiedene Rollen in einer Organisation ein und beeinflussen so die Organisationsentwicklung. Die eingenommen Rollen werden durch Muss-, Soll- und Kann-Erwartungen sowie von unterschiedlicher Sanktionsmacht geprägt. Der rollenbasierte Teamentwicklungsansatz ist für den OE-Prozess von Bedeutung, da dieser durch Klärung der verschiedenen Rollen der Organisationsmitglieder dazu beitragen kann, dass Organisationsaufgaben besser verstanden und gelöst werden können. Eine besondere Unterteilung, von Rollen innerhalb einer Organisation, sieht das Promotorenmodell vor.

Definitionen

Soziale Rollen

Soziale Rollen sind Bündel von Erwartungen, die sich in einer gegebenen Gesellschaft an das Verhalten der Träger von Positionen knüpfen."[1] Diese Ansprüche können sich einmal auf das Rollenverhalten, also das Verhalten der Träger von Positionen beziehen, oder auf Ansprüche an seinen Charakter bzw. an sein Aussehen (Rollenattribute). Soziale Rollen gehören zu bestimmten Positionen und sind vom Einzelnen, also von dem Träger der Position unabhängig. Es ist somit möglich, dass eine Person mehrere Rollen ausüben kann. Personen verhalten sich rollenkonform, wenn die jeweiligen Bezugsgruppen (z. B. der Arbeitgeber) über Sanktionsmacht verfügen. Es wird in Muss-, Soll- und Kann-Erwartungen unterschieden, welche jeweils einen unterschiedlich starken Erwartungscharakter haben.

Extra-Rollenverhalten

Leistungen, welche auf freiwilliger Basis erbracht werden, können als Extra-Rollenverhalten bezeichnet werden. Dies sind Leistungen, die zusätzlich zu den Erwartungen an eine soziale Rolle erfolgen. Solche Leistungen sind für einen erfolgreichen OE-Prozess unerlässlich. Hierbei ist kritisch zu betrachten, wie die Rollenerwartungen in einer Organisation ausgestaltet sind, das heißt welche Verhaltenserwartungen jeweils mit einer gewissen Position und Rolle einhergehen.

Der Change Agent – Eine besondere Rolle der OE

Die Rolle eines Change Agents kann jede Person, die zum Wandel beiträgt, darstellen. Formal ernannte Change Agents können als Personen mit besonderer Verantwortung für die Planung, Umsetzung und Ergebnis von strategischem Wandel beschrieben werden. Change Agents können interne Personen aus der Organisation sein (z. B. Mitarbeiter, Manager) oder auch externe Personen (z. B. Consultants). Es gibt verschiedene Rollenbilder des Change Agents. So werden ihm z. B. die Rolle des Experten, welcher direkte Lösungen für den Klienten anbietet, eine katalysierende Rolle, wodurch der Wandel dargestellt und stimuliert werden soll oder auch die Rolle eines Prozessberaters, welcher die Kommunikation der Beteiligten vereinfacht, zugeschrieben. Es sind zudem auch Rollenbilder wie zum Beispiel die eines Lehrers oder die eines Diskussionspartners (in der Lösungen aufgrund von Vertrauen und Zustimmung gefunden werden) möglich. Cummings und Worley (2008) gehen davon aus, dass die Rolle des Change Agents folgendes umfasst: Der Change Agent soll einen Willen zum Wandel erzeugen. Dies geschieht, indem die Organisation für den herrschenden Wandlungsdruck sensibilisiert, der Unterschied zwischen tatsächlichen Zustand und angestrebten Zustand der Organisation aufgezeigt wird und positive Erwartungen mit dem Wandel verknüpft werden. Zudem soll der Change Agent möglichen Widerstand gegen den Wandel überwinden. Dies soll durch Kommunikation, Partizipation und Unterstützung der Beteiligten geschehen. Eine weitere Erwartung, welche mit dem Rolle des Change Agents verknüpft ist, ist das Entwerfen einer Vision und das Aufzeigen von Zukunftsperspektiven. Weiterhin gehört es zur Aufgabe des Change Agents, sich durch die Identifizierung und Beeinflussung der jeweiligen Interessengruppen die notwendige Unterstützung, welche für den angestrebten Wandel notwendig ist, zu sichern. Der Change Agent soll als Manager des Wandels auftreten, Lernprozesse etablieren und dafür sorgen, dass die benötigten Ressourcen zur Verfügung stehen um den angestrebten Wandel herbeizuführen und beizubehalten.

Würdigung von Rollenverhalten im OE-Prozess

Das Rollenverhalten von Organisationsmitgliedern ist für einen Organisationsentwicklungsprozess von großer Bedeutung. Wenn in einem Unternehmen verstanden wird, welche Rollenerwartungen mit welchen Positionen verknüpft sind, können Organisationsaufgaben im OE-Prozess passender an die jeweiligen Organisationsmitglieder verteilt werden. Dies kann dazu führen, dass sich Organisationsmitglieder „besser verstanden“ fühlen und so Extra-Leistungen auf freiwilliger Basis erbringen (Extra-Rollenverhalten). Hierdurch können Organisationsmitglieder zu Change Agents werden und somit einen OE-Prozess unterstützen und vorantreiben. Change Agents können aber auch formal eingesetzt werden. Die Position des Change Agents ist mit bestimmten Erwartungen verknüpft. Es existieren verschiedene Rollenbilder eins Change Agents, der auf unterschiedliche Art und Weise einen OE-Prozess erfolgreich gestalten kann. Das Verständnis des Rollenverhaltens ist somit wichtig um Probleme beim OE-Prozess begreifen und lösen zu können.

Rollenbasierte Team- und Organisationsentwicklung

Der rollenbasierte Ansatz (oder auch Rollenklärungsansatz) basiert auf der Prämisse, dass Organisationsmitglieder 9 verschiedene Rollen annehmen und ausfüllen können.

Ziel des Ansatzes

Das Ziel des Ansatzes ist es, Teamentwicklungsmaßnahmen anzustoßen, die darauf ausgerichtet sind, dass die Team- und Organisationsmitglieder wechselseitig ihre Rollen klären und ein besseres Verständnis für diese Rollen und die damit verbundenen Aufgaben, Rechte und Pflichten entwickeln. Eine gewisse Heterogenität der Rollen ist daher Voraussetzung um Synergieeffekte und Selbstorganisationsprozesse in einer Organisation voranzutreiben.

Rollentypen

Belbin unterscheidet neun weitestgehend heterogene Rollentypen, die in der nachfolgenden Tabelle abgebildet sind:

Rolle

Stärken +

Schwächen -

Neuerer /Erfinder (Plant)

Kreativ, phantasievoll, unorthodox, löst

schwierige Probleme

Schwach im Kommunizieren mit und Führen von Menschen.

Wegbereiter/Weichensteller (Resource investigator)

Extrovertiert, begeistert, gesprächig, erforscht Möglichkeiten, entwickelt Kontakte

Verliert das Interesse, wenn die Anfangsbegeisterung abgeflacht ist

Koordinator/Integrator (Co-ordinator)

Reif, sicher und vertrauensvoll. Ein guter

Vorsitzender. Erklärt Ziele und fördert den

Entscheidungsprozeß.

Nicht unbedingt die ideenreichste Person eines Teams.

Macher (Shaper)

Dynamisch, aufgeschlossen, stark angespannt. Fordert heraus, macht Druck, findet einen Weg, Hindernisse zu umgehen

Neigt zur Provokation und zu Temperamentsausbrüchen.

Beobachter (Monitor evaluator)

Ruhig, strategisch und scharfsinnig. Sieht alle Möglichkeiten. Urteilt genau.

Mangel an Antrieb und Fähigkeit, andere zu inspirieren.

Teamarbeiter/Mitspieler (Teamworker)

Umgänglich, freundlich, einsichtig und zuvorkommend. Zuhörend, formend, baut Reibungsverluste ab

Nicht entscheidungsfähig bei Zerreißproben.

Umsetzer (Implementer)

Diszipliniert, zuverlässig, auf Kontinuität

bedacht, effektiv. Setzt Ideen in die Tat um

Etwas unflexibel, langsam in der Reaktion

auf neue Möglichkeiten

Perfektionist (Completer)

Sorgfältig, gewissenhaft, vorsichtig. Deckt

Fehler und Unterlassungen auf. Liefert pünktlich.

Übermäßig besorgt. Delegiert ungern.

Spezialist (Specialist)

Einzelkämpfer, engagiert. Liefert Informationen oder technisches Wissen, das sonst kaum verfügbar ist.

Selbstbezogen, leistet seinen Beitrag nur in einem engen Bereich

Abbildung 1: Rollendefinition nach Belbin[2]

Würdigung des rollenbasierten Ansatzes

Die Grundannahme, dass Organisationsmitglieder mit der größten Fachkompetenz die beste Leistung erzielen, wird innerhalb des rollenbasierten Team- und Organisationsentwicklungsansatz als „Apollo Syndrom“[3] bezeichnet und anhand empirischer Studien in Frage gestellt. Ausgangspunkt des Ansatzes ist vielmehr die Identifikation von idealen Rollensets (Teamzusammensetzung) und nicht die Identifikation der fachlich kompetentesten Individuen. Die rollenbasierte Team- und Organisationsentwicklung geht daher Fragestellung nach, wie das Zusammenwirken von Rollen und die damit einhergehende Leistung von Arbeitsteams gemessen werden kann.

Das Promotorenmodell

Als Promotoren bezeichnet man Personen einer Organisation, die einen spezifischen Veränderungsprozess aktiv befürworten und vorantreiben. Promotoren sollen in Kooperation mit den Organisationsmitgliedern Willens- und Fähigkeitsbarrieren in der Organisation identifizieren und überwinden.

Grundannahmen des Modells

Das Promotorenmodell geht davon aus, dass es häufig organisationale Barrieren gibt, welche den Fortschritt einer Organisation behindern. Dabei werden zwei Typen von Barrieren unterschieden. Als Willensbarrieren bezeichnet man Beharrungskräfte in Organisationen, welche die Entwicklung behindern und den Status Quo aufgrund von zukünftiger Ungewissheit bevorzugen. Fähigkeitsbarrieren hingegen sind auf einen Mangel an Fachwissen zurückzuführen, sodass die Veränderungen nicht hinreichend verstanden und bewertet werden können.

Promotorenrollen innerhalb des Modells

Der Machtpromotor

Der Machtpromotor kann den organisationalen Veränderungsprozess aufgrund seiner formal legitimierten Macht unterstützen. Er hat eine höherrangige Position in der Organisation inne und kann als aktiver Vorantreiber und Befürworter gesehen werden. Aufgrund seiner Stellung verfügt er über finanzielle und personelle Ressourcen, wodurch er Anreize setzen und Sanktionen verhängen kann.

Der Fachpromotor

Der Fachpromotor beeinflusst einen Veränderungsprozess durch sein objektspezifisches Fach- und Methodenwissen. Dabei ist er nicht immer von vornerein als Wissender anzusehen, sondern entwickelt häufig aus fachlichem Interesse seine Kompetenzen im Veränderungsprozess weiter. Dieses neuerworbene, fachspezifische Wissen teilt er im Anschluss häufig mit anderen Organisationsmitgliedern und treibt so aktiv Lösungen für Probleme oder Hindernisse voran.

Der Prozesspromotor

Der Prozesspromotor kann als Steuermann des Veränderungsprozesses in der Organisation betrachtet werden. Er stellt aufgrund seines Wissens Kontakte und Verbindungen zwischen den anderen Promotoren und deren Umwelt her, wobei seine Funktion indirekt, strukturell und unterstützend ist (erstellt Aktionspläne oder wirbt für den Erfolg der Veränderung).

Der Beziehungspromotor

Der Beziehungspromotor verfügt über exzellente intra-organisationale Beziehungen. Er weist ein weit verzweigtes Netzwerk von persönlichen Kontakten auf, mit denen er größtenteils freundschaftliche Beziehungen pflegt. Dadurch kann er sehr gut über als Funktionär zwischen den Hierarchieebenen agieren.

Einzelnachweise

[1] Dahrendorf, R.: Homo Sociologicus: Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rollen, Wiesbaden, 17. Aufl., 2010. S. 35.

[2] Eigene Darstellung, in Anlehnung an: Schiersmann, C. / Thiel, H-U.: Organisationsentwicklung: Prinzipien und Strategien von Veränderungsprozessen, 2. Auflage, Wiesbaden, 2010, S. 247.

[3] Belbin, M. R.: Management Teams: Why They Succeed Or Fail, 3rd edition, Oxford, 2010, S.13-25.

Literatur

Belbin, M. R.: Management Teams: Why They Succeed Or Fail, 3rd edition, Oxford, 2010.

Cummings, T.G. / Worley, C. G.: Organization Development & Change, 9th Edition, London, 2008. S. 163–184.

Dahrendorf, R.: Homo Sociologicus: Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle, Wiesbaden, 17. Aufl., 2010. S. 35 – 41.

De Caluwé, L. / Vermaak, H.: Learning to Change – A Guide for Organization Change Agents, Thousand Oaks, 2003. S. 255 - 257.

Hauschildt, J. / Gemünden, H. G. [Hrsg.]: Promotoren – Champions der Innovation, 2. Auflage, Wiesbaden, 1999.

Matiaske, W. / Weller, I.: Extra-Rollenverhalten, in Martin, A. (Hrsg.): Organizational Behaviour – Verhalten in Organisationen, Stuttgart, 2003. S. 95 -104.

Nienhüser, W.: Rolle, in Weber, W. / Mayrhofer, W. / Nienhüser, W. (Hrsg.): Grundbegriffe der Personalwirtschaft, Stuttgart, 1993, S. 239.

Schiersmann, C. / Thiel, H-U.: Organisationsentwicklung: Prinzipien und Strategien von Veränderungsprozessen, 2. Auflage, Wiesbaden, 2010.