Projektbilanz

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Die Projektbilanz ist ein betriebswirtschaftliches Instrument, das dazu dient den Fortschritt und die Erfolgsaussichten komplexer Organisationsentwicklungsprojekte anhand vor allem qualitativer Kenngrößen zu dokumentieren. Sie wurde von Albert Martin und Thorsten Jochims in Anlehnung an die Balanced Scorecard speziell für kleine und mittelständische Unternehmen entwickelt.

Beispiel der Projektbilanz (eigene Darstellung)

Methode

Definitionen und Grundannahmen

Die Projektbilanz ist ein Instrument zur strategischen Unternehmensführung vor dem Hintergrund der Organisationsentwicklung(OE), das zur Bilanzierung von Projekten in kleinen und mittelständischen Unternehmen entwickelt wurde. Es ist Aufgabe der Projektbilanz den Stand sowie den Fortschritt komplexer Projekte zu dokumentieren, mit dem Ziel eine Basis für die weitere Steuerung und Gestaltung der Projektarbeit und somit einen zielorientierten Projektverlauf zu schaffen. Der Fokus liegt dabei nicht wie bei herkömmlichen Instrumenten nur auf zeit- und aktivitätsbezogenen Key Performance Indicatoren, sondern auf einem systemischen Organisationsverständnis. Eine wesentliche Grundannahme ist damit einhergehend, dass Wechselwirkungen z.B. zwischen Projekt und Organisation, Projektmitgliedern (in ihrer Doppelrolle als Steuerungsobjekt und steuerndes Subjekt zugleich) oder auch zwischen den Teilaspekten der Projektbilanz bestehen. Ein Vorzug der Projektbilanz ist, dass unter anderem mithilfe der Dokumentation Akzeptanz erreicht wird, da die Erreichung von (Zwischen-)Zielen sich positiv auf die Motivation und das Durchhaltevermögen der Organisationsmitglieder auswirkt.

Teilaspekte und Kenngrößen

Die folgenden vier perspektivischen Fragestellungen sollen als Teilaspekte der Projektbilanz bei deren Anpassung Berücksichtigung finden, müssen jedoch nicht zwangsläufig genau in dieser Form in die Projektbilanz eingehen:

- Projektinput: Was bringen die Projektmitglieder ins Projekt ein?

- Prozess: Wie ist die Zusammenarbeit technisch-organisatorisch zu beurteilen?

- Kommunikation: Wie verläuft die Kommunikation innerhalb des Projekts und aus dem Projekt nach Außen?

- Output: Welcher Projektfortschritt ist anhand erzielter Ergebnisse bislang zu verzeichnen?

Für jeden der gewählten Teilaspekte werden aussagestarke, vor allem qualitative Kenngrößen erfasst, die vor dem Hintergrund der betrieblichen Situation und des spezifischen OE-Projekts für den Projekterfolg relevant sind. Die Teilaspekte sollten durch möglichst einfache Kenngrößen abgebildet werden, die einem klar erkennbaren Nutzen in Hinblick auf den Projekterfolg bieten. Je nach Situation muss im Einzelfall entschieden werden, wie detailliert die Kennzahl ausdifferenziert werden soll: Für einfache Projektaufgaben mit einer eher heterogenen, großen Gruppe unerfahrener Teilnehmer ist eine geringerer Detaillierungsgrad sinnvoll. Bei komplexen Projekten in kleinen Gruppen, in denen die Teilnehmer Projekterfahrung mitbringen und einen gemeinsamen fachlichen Hintergrund haben, kann eine differenzierte Projektbilanz hilfreich sein. Bei der Gestaltung einer Projektbilanz ist die Ausdifferenzierung jedoch nur ein Kriterium neben vielen, z.B. hinsichtlich Anzahl, Tiefe oder Vernetzung der Kenngrößen. Es ist außerdem unumgänglich, Verantwortliche für die Projektbilanz festzulegen, im Vorfeld zu entscheiden, wann, wie oft und von wem die Daten für die Kenngrößen erhoben werden und in welcher Art die Analyse dieser Daten erfolgt. Die Durchführung einer Projektbilanz ist nie Selbstzweck, sondern generiert erst durch den nachfolgenden Austausch über den dokumentierten Projektfortschritt und das Ableiten von Maßnahmen einen Mehrwert für das Gelingen der Organisationsentwicklung.

Wirkungszusammenhänge

In Organisationen sind die Wirkungszusammenhänge oftmals komplexer als auf den ersten Blick erkennbar ist, insbesondere wenn sich die Organisation gerade stark verändert oder entwickelt. Bei der Durchführung von OE-Projekten ist es daher besonders wichtig, sich bereits in der Planungsphase der Projektbilanz mit möglichen Zusammenhängen zu beschäftigen, um unerwünschte Wechselwirkungen von strukturverändernden Eingriffen frühzeitig identifizieren zu können und die Anzahl der Nebeneffekte durch das Handeln im Rahmen des Projekts gering zu halten.

Wirkungszusammenhänge

Beispiel: Durch die Analyse von Kenngrößen aus dem Teilaspekt „Input“ und die Ableitung von Maßnahmen, wird das Ziel des fristgerechten Projektergebnisses möglicherweise nicht schneller, sondern langsamer erfolgen. Ursachen könnten unbeabsichtigte Wechselwirkungen sein, z.B. dass durch die Erhöhung der Teilnehmerzahl des Projekts nun die Kommunikation schwieriger ist, keine Konferenzräume in der benötigten Größe vorhanden sind oder die Konsensbildung plötzlich erschwert ist. Das heißt, dass Kenngrößen eines Teilaspekts auch auf die Ausprägung von Kenngrößen eines anderen Teilaspekts der Projektbilanz Einfluss nehmen können, denn die systemisch bedingten Verflechtungen von Organisationen spiegeln sich zwangsläufig auch in den Wirkungszusammenhängen der Projektbilanz wider.

Umwelt

Sowohl unternehmensinterne (Widerstände, Unternehmenskultur, Hierarchien, etc.) als auch –externe Faktoren (politische und rechtliche Rahmenbedingungen, wirtschaftliche Lage, etc.) können für den Erfolg der Organisationsentwicklung relevant sein und müssen daher entsprechend gewürdigt werden. Es kann sinnvoll sein, passende externe Faktoren in die Projektbilanz mit aufzunehmen, um auch in diesem Bereich erfolgskritische Elemente dokumentieren zu können.

Anforderungen an die Projektbilanz als Managementinstrument

Aus Sicht der Praxis existieren im Wesentlichen vier Anforderungen an Managementinstrumente und somit auch an die Projektbilanz:

- Wirksamkeit: Wie fundiert ist das Instrument aus theoretischer Sicht und inwieweit hat es sich empirisch bewährt?

- Zweckeignung: Wie zuverlässig, genau und beständig dient das Instrument der Zielerreichung und wie robust ist es gegenüber Störeinflüssen?

- Wirkungsvielfalt: Welche Folge- und Nebenwirkungen können auftreten (auch ethisch-moralisch) und wie effizient ist es?

- Benutzerfreundlichkeit: Ist das Instrument anpassungsfähig und der Einsatz rasch lernbar (Beherrschbarkeit) und wie transparent ist es für den Anwender gestaltet?

Grundsätzlich existiert zudem immer die Anforderung an Managementinstrumente, wenig personelle sowie finanzielle Ressourcen zu beanspruchen und möglichst einfach und leicht verständlich gehalten zu sein. Gegenüber herkömmlichen Managementinstrumenten bietet die Projektbilanz insbesondere in Bezug auf Wirkungsvielfalt und Benutzerfreundlichkeit Vorteile – vorausgesetzt ihr Einsatz erfolgt planvoll und wird kontinuierlich evaluiert und angepasst. Aufgrund der qualitativen Ausrichtung und der individuell zu gestaltenden Struktur des Instruments liegen keine Werte zu Gütekriterien (wie z.B. Reliabilität) vor. Es kann bislang also keine Aussage über die Wirksamkeit des Instruments getroffen werden. Auch in Punkto Zweckeignung kann die Zuverlässigkeit zurzeit lediglich aus praktischer nicht jedoch aus theoretischer Sicht bestätigt werden.

Anwendungsfelder für die Projektbilanz

Arbeitsform - Gruppenarbeit

Das Einsatzgebiet der Projektbilanz ist die in Projektform organisierte Gruppenarbeit. Das Einbinden von Mitarbeitern in Form von Projekten und Arbeitsgruppen ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für Akzeptanz von Veränderungen und weiterführend für eine erfolgreiche Durchführung von Organisationsentwicklungsprojekten. Gleichzeitig kann die Projektarbeit aber auch eine Quelle beträchtlicher Frustration sein. Die Projektbilanz bietet durch das Dokumentieren und somit Offenlegen von hinderlichen Faktoren einen Ansatz, um besonders häufigen Problemen (unklare Ziele, technokratisches Vorgehen, Vorrang des Tagesgeschäfts, fehlende Unterstützung durch Geschäftsführung, etc.) entgegenzuwirken.

Situation - Organisationsentwicklung

Der eher qualitative Ansatz und die Flexibilität in der Ausgestaltung prädestinieren die Projektbilanz für den Einsatz in strukturverändernden Prozessen. Die Stärke des Instruments liegt nicht darin, eine Kennziffer über einen langen Zeitraum zu beobachten und zu vergleichen. Vielmehr wirkt sie durch die Dokumentation erfolgskritischer Faktoren als Impulsgeber für das Reflektieren möglicher Maßnahmen. Diese erfolgskritischen Faktoren können je nach Bedarf und zu jeder Zeit angepasst werden, sodass den strukturellen und funktionellen Änderungen der Bedürfnisse von Organisationen im Wandel Rechnung getragen werden kann.

Anwendungsbeispiel

Beispiel: Fusion vs. Softwareeinführung

In der nachfolgenden Tabelle sind zwei unterschiedliche Organisationsentwicklungsprojekte gegenübergestellt. Das erste befasst sich mit einer Unternehmensfusion, während im zweiten der Fokus auf der Einführung einer neuen Systemsoftware liegt. Es wird beispielhaft veranschaulicht, dass in jedem Organisationsentwicklungsprojekt sehr unterschiedliche Kenngrößen zum Zuge kommen und auch der Umgang mit der Projektbilanz je nach Organisationsentwicklungsprojekt variiert. Zu Beginn eines Projektes muss für jedes Mitglied das Projekt klar definiert werden, um ein einheitlichen Verständnis zu gewährleisten. Des Weiteren sollten die Grenzen des Projektes aufgezeigt und eventuelle Gefahrenherde gesichtet werden. Im nächsten Schritt müssen nun die einzelnen Variablen der Projektbilanz an die zwei unterschiedlichen Projekte angepasst werden. Dies könnte wie folgt aussehen:

Projekt Fusion Einführung einer neuen Software
Input - Integration (Inwieweit werden die Mitglieder involviert?)

- Teilnehmerzeit (Wie viel Zeit wird von den Teilnehmern investiert?)

- Motivation (Wie engagiert sind die Teilnehmer?)

- Bildung (Wurden die Mitarbeiter auseichend informiert, um das Projekt erfolgreich voranzutreiben?)

- Motivation (Sind die Mitarbeiter ausreichend motiviert, die neue Software anstatt der alten zu nutzen?)

- Teilnehmerzeit (Ist der Zeitaufwand entsprechend?)

- Bildung (Sind die Mitarbeiter ausreichend auf die neue Software vorbereitet worden?)

Output - Zeitplan (Befindet sich die Fusionsplanung im Zeitplan?)

- Aufwand (Sind die Aufwendungen vertretbar?)

- Integration (Lassen sich die vorgesehenen Einzelteile wie gewünscht ineinander fügen?)

- Einbindung (Wird im Alltag zunehmend mit der neuen Software gearbeitet?)

- Komplexität (Wie leicht und schnell war die Umstellung umsetzbar?)

- Zielerreichung (Werden entsprechende Resultate mit der Software erzielt?)

- Zeitplan (Wird die Umstellung innerhalb des vorgesehenen Zeitrahmens funktionieren?)

Kommunikation - Widerstände (Gibt es Widerstände, z.B. nach dem PEST-Modell, die die Fusion passiv oder aktiv beeinflussen?)

- Instrumente (Wurden die passenden Instrumente zur Fusion gewählt?)

- Widerstände (Tun sich die Mitarbeiter schwer von der alten auf die neue Software umzuschalten?)

- Feedback (Gibt es Schwierigkeiten mit der neuen Software, die erst im Nachhinein erkennbar sind?)

Prozesse - Ziele (Wurden die Ziele ausreichend kommuniziert und vereinheitlicht?)

- Ideen (Findet ein flüssiger Informationsaustausch zur Generierung von Ideen statt?)

- Kosten (Halten sich die Kosten der Umstellung im Verhältnis im Rahmen?)

- Abweichungen (Können Ressourcen gespart werden? Mehraufwand?)

In regelmäßigen Abständen treffen sich die Mitglieder des Projektes nun um die gemeinsam entwickelten und oben aufgezeigten kritischen (Sowohl positiven als auch negativen) Faktoren zu evaluieren. Diese werden auf einer Skala von z.B. 0-5 bewertet und stellen den Status Quo des Projektes dar. So werden die kritischen Bereiche für das Projektteam veranschaulicht und deutlich gemacht. Im nächsten Schritt können nun die jeweils gewonnenen Erkenntnisse verarbeitet und im weiteren Projektverlauf angewendet werden. Konkret könnte dies bedeuten, dass bei zu niedriger Teilnehmerzeit im Fusionsprojekt, diese in der Zukunft gesteigert werden müsste. Dieser Vorgang kann beliebig oft bis zum Abschließen des Projektes wiederholt werden, wobei dies bei einer Fusion wahrscheinlich in einem anderen Maße geschehen wird, als beispielhaft bei einer Softwareänderung im Unternehmen.

Kritische Würdigung

Jedes Projekt in der Organisationsentwicklung ist einzigartig, da verschiedenste Variablen auf das Projekt wirken. Der Vorteil der Projektbilanz liegt darin, dass es durch ihre Anpassungsfähigkeit möglich ist, alle für die spezifische Situation bedeutsamen Variablen und kritischen Faktoren mit einzubeziehen. Darin liegt jedoch zugleich die größte Schwäche: Wenn die eigentlich erfolgskritischen Faktoren in der vorangegangenen Analyse nicht erkannt werden oder sich im Laufe des Projekts verändern, liefert auch eine professionell Anwendung der Projektbilanz kaum Mehrwert in Hinblick auf den Projekterfolg. Die Identifizierung dieser Faktoren kann zeitintensiv und kompliziert sein, sodass sie im Vorfeld meist ein eigenes Projekt benötigt. Bei der Anwendung ist zudem beachten, dass keine Gewichtung, Dringlichkeit oder Priorisierung der Einflussgrößen abgebildet wird. Auch wird dem politischen Einfluss und weiteren Kontextbedingungen kaum Beachtung geschenkt, welcher gerade bei OE-Projekten nicht außen vorgelassen werden sollte. Für den erfolgreichen Einsatz der Projektbilanz ist außerdem die Akzeptanz bei den betroffenen Organisationsmitgliedern von besonderer Bedeutung, an der es in OE-Projekten ebenfalls oftmals mangelt und ohne die ein erfolgreicher Einsatz des Instruments schwer möglich ist. Gründlich vorbereitet, kontinuierlich eingesetzt und umfassend evaluiert ist die Projektbilanz ein geeignetes Instrument, um insbesondere in KMUs Projekte erfolgreich abschließen zu können, denn durch die wiederholte Dokumentation der Werte können erfolgsgefährdende Tendenzen frühzeitig erkannt werden. Wie andere Instrumente in der Organisationsentwicklung auch, leitet die Projektbilanz daraus allerdings weder konkrete Maßnahmenvorschläge ab, noch bietet sie eine Erfolgsgarantie.

Literatur

Aichele, C. (2006): Intelligentes Projektmanagement. Stuttgart. W.Kohlhammer GmbH & Co. KG

Corsten, H., Corsten, H. & Gössinger, R. (2008): Projektmanagement. 2. Auflage, München. Oldenbourg Wissenschaftsverlag

Lechler, T. & Gemünden, H.G. (1998): Kausalanalyse der Wirkungsstruktur der Erfolgsfaktoren des Projektmanagements. In: Die Betriebswirtschaft, 58, S. 435 – 450.

Locke, E.A. & Latham, G.P. (1990): A Theory of Goal Setting and Task Perfomance. New Jersey. Prentice- Hall

Martin, A. & Bartscher-Finzer, S. (2006): Organisatorische Änderungsprozesse. In: RKW-Handbuch Führungstechnik und Organisation, 1852, 1-40, Berlin. Erich Schmidt Verlag

Martin, A. & Jochims, T. (2007): Bilanz machen! Instrumente zur Unterstützung des strategischen Managements in kleinen und mittleren Unternehmen. In: Meyer, A.J. (Hrsg.): Planung in kleinen und mittleren Unternehmen. Jahrbuch der KMU-Forschung und -Praxis, 167-184, Lohmar. Eul-Verlag

Zielasek, G. (1999): Projektmanagement als Führungskonzept: Erfolgreich durch Aktivierung aller Unternehmensebenen. 2. Auflage, Berlin. Springer Verlag