Organisationaler Wandel basierend auf Design Archetypen und organisationalen Pfaden

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Der Artikel „Organizational Design Types, Tracks and the Dynamics of Strategic Change” von Royston Greenwood [1] und C.R. Hinings [2], aus dem Jahr 1988, präsentiert einen Ansatz zum Verständnis von Wandel und Stabilität von Organisationen. Ausgehend von spezifischen „Design Archetypen“ werden die unterschiedlichen Entwicklungen von Organisationen im Zeitverlauf betrachtet. Die Bewegung oder Nichtbewegung, die eine Organisation macht, sind organisationale Pfade („Tracks“). Organisationen können sich auf ihrem Pfad von einem bestimmten Archetyp A zu einem anderen Archetyp B wandeln.

Theoretischer Hintergrund

Der Artikel von Greenwood und Hinings liefert einen Ansatz zur Erklärung organisationaler Entwicklungen, beziehungsweise organisationaler Transaktion. Insbesondere sind Wechselwirkungen von Parametern, wie beispielsweise Größe, Umwelt und Technologie einer Organisation im Fokus um Erkenntnisse zu gewinnen, wie diese einen Wandel im Unternehmen begünstigen. [1] Daneben fließen Erkenntnisse aus der Kontingenztheorie und damit der Führungsforschung [3], sowie dem Ansatz organisationaler Archetypen [4] Mintzbergs[5] und Miller & Friesens Idee organisationaler Konfigurationen mit ein. Andere Forschungen beschäftigen sich mit Fragen, welche Faktoren einen Wandel beeinflussen. [2]

Die Autoren beziehen sich in ihrem Aufsatz insbesondere auf zwei wesentliche Forschungsansätze. Der erste basiert auf Arbeiten von Miller und Friesen und folgt der grundlegenden Idee von Archetypen, einer inneren Trägheit („Inertia“), sowie eines Impulses und den anschließenden Wandel einer Organisation.[3] Der zweite Ansatz, der von Ranson et al., Walsh et al.und Hinings und Greenwood vertreten wird, rückt die zu Grunde legenden Interpretationsschemata der Personen einer Organisation als Basis, für das Zustandekommen und Erhalten eines organisationalen Archetypen in den Fokus.[4] Greenwood und Hinings argumentieren, dass sich Organisationen zu einem gewissen Grad einem Archetypen gleichen, welcher sich im Laufe der Zeit verändern kann. Die Entwicklungspfade einer Organisation nennen sie „Tracks“. Von zentraler Bedeutung für den Archetyp ist dabei ein in sich kohärentes und für die Mitglieder sinnstiftendes, interpretatives Schema. Haben die Mitglieder einer Organisation sehr ähnliche interpretative Schemen und sind diese zudem in einer dazu passenden Organisationsstruktur widerzuerkennen, ergibt sich ein organisationsspezifischer „Design Archetyp“. Ein Pfad hingegen ist die Betrachtung eines Archetypen im Zeitverlauf.

Design Archetypen

Ein Design Archetyp basiert auf geteilten Werten[6], Annahmen und Vorstellungen von Mitgliedern einer Organisation, die so ein gemeinsames Interpretationsschema bilden. Die Mitglieder einer Organisation haben somit sehr ähnliche Ansichten über Sinn und Auftrag der Organisation. Daraus wiederum leiten sich konkrete Richtlinien für das praktische Handeln der Organisation ab. Das gemeinsame Interpretationsschema muss sich auch in Strukturen und Prozessen der Organisation wiederfinden. Wichtig ist dabei, dass zwischen den Elementen „Sinn“, „Struktur“ und „Prozesse“ Kohärenz, also Widerspruchsfreiheit, besteht. Erst dann kann man von einem Design Archetypen sprechen. Eine traditionelle Organisation, welche beispielsweise von Werten wie Verlässlichkeit, Respekt vor dem Alter und einem stark ausgeprägten Hierarchiedenken geprägt ist, wäre demnach auch von einer entsprechend starken Zentralisierung der Macht und geringer Durchlässigkeit geprägt. Zudem würden Personalentscheidungen für Leitungsfunktionen stark von der Länge der Organisationszugehörigkeit beeinflusst sein.

Ein kohärenter Design Archetyp. Struktur und Prozesse leiten sich aus dem gemeinsamen Werten, Annahmen und Vorstellungen her.













Beurteilung und Klassifizierung eines Design Archetypen

Für die Beurteilung und Klassifizierung von Design Archetypen schlagen Greenwood und Hinings eine Untersuchung auf 3 Ebenen vor.

1. Der Startpunkt zur Beurteilung ist die Identifikation des zugrunde liegenden Interpretationsschemas und dessen Einfluss auf Struktur und Prozesse einer Organisation.

2. In einem zweiten Schritt wird der Archetyp mit einem idealtypischen Design Archetyp verglichen. Hierzu sind die grundlegenden Werte zu isolieren und die strukturellen und prozessualen Implikationen zu analysieren.

3. Für die Untersuchung hinsichtlich des Grades an Kohärenz sind nur bestimmte Organisationselemente relevant. Es gibt hierbei wichtige Elemente, welche die Struktur nachhaltig durchdringen und weniger wichtige Elemente, welche in der Untersuchung vernachlässigt werden können. Zentrales Element für eine bürokratische Organisation ist beispielsweise die Integration, während in einer Adhokratie[7] Elemente wie flache Hierarchien[8]und flexible Arbeitsmodelle wichtig sind um die Innovationskraft der Organisation zu erhalten.

Das Wesen organisationalen Wandels

Greenwood und Hinings vertreten die Ansicht, dass sich Organisationen nur langsam und damit über einen langen Zeitraum wandeln. Sie berufen sich hierbei auf drei wesentliche Elemente, die Organisationen davon abhalten sich schnell zu ändern.

1. Organisationen sind gezeichnet von Trägheit („Inertia“). Sie haben große Schwierigkeiten die Notwendigkeit eines Wandels überhaupt erst zu erkennen, da sie in den vorherrschenden Annahmen und dem aktuellen Interpretationsschema verharren.

2. Die Notwendigkeit für einen Wandel wird zwar erkannt, doch die Kosten des Wandels werden als zu hoch empfunden. Die Bereitschaft zur Veränderung wird demnach erst dann aufkommen, wenn die Kosten des Nicht-Wandelns als höher eingeschätzt werden, als die des Wandelns.

3. Ein drittes Element leitet sich aus der politischen Natur einer Organisation ab. Innerhalb einer Organisation werden Kämpfe um Einfluss auf Ressourcen ausgetragen. Akteure und Koalitionen, die von den aktuellen Strukturen profitieren haben somit eine Motivation, diese vor Veränderungen zu schützen und damit einen Wandel zu verhindern.

Organisationale Pfade ("Organisational Tracks")

Organisationale Pfade sind als Bewegungen („movements“) bzw. Nichtbewegungen („inertia“) von einem Archetyp hin zu einem anderen definiert. Diese Prozesse werden durch interpretatives De- bzw. Re-Coupling vollzogen.

„Tracks, we would suggest, are configurations of interpretive de-coupling and re-coupling.“ [5]

Der Pfad von einem Archetyp zum anderen kann hierbei radikal oder langsam erfolgen.

Entkoppeln und Ankoppeln (De- und Recoupling)

Entkoppeln und Ankoppeln („De- und Recoupling“) sind die Mechanismen der interpretativen Prozesse und strukturellen Veränderungen, in denen sich die Organisation von einem Archetyp zu einem anderen wandeln kann. Der Prozess des Entkoppelns beschreibt das Verlassen alter Denkmuster, während der Prozess des Ankoppelns die Verinnerlichung eines neuen Interpretationsschemas beschreibt.

Es lassen sich drei verschiedene Prozesskonfigurationen identifizieren.


Konfigurationen des interpretativen Entkoppelns

Konfiguration des interpretativen Entkoppelns in Anlehnung an Greenwood und Hinings

Kohärenter Archetyp („Archetype Coherence“):

In einem kohärenten Archetyp gibt es nur ein interpretatives Schema. Dieses spiegelt sich in den Strukturen und Prozessen des Unternehmens wieder. Zwei kohärente Archetypen lassen sich klar voneinander abgrenzen.

Unausgereifte Kohärenz („Embryonic Archetype coherence“):

In einem Zustand der unausgereiften Kohärenz bilden die meisten Strukturen und Prozesse das interpretative Schema eines Archetypes ab. Es existieren jedoch auch Elemente, die nicht zum interpretativen Schema dieses speziellen Archetyps passen. Gibt es zwei Archetypen, so existieren auch zwei embryonische Kohärenz-Positionen, die sich jeweils an Archetyp A oder B orientieren.

Zwiegespaltene Inhkohärenz („Schiziod incoherence“):

Organisationen, die eine zwiegespaltene Inkohärenz aufweisen, sind von zwei von zwei verschiedenen Archetypen, basierend auf unterschiedlichen Interpretationsschemen gekennzeichnet. Strukturen und Prozesse können nicht eindeutig einem Archetyp zugeordnet werden und es gibt Elemente aus beiden Formen.

Die verschiedenen Pfade („Tracks“)

Stellt man über einen längeren Zeitraum die Position einer Organisation anhand der Konfigurationen des Entkoppelns fest, kann man die Bewegung oder Nicht-Bewegung einer Organisation erkennen. Die Positionierung zeigt an, auf welchem Pfad („Track“) sich die Organisation bewegt.


Pfad A: Trägheit („Inertia“)

Trägheit („Inertia“) in Anlehnung an Greenwood und Hinings

Trägheit kennzeichnet Organisationen, die ihre Archetypen über viele Perioden hinweg nicht verändern. Die interpretativen Schemen, die sich hier besonders deutlich in gleichbleibenden Prozessen und Strukturen widerspiegeln, bestimmen diese. Ergeben sich Veränderungen in der Umgebung, die entgegengesetzt zum bestehenden interpretativen Schema stehen, werden diese ignoriert oder als falsch abgetan. Der Prozess des Entkoppelns findet hierbei nicht statt.

Das wohl bekannteste Beispiel in der wissenschaftlichen Literatur für einen solchen Fall ist die schottische Strickwarenindustrie [6]. Diese familiengeführten und untereinander vernetzten Unternehmen ignorierten die Veränderung der externen Umstände, wobei sich das Käuferverhalten zu Massenkonsum und günstiger Ware entwickelte. Die Organisationen interpretierten die Veränderung als Trend, der nach kurzer Zeit wieder verschwinden würde. Damit veränderte die Industrie ihr Interpretationsschema nicht womit auch Prozesse und Strukturen nicht angepasst wurden. Die organisationale Trägheit, führte in diesem Fall sogar zur Schließung einiger Organisationen, da die Notwendigkeit des Wandels nicht erkannt wurde.


Pfad B: Fehlgeschlagene Versuche („Aborted Excursions“)

Fehlgeschlagene Versuche („Aborted Excursions“) in Anlehnung an Greenwood und Hinings

Bei dem Pfad der Fehlgeschlagenen Versuche werden Teile der Struktur bzw. der Prozesse entkoppelt, also von dem interpretativen Schema losgelöst. Auslöser für einen solchen Pfad können experimentelle Möglichkeiten zur Optimierung der Effizienz oder politischer Druck sein. Die Organisation befindet sich für kurze Zeit in der Position der unausgereiften Kohärenz. Teile der Strukturen, oder Prozesse passen nicht zum interpretativen Schema. Insgesamt spiegeln die meisten Prozesse und Strukturen jedoch das interpretative Schema des zuvor kohärenten Archetyps wider.

Beispielhaft hierfür sind Organisationen, die Teilbereiche ihres Unternehmens auslagern oder neu strukturieren. Lagert z.B. ein Unternehmen, welches die Kundennähe als wichtigsten Bestandteil des Geschäftsmodells enthält, sein Call-Center aus, so passt diese Änderung nicht zum interpretativen Schema und kann zu Schwierigkeiten führen.

Nach kurzer Zeit, werden die zuvor geänderten Prozesse und Strukturen jedoch wieder dem alten Interpretationsschemata angepasst. Die Organisation befindet sich daher am Ende wieder auf der Position des kohärenten Archetyps, welchen Sie vor den Veränderungen hatte.


Pfad C: Neuorientierung/ Transformation (“Reorientations /Transformations“)

Bei der Neuorientierung oder der Transformation verändert sich die Organisation von Archetyp A zu Archetyp B. Die Ursachen sind oftmals neue interpretative Denkmuster, die sich auf strukturelle Prozesse auswirken und diese verändern. Die Organisation durchläuft bei diesem Pfad den gesamten Prozess des Entkoppelns und Ankoppelns. Alte Denkmuster und Prozesse werden entkoppelt und das neue interpretative Schema wird angekoppelt. Der Pfad der Neuorientierung /Transformation kann nochmals in unterschiedliche Pfade unterteilt werden.


(i.) Die lineare Transformation („Linearprogression“)

Die lineare Transformation („Linearprogression“) in Anlehnung an Greenwood und Hinings

Eine Organisation, die sich transformiert kann dies auf linearem Weg machen, wobei der Prozess dann alle Konfigurationen des Entkoppelns durchläuft. Ein typisches Beispiel für eine lineare Neuorientierung/Transformation ist der Wandel von National Steel[9] von autonomen Einheiten zu einer kooperierenden Firma.


Oftmals wandeln sich Organisationen jedoch nicht-linear, da die bevorstehenden Veränderungen überdacht und neu angepasst werden. Ein typisches Beispiel für nicht lineare Neuorientierung ist die Entwicklung von BBC[10]. Die Organisation wandelte dich hierbei von einem kreativen Archetyp mit hoher Segmentierung und unabhängigen Managern zu einem kooperierenden und zentralisierten Archetyp. Der Pfad zu diesem Archetyp wurde jedoch immer wieder durchbrochen, da das Interpretationsschema sowie die Strukturen und Prozesse immer wieder überdacht und angepasst wurden um eine Kohärenz herzustellen. Es gibt folgende Unterkategorien der nicht-linearen Neuorientierung:


(ii.) Pendeln („oscillations“)

Pendeln („oscillations“) in Anlehnung an Greenwood und Hinings

Beim Pfad des Pendelns schwankt eine Organisation zwischen zwei Archetypen. Der schizoide Zustand wird hierbei nicht erreicht. Die Organisation bewegt sich von Archetype A in Richtung Archetype B. Dabei pendelt sie jedoch zwischen den beiden, was z.B. durch Misserfolge in der Umstellung oder durch äußere, z.B. politische Einflüsse, bedingt sein kann.


(iii.) Verzögerungen („delayed“)

Verzögerungen („delayed“) in Anlehnung an Greenwood und Hinings

Beim Pfad der Verzögerung schafft eine Organisation die Entkopplung vom alten Archetyp lange nicht, um sich dann plötzlich zu wandeln. Bei diesem Pfad wird über einen längeren Zeitraum der Zustand unausgereifter Kohärenz des Archetypen A gehalten. Die Organisation befindet sich schon in dem Prozess des Entkoppelns, jedoch werden der Zustand der zwiegespaltenen Inkohärenz und der unausgereiften Kohärenz des Archetypen B übersprungen und die Organisation bildet plötzlich und schnell eine Kohärenz zum Archetyp B.


Pfad D: Ungelöste Abweichungen („Unresolved Excursions“)''

Ungelöste Abweichungen („Unresolved Excursions“) in Anlehnung an Greenwood und Hinings

Ungelöste Abweichungen beschreiben Pfade bei denen der Zustand der Kohärenz nach mehreren unvollständigen Entkopplungs- und Ankopplungsprozessen nicht erreicht wird. Die Organisation gelangt weder in ihr ursprüngliches interpretatives Schema zurück, noch können sie ein neues komplett integrieren. Miller und Friesen (1984) sehen diesen Pfad als am wenigsten erforschten, jedoch sehr wichtigen an, da viele Organisationen diesem folgen.

Ein bekanntes Beispiel für diesen Pfad ist die Entwicklung von Chrysler[11]. Die Autoren bezeichnen die Organisation als eine Mischform zwischen einem autonomen und dezentralisierten Archetyp und einem kooperativen, sowie koordinierten Archetyp. Betrachtet man die Entwicklung der Organisation in den letzten 30 Jahren, so wurden immer wieder Veränderungen zugunsten eines Archetyps vollzogen, jedoch ohne sich vollständig von dem vorherigen zu lösen. Chrysler war früher hinsichtlich unterschiedlicher Märkten strukturiert und die einzelnen Marktdivisionen konnten frei agieren. Als das Unternehmen wuchs, wurden jedoch neue Abteilungen wie z.B. Finanzen hinzugefügt. Diese passten nicht zur vorherigen Struktur und die Kohärenz innerhalb der Organisation nahm ab. Anhand dieses Beispiels kann man gut erkennen, wie Veränderungen in einer Organisation die Kohärenz stören kann und zwiegespaltene inkohärente Zustände entstehen.[7]

Gründe für einen organisationalen Wandel

Die Autoren definieren drei wesentliche Faktoren, welche einen Wandel in der Organisation begünstigen. Diese sind Kontingenz, der Grad der Zustimmung zu einem vorherrschenden Interpretationsschema, sowie die Machtverhältnisse in einer Organisation. Diese drei Faktoren und ihre Auswirkungen bestimmen, ob sich eine Organisation wandelt oder nicht.

Ursachen für einen organisationalen Wandel in Anlehnung an Greenwood und Hinings















Kontingenz

Die Kontingenztheorie zeigt auf, wann es zu einem Wechsel der strategischen Ausrichtung einer Organisation kommt bzw. die gewählte Ausrichtung beibehalten wird. Ziel ist, dass die organisationalen Strukturen den organisationalen Aufgaben entsprechen. Wenn dies nicht der Fall ist, begünstigt dies einen Wandel der Organisation. Die Autoren beziehen sich hierbei auf drei Situationen, die einen Wechsel begünstigen oder verhindern.

1.) Wenn die vorhandenen organisationalen Strukturen mit den Anforderungen der Organisation übereinstimmen, so behält man diese bei. Dieses Festhalten an bestehende Strukturen führt zur Trägheit in der Organisation, da bestehende Interpretationsschema über lange Zeit beibehalten werden und Wandlungsprozesse in den Hintergrund treten.

2.) Konflikte beziehungsweise Differenzen zwischen den vorhandenen organisationalen Strukturen und den strukturellen Anforderungen an die Organisation können eine Umorientierung zur Folge haben. Dies kann einem Wandel in der Organisation nach sich ziehen, in Folge dessen ein anderes Interpretationsschema etabliert wird.

3.) Unvorhergesehene Ereignisse, die meist extern bedingt sind, können zu einem Wechsel der strategischen Ausrichtung und somit zu einer Abweichung vom gewählten Interpretationsschema führen.

Grad der Zustimmung zu einem Interpretationsschema

Ein zweiter Faktor, der einen Wandel in der Organisation begünstigen kann, ist der Grad, inwieweit die Mitarbeiter einem vorherrschenden Interpretationsschema zustimmen. Es kann folgende Ausprägungen geben:

1.) Weitestgehende Übereinstimmung mit dem vorherrschenden Interpretationsschema

2.) Weitestgehende Übereinstimmung mit einem alternativen Interpretationsschema

3.) Erhebliche Übereinstimmung mit zwei oder mehreren Interpretationsschemen

4.) Geringe Übereinstimmung weder mit dem vorherrschenden, noch zu einem alternativen Interpretationsschema.

Die Autoren sind zudem der Meinung, dass um einen Wandel von einem Interpretationsschema hin zu einem anderen zu bewirken, es sinnvoll sein kann, die Top Manager eines Unternehmens auszutauschen. [8] Neue Führungskräfte sind mit dem alten Interpretationsschema kaum verbunden und können unvoreingenommen ein neues Interpretationsschema etablieren.

Machtverhältnisse

Der dritte Einflussfaktor sind die Machtverhältnisse innerhalb einer Organisation. Diese zeichnen sich oft durch verschiedene Interessensgruppen mit unterschiedlichen Machtverhältnissen aus und nicht jede kann zu gleichen Teilen zufrieden gestellt werden. Struktureller Wandel wird begünstigt, wenn

a.) Interessensgruppen sehr unzufrieden mit der aktuellen Situation sind und

b.) diese Interessensgruppen über genügend Macht verfügen, eine Änderung zu bewirken. [9]

Reflexion

Greenwood und Hinings liefern einen dynamischen Ansatz für organisationalen Wandel. Vorherige Forschungen hatten insbesondere statische Organisationskonfigurationen betrachtet. Damit richten sie den Blick weg vom reinen Ergebnis des Wandels hin zum Wandlungsprozess und bringen somit organisationale Mischformen und Zwischenschritte des Wandels in die Diskussion. Zudem sind sie die ersten Autoren, die eine ihrer Untersuchungen auf Basis einer langfristigen Perspektive durchführen und damit den fortlaufenden Wandel ins Zentrum der Beobachtung rücken. Nicht zuletzt sind damit auch nicht abgeschlossene Wandlungsprozesse in das Blickfeld der wissenschaftlichen Diskussion gekommen, wo zuvor nur erfolgreicher Wandel betrachtet wurde. Einige Elemente des Forschungsansatzes sind jedoch diskussionsbedürftig.

So vertreten die Autoren die Ansicht, dass sich organisationaler Wandel nur langsam vollzieht und damit nur über einen längeren Zeitraum beobachtbar ist. Andere Forschungsrichtungen stehen dem entgegen, wie zum Beispiel Miller und Friesen [10], die von punktuellen und starken Änderungen ausgehen. Zudem kann es zu äußeren Bedingungen kommen, die eine Organisation zu einem schnellen Wandel zwingen, wie zum Beispiel Gesetzesänderungen oder disruptive Innovationen im Markt, die das eigene Produkt in seiner jetzigen Beschaffenheit obsolet machen.

Die Autoren legen als Basis für ihren Aufsatz eine genaue Erfassung des aktuell herrschenden Interpretationsschemas sowie eine detailgetreue Auflistung vorhandener organisationaler Strukturen zu Grunde. Aus dem Aufsatz geht jedoch nicht hervor, wie genau diese Analyse erfolgen soll. Die Aufnahme, sowie Bewertung von Situationen und Strukturen unterliegt in einem hohen Maße der subjektiven Einschätzung des Betrachters. Zudem beziehen sich die Autoren auf wichtige sowie weniger wichtige Aspekte bei der Analyse und der Bewertung vorhandener Strukturen. Es wird jedoch keine ausreichende Auflistung dafür geliefert, welchen Faktoren in welchen Organisationsstrukturen eine hohe, beziehungsweise geringe Bedeutung zugesprochen wird. Ferner gibt es keinen Standpunkt der Autoren, der darauf schließen lässt, welche Auswirkungen das Erlangen eines Design Archetyps auf Merkmale wie ökonomische Effizienz, Widerstandsfähigkeit, oder das Miteinander in einer Organisation hat. Schlussendlich ließen sich mit einer breiteren Datenlage die Erkenntnisse profunder präsentieren. Weitere Forschungen könnten Paarvergleiche von Organisationen ähnlicher Archetypen anstellen, um den Einfluss auf Kooperationen, Fusionen, oder Handelsbeziehungen herauszuarbeiten.

Einzelnachweise

Quellen

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