OE-Diagnose

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Eine Organisationsdiagnose ermittelt den Ist-Zustand einer Organisation, um hieraus den Entwicklungsbedarf abzuleiten und geeignete und notwendige Maßnahmen herbeizuführen. Sie gilt daher als Ausgangspunkt der Organisationsentwicklung. [1] Die Diagnose kann auf der Ebene der Organisation (oberste Ebene), der Abteilung (mittlere Ebene) oder des Individuums (niedrigste Ebene) stattfinden. Hierbei ist zu beachten, dass der Einbezug aller Ebenen nicht zwangsläufig ist, sondern die Organisationsdiagnose sich je nach Zielsetzung auf einzelne Bereiche konzentrieren kann. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass sich die drei Ebenen gegenseitig beeinflussen und die höher gelagerten Ebenen die Basis für die unteren Ebenen darstellen. [2]

Ziele der Organisationsdiagnose

Die Durchführung einer Organisationsdiagnose ist als ein zielgerichteter Prozess zu verstehen und kann wissenschaftlichen oder praktischen Zwecken dienen. Eine Organisationsdiagnose sollte den Ist-Zustand möglichst strukturiert analysieren, wodurch aktuelle Probleme sowie zukünftige Chancen und Risiken aufgedeckt werden können. Durch ein gut konzipiertes Vorgehen wird blinder Aktionismus vermieden und der abgeleitete Veränderungsbedarf und mögliche Maßnahmen werden legitimiert. Weiterhin sollen mit der Anwendung von Organisationsdiagnosen die Mitarbeiter aktiv in die Veränderungsprozesse der Organisation eingebunden werden, was ein weiteres Ziel, das Schaffen von Vertrauen und eine erhöhte Kommunikation im Unternehmen, positiv beeinflusst. Durch Transparenz und die Kommunikation der Diagnoseergebnisse werden die Mitarbeiter auf organisatorische Veränderungen vorbereitet. Weiterhin kann durch die regelmäßige Anwendung von Organisationsdiagnosen eine Evaluation organisationaler Maßnahmen erfolgen. [3]

Anwendungsbereiche der Organisationsdiagnose

Da eine Organisation ein sehr komplexes System ist, kann die Diagnose aus Zeit- und Kostengründen nicht die gesamte Organisation umfassen. Aufgrund dessen muss ein Schwerpunkt gesetzt werden, welcher sich entweder mit einem organisationsweiten Thema (z.B. der Organisationskultur) oder einem speziellen Aufgabenbereich (z.B. einer bestimmten Abteilung) befasst. Je nach Anwendungsbereich bzw., durchführenden Personen etc., unterscheidet sich die Zielsetzung der Organisationsdiagnose: [4]

1. Organisationsmitglieder: Die Mitglieder einer Organisation sind zentraler Bestandteil jeder Organisationsdiagnose. Sie beeinflussen die Organisation und werden von ihr beeinflusst. In der Regel haben die Mitglieder aus diesem Grund ein hohes Interesse daran die Organisation zu verbessern. Die Organisationsdiagnose ist hierfür ein wichtiges Instrument. Durch eine Mitgliederzufriedenheitsanalyse, die häufig im Zuge einer Organisationsdiagnose durchgeführt wird, können z.B. Schwachstellen in der Organisation aufgedeckt werden. Zudem kann die Organisationsdiagnose auf Veränderungen vorbereiten bzw. diese begleiten. Ebenfalls im Interesse steht die Evaluation vergangener Maßnahmen.

2. Externe Parteien: Diese Gruppe umfasst Parteien, die der Organisation nicht zugehören aber an ihr interessiert sind. Organisationsdiagnosen können z.B. wichtige Bestandteile von Akquiseanalysen sein. Für den Interessenten, der eine Organisation kaufen möchte, ist zum einen interessant ob die zu akquirierende Organisation gut funktioniert und die beteiligten Glieder ineinander greifen und zum anderen, ob die diese Organisation kulturell zum Interessenten passt. Darüber hinaus kann eine Organisationsdiagnose für Studien zu einem bestimmten Industriezweig und dessen Struktur bzw. dessen Chancen und Risiken nutzen können.

3. Wissenschaftler: Ebenso ist die Wissenschaft an Organisationsdiagnosen interessiert, da sie mit dessen Hilfe die Entwicklung sowie die Überprüfung von Organisationstheorien vorantreiben kann. Da die Durchführung sehr zeit- und kostenintensiv ist und in den Ablauf der Organisation eingreift, wird die Organisationsdiagnose zu alleinigen wissenschaftlichen Zwecken oft vom Management verwehrt sofern sie keinen praxisrelevanten Bezug hat. [5]

Modelle der Organisationsdiagnose

Bei der Durchführung einer Organisationsdiagnose entstehen unterschiedliche Schwierigkeiten. Zum einen macht die Komplexität der Thematik eine umfassende Analyse unmöglich, zum anderen können die hohe Zahl an relevanten Variablen und die Beziehungen zwischen diesen, eine hohe Varianz in der Bewertung einer Organisation entstehen lassen. Dennoch soll die Organisationsdiagnose alle relevanten Aspekte abdecken und dabei schlussendlich zu einer objektiven Einschätzung der Situation der Organisation kommen. Im wirtschaftlichen Kontext steht meist die Leistung der Organisation im Fokus der Diagnose. Diese wird häufig durch die Indikatoren Effektivität und Effizienz ermittelt. Ist die Leistung einer Organisation wider Erwarten gering, soll die Organisationsdiagnose zuverlässig aufdecken, welche Variablen zu dieser Situation beitragen. Dabei darf die Organisationsdiagnose Sachverhalte nicht verkompliziert wiedergeben, sondern sollte komplexe Zusammenhänge strukturiert und auf das Wesentliche reduziert darlegen. Um dem gerecht zu werden, haben Wissenschaftler und Praktiker, vornehmlich der Soziologie, der Psychologie und der Betriebswirtschaftslehre, bereits in den 50er Jahren begonnen, übergeordnete Modelle für die Organisationsdiagnose zu entwickeln. Diese Modelle wurden mit der Zeit mehrfach weiterentwickelt, verändert und auch verworfen. Die Idee ist jedoch immer dieselbe: Die Modelle sollen alle Aspekte, die für die Einschätzung der aktuellen Lage einer Organisation relevant sind, aufnehmen, in ein Verhältnis setzen und kompakt wiedergeben. Dabei soll vereinfacht aufgezeigt werden, welche Wechselbeziehungen in und außerhalb einer Organisation bestehen. Bei einer Diagnose lässt sich somit anhand des Modells schnell feststellen, an welcher Stelle in der Organisation z.B. Störungen auftreten und welche Einflüsse diese Störungen auf andere Variablen haben. Anschließend sollen mögliche Implikationen zur Verbesserung der Situation anhand der Modelle abgeleitet werden. Darüber hinaus gewährleistet die Anwendung eines Modells, dass die Diagnose ein gewisses Maß an Objektivität Objektivität und letztendlich auch Reliabilität aufweist. Dies wird dadurch unterstützt, dass zu fast jedem Modell ein Diagnoseschema vorgegeben wird. Oft werden zudem komplette Fragebögen zu den einzelnen Modellen erstellt, welche eine Diagnose vereinheitlichen und die Durchführung vereinfachen. Grundsätzlich gehen die meisten Modelle davon aus, dass Organisationen offene Systeme sind und somit von der Umwelt beeinflusst werden. Die folgenden Variablen in einer Organisation tauchen in nahezu allen Organisationsmodellen auf:



Grundsaetzliche Variablen.png


Diese Variablen stehen miteinander im Verhältnis und beeinflussen maßgeblich die Leistung der Organisation. Neben diesen Variablen haben die Modelle jeweils individuelle Schwerpunkte (siehe unten). [6] [7]


Im Folgenden sollen exemplarisch das Weisbord´s Six-Box-Model von 1976 und das Burke-Litwin Model von 1992 vorgestellt werden. Diese beiden Modelle eignen sich als Beispiele, da sie in ihrem Aufbau und der Herangehensweise deutliche Unterschiede aufweisen. Das Model von Weisbord ist deutlich generischer aufgebaut und kann in der Anwendung vornehmlich als erster Radar dienen, falls die beteiligten Personen an Organisationsmodelle weniger gewöhnt sind. Das Burke-Litwin Model erscheint komplexer und soll neben der Diagnose der Organisation ebenfalls den Wandel in einer Organisation mit abbilden. Nachdem diese Modele im Einzelnen vorgestellt wurden, werden die Unterschiede in einer Übersichtstabelle erneut kompakt herausgestellt.


Weisbord´s Six-Box-Model (1976, 1978)

Beim Weisbord´s Six-Box-Model von 1976 handelt es sich um ein generisches Modell, welches sich folglich als Radar eignet, um ein Gesamtbild der Organisation abzubilden. Im Modell wird eine Organisation als „offenes System“ klassifiziert. Dies bedeutet, dass die Organisation nicht als abgeschlossene Einheit verstanden wird, sondern vielmehr als eingebettet und beeinflusst durch die Umwelt. Nach einer im Jahre 1999 veröffentlichten Studie wird Weisbord´s Six-Box-Model in 25% der Analysefälle genutzt. [8]

Die grundlegende Idee ist, dass eine Organisation dann gut funktioniert, wenn sich die 6 Organisationsvariablen im Gleichgewicht befinden d.h. keines übermäßig oder geringfügig Einfluss nimmt. Weisbord reduziert die Komplexität der Organisation auf die folgenden 6 Variablen:

1. Zweck (engl. Purpose): “Was ist unser Geschäftsmodel” (engl. „What „business“ are we in?“) Hiermit wird ermittelt welchen Zweck die Organisation verfolgt. Es ist wichtig, dass dieser zu den anderen Variablen kompatibel ist und von den Teilnehmern der Organisation verstanden und mitverfolgt wird.

2. Struktur (engl. Structure): “Wie unterteilen wir unsere Arbeit?” (engl. „How do we divide up the work?“) Die Struktur beschäftigt sich mit dem formalen Aufbau der Organisation. Weisbord gibt zu bedenken, dass dieser dem Zweck der Organisation folgen sollte.

3. Beziehungen (engl. Relationship): Wie gehen wir mit Konflikten um? Gibt es Techniken?” (engl. „How do we manage conflict (coordinate) among people? With our technologies?“) Der Bereich Beziehungen beschäftigt sich mit den Beziehungen in der Organisation. Weisbord legt hier ein besonderes Augenmerk darauf, dass die Beziehungen zwischen den Menschen, zwischen den unterschiedlichen Abteilungen und zwischen Menschen und ihren Anforderungen, passen müssen.

4. Belohnungen (engl. Rewards): “Werden alle relevanten Aufgaben entsprechend belohnt?” (engl. „Is there an incentive for doing all that needs doing?“) Oft besteht ein Unterschied zwischen dem gelebten Belohnungssystem und dem Formalen. Weisbord schlägt vor, diesen Unterschied zu minimieren.

5. Führung (engl. Leadership): “Werden die einzelnen Bereiche ausbalanciert?” (engl. „Is someone keeping the boxes in balance?“) Die Führung ist in Weisbord´s Modell von zentraler Bedeutung, denn ihre Hauptaufgabe ist es, die verschiedenen Glieder der Organisation in Einklang zu bringen und mögliche Unstimmigkeiten, wie z.B. Zielkonflikte von Geschäftsbereichen zu erkennen und zu verbessern.

6. Unterstützende Mechanismen (engl. Helpful Mechanisms): “Haben wir adequate Hilfsmechanismen?” (engl. „Have we adequate coordinating technologies?“ Weisbord selbst nutzt für dieses Glied den Vergleich mit dem Zement, welcher die Organisation zusammenhält. [9] Diese umfassen Planung, Kontrolle, Budgetpläne sowie Informationssysteme, die es der Organisation ermöglichen ihre Ziele zu verfolgen und deren Erreichung zu überprüfen. Ohne diese Mechanismen kann die Organisation nicht richtig funktionieren. Folglich hängt dieser Teil des Modells eng mit dem Zweck der Organisation zusammen.


Weisbord 6Box de.png


Diagnoseansatz des Weisbord´s Six-Box-Models

Die Diagnose nach diesem Modell konzentriert sich auf zwei Hauptfragestellungen, die für jeden Teil gesondert gestellt werden können:

1. Die Diagnose der Diskrepanz zwischen dem informellen und dem formalen System oder auch die Diskrepanz zwischen dem eigentlichen Verhalten und dem definierten Prozess. Beispiel: Die Struktur einer Organisation sieht eine straffe Hierarchie vor, in der die Führungsebene den Mitarbeitern die Arbeitsabläufe sehr detailliert vorgibt. Nichtsdestotrotz stimmen sich die Mitarbeiter in der Realität untereinander ab, oft ohne dass die Führungsebene dies mitbekommt. Die Mitarbeiter umgehen somit die Prozesse und die vordefinierten Kommunikationswege, ggf. weil dies schneller geht und weniger aufwändig ist. Das informale System ist somit geprägt durch persönliche, nicht dokumentierte Absprachen. In diesem Fall besteht eine starke Diskrepanz zwischen dem formalen und dem informalen System und die Leistung der Organisation kann leiden. Diese Diskrepanz wird durch das Modell aufgedeckt, um anschließend Maßnahmen für ein erneutes Gleichgewicht abzuleiten und zu implementieren.


Für diesen Teil hat Weisbord eine Matrix für die Erstellung von Diagnosetools entwickelt:

Tabelle Weisbord.png


2. Die Diagnose der Diskrepanz zwischen dem „Was ist“ und „Was sein sollte“. Dieser Teil der Diagnose beschäftigt sich mit dem Fit der Organisation in die Umwelt.

Beispiel: Befindet sich die Organisation in einer sich schnell verändernden Umwelt, ist vom Aufbau eher starr, besteht eine Diskrepanz zwischen der Organisation und ihrer Umwelt. Damit die Organisation gut weiterarbeiten kann, muss diese Diskrepanz verringert werden.



Stärken des Weisbord´s Six-Box-Models

Das Modell ist eins der Ersten und vereint gleich mehrere Vorteile:

- Das Modell ist im Vergleich zu Anderen einfach und verständlich gestaltet. Es eignet sich aus diesem Grund besonders für Situationen in denen nicht viel Zeit für eine tiefergehende Diagnose ist.

- Das Modell eignet sich durch die starke Reduktion auf nur sechs Variablen besonders dann, wenn eine unkomplizierte Übersicht der Organisation gebraucht wird, bzw. komplizierte Organisationsübersichten nicht benötigt werden.

- Das Modell eignet sich in Beratungsprojekten besonders dann, wenn der Kunde keine Erfahrungen mit Modellen zur systemischen Analyse von Organisation besitzt. Durch die Übersichtlichkeit des Weisboard´s Modell ist es dennoch möglich gemeinsam, ggf. unter Anleitung und ohne Vorwissen, die Organisation zu diagnostizieren.


Kritik am Weisbord´s Six-Box-Model

Das Model besticht durch seine Einfachheit, wodurch jedoch gleichzeitig gewisse Schwächen entstehen: [9]

- Das Modell deckt durch seine Vereinfachung auf sechs Variablen ggf. nicht alle relevanten Aspekte der Organisation ausreichend ab.

- Einige Beziehungen zwischen Variablen sind im Modell nicht ausreichend beschrieben.

- Das Modell wurde aus der Praxis und für die Praxis entwickelt. Durch den fehlenden wissenschaftlichen Bezug sind Gütekriterien, wie Validität und Reliabilität nicht hinlänglich beachtet. Zudem fehlt eine empirische Überprüfung der Relevanz der einzelnen Variablen.



Burke & Litwin: A Causal Model of Organizational Performance and Change (1992)

Mit dem von Burke & Litwin 1992 entwickelten Kausalmodell zur organisationalen Leistungsfähigkeit und Veränderung, wurde der Wunsch mittels eines Modells eine Organisation diagnostizieren und ebenfalls einen geplanten Wandel abbilden zu können, verfolgt. Diese Verknüpfung von Diagnose und anschließender Veränderung wurde in dieser Detailtiefe bisher nicht gemeistert. Wichtig hierfür ist es, dass auf die Ursache-Wirkungs-Effekte eingegangen wird und diese empirisch überprüfbar sind. Das Modell verbindet Implementierungs- und Veränderungsprozess-Theorie und versucht Forschung, Theorie und Praxiswissen zu vereinen. Hierdurch wird ein umfassendes, wissenschaftliches Modell erzeugt, welches in der Praxis Anwendung finden kann.

Burke Litwin DE.png

Die Variable „Externe Umwelt“ beschreibt den Input in die Organisation. Die Variable „Individuelle und organisationale Leistungsfähigkeit “ den Output. Die anderen Variablen sind in zwei Cluster aufgeteilt, um unterschiedliche Veränderungsansätze zu vereinen:

1. Transformational Change: Die Transformationalen Variablen des Modells: Externe Umwelt, Führung, Mission und Strategie, Organisationskultur haben direkte Auswirkungen auf die Leistung der Organisation. Mit „transformational“ ist gemeint, dass Veränderungen in der Umwelt entstehen und diese eine Anpassung der Organisation erfordern. Burke & Litwin arbeiten somit in das Modell ein, dass Veränderungen in einer Organisation meist durch Veränderungen außerhalb der Organisation initiiert werden. Ändert sich die Umwelt, hat dies in erster Linie Auswirkungen auf die Variablen Führung, Mission und Vision und Organisationskultur. Durch die Verbindungen dieser Variablen zu anderen, verändert sich schlussendlich die gesamte Organisation. Dieser Ansatz kann in gewisser Weise als Top-Down Veränderungsansatz gesehen werden, da er durch die Führung und die Mission und Vision vorangetrieben wird.


2. Transactional Change: Die Transaktionalen Variablen des Modells umfassen Management Praktiken, Struktur, System, Arbeitsklima, Motivation, Aufgabe und Individuelle Fähigkeiten sowie Individuelle Bedürfnisse und Werte. Diese Variablen haben ebenfalls Einfluss auf die Leistung der Organisation und werden von den transformationalen Variablen beeinflusst. Die Variablen dieser Gruppe werden vornehmlich durch eher kurzfristige Reziprozität verändert. Diese Reziprozität zeigt sich somit durch „Du tust dies für mich, dann tu ich das für dich“-Verhältnisse, bei denen kurzfristige Absprachen zwischen Individuen der Organisation die Verhältnisse dieser Individuen beeinflussen. Werden in einer Organisation eher Hindernisse durch gegenseitige Hilfestellungen gelöst, hat dies einen Einfluss auf das Organisationsklima. In einer Kultur in der viel „über den kurzen Dienstweg“ geregelt wird, können auch Veränderungen durch die zwischenmenschliche Absprache geschehen. Diese Faktoren werden bei Burke & Litwin berücksichtigt.


Die einzelnen Variablen werden von Burke und Litwin folgendermaßen beschrieben:

1. Externe Umwelt: Umfasst jegliche externen Zustände, die Einfluss auf die Organisation haben.

2. Mission und Strategie: Setzt sich aus der vom Top Management vorgegebenen Strategie und Mission der Organisation und den Einschätzungen der Mitarbeiter über die Mission und Strategie zusammen.

3. Führung: Meint die Führungspraktiken der Organisation und die Rolle der Führung als Vorbild zu fungieren. Burke und Litwin unterscheiden bewusst zwischen Leadership und Management.

4. Kultur: Beschreibt die Kultur der Organisation und damit, wie Dinge in der Organisation generell gehandhabt werden.

5. Struktur: Beschreibt, wie die Organisation formal aufgebaut ist.

6. Management Praktiken: Beschreibt, wie die Ressourcen (Human, Kapital und Rohstoffe) genutzt werden, um der Organisationsstrategie zu folgen.

7. System: Systeme sind Mechanismen, die genutzt werden, um die Arbeit zu vereinfachen. Dies können bestimmte Praktiken, Abläufe oder auch IT-Systeme sein.

8. Klima: Beschreibt die aktuellen Einstellungen, Gefühle und Erwartungen der Mitarbeiter und ihr Verhältnis zu den Vorgesetzten sowie das Verhältnis innerhalb der Belegschaft.

9. Anforderungen und individuelle Fähigkeiten: Umfasst die Fähigkeiten, die ein Mitarbeiter benötigt, um die Arbeit effektiv und effizient auszuführen.

10. Individuelle Bedürfnisse und Werte: Beschreibt psychologische Aspekte, die Mitarbeiter beeinflussen. Dies können persönliche Wünsche, Nöte oder Werte sein.

11. Motivation: Beschreibt den Grad der Motivation der Mitarbeiter, um die Ziele der Organisation zu erreichen.

12. Individuelle und organisationale Leistungsfähigkeit: Beschreibt den Output von Individuen oder Organisationen und wird oft in Profitabilität, Kundenzufriedenheit oder Qualität gemessen.


Stärken des Burke und Litwin Modells

Burke und Litwins Modell vereint die Organisationsdiagnose mit Veränderungstheorien sowie die Wissenschaft mit der Praxis, wodurch sich mehrere große Vorteile ergeben:

- Das Modell ist äußerst umfassend und bezieht viele relevante Variablen mit ein.

- Das Modell zeigt Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf.

- Das Modell wurde mit einem wissenschaftlichen Fokus erstellt. Dadurch sind viele Aspekte empirisch überprüft worden.

- Der wissenschaftliche Fokus erhöht zugleich die Gütekriterien und macht das Modell damit äußerst wertvoll für die Wissenschaft und die Praxis.

- Das Modell bedient sich des damaligen Standes der Wissenschaft und integriert eine große Zahl an Erkenntnissen anderer Forschungsgebiete.


Kritik am Burke und Litwin Model

Die Vorteile der umfassenden Erstellung des Modells wurden beschrieben, führen jedoch ebenfalls zu großen Nachteilen. [10]

- Durch die Komplexität wird das Modell unübersichtlich.

- Das Modell enthält zu viele Variablen.

- Die Anwendung des Modelles ist aufgrund der Komplexität nur mit einem erhöhtem Zeitaufwand oder in einer reduzierten Version möglich.

Weitere Modelle im Überblick

Neben den bereits vorgestellten Modellen gibt es eine Vielzahl weiterer Modelle mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die wichtigsten sollen hier kompakt zusammengefasst werden:


ModelleimUeberblick.png [11]

Kritische Würdigung

Die Mehrdimensionalität und die vielschichtigen Zusammenhänge von organisationalen Problemen machen eine vollständige Analyse der Organisation unmöglich. Obwohl durch diese Tatsache wichtige Aspekte unberücksichtigt bleiben könnten, liegt der Vorteil der modellgestützten Organisationsdiagnose in der zeitlich und finanziell machbaren Analyse des komplexen Systems. [12] Außerdem dient die Organisationsdiagnose nicht nur der strukturierten Darstellung des Ist-Zustandes einer Organisation, sondern gleichzeitig auch als Referenz für retrospektive Erfolgsbemessungen der umgesetzten Maßnahmen. [13] Vor allem aber bietet die Ist-Analyse gegenüber Vorgesetzten und Auftraggebern eine Legitimationsgrundlage für daraus resultierende Veränderungen.

Dennoch wird die Organisationsdiagnose in der Literatur und in der Praxis oft kritisiert. Problematisch zu betrachten sind beispielsweise die Vielzahl von Denkansätzen zum Thema Organisation und Organisationsentwicklung und die daraus resultierenden Modelle der Organisationsdiagnose. Die falsche Wahl der Methode kann zur Folge haben, dass bei der Ist-Analyse wichtige Faktoren außer Betracht gelassen werden. [14] Zudem stellt die Organisationsdiagnose nur eine Momentaufnahme dar.

Aus Sicht der empirischen Sozialforschung mangelt es der Organisationsdiagnose vor allem an Objektivität. Initiiert wird die Organisationsdiagnose durch Personen oder Personengruppen, die mit der Diagnose ein bestimmtes Interesse verfolgen, wie beispielsweise Leistungssteigerung. Vordefinierte Intentionen und Interessen sowie finanzielle Ressourcen können die Objektivität der Diagnose erheblich beeinflussen. [15] Auch während der Durchführung und Auswertung der Analyse verursachen vor allem die Interessen des Diagnostikers mangelnde Objektivität. So ist beispielswiese der externe Berater dazu verleitet, Diagnosen zu stellen, die einen umsatzstarken Folgeauftrag generieren. Auch interne Diagnostiker können durch eigene Intentionen oder durch den Druck des Managements zu Diagnosen geleitet werden, die einzelne Aspekte bewusst aussparen. Konflikte könnten z.B. auftreten, wenn der Diagnoseersteller den Auftraggeber, ggf. den hierarchiehöheren Mitarbeiter, als Problem identifiziert. Es könnte passieren, dass der Diagnoseersteller hier die Ergebnisse nicht korrekt veröffentlicht, um seine eigene Karriere nicht zu gefährden. Die Beeinflussung der Diagnose durch Eigeninteressen sollte unbedingt vermieden werden. [16]

Schlussendlich ist es von Bedeutung, die Chancen und Limitationen der Organisationsdiagnose zu erkennen und diese bei der Diagnose von Organisationen zu berücksichtigen. Auch die modellgestützte Organisationsdiagnose bietet aus empirischer Sicht keine Garantie für valide Diagnosen, jedoch verfügt die Organisationsdiagnose im Allgemeinen über drei wesentliche Vorteile. Zum einen dient sie zur Komplexitätsreduktion, welche die Voraussetzung für eine finanziell und organisatorisch handhabbare Organisationsentwicklung ist, und zum anderen legitimiert sie weitere Schritte der Organisationsentwicklung in der Organisation. Der wohl wichtigste Aspekt ist, dass eine konzeptgestützte Organisationsdiagnose einen Diskussionsrahmen bietet, auf den man sich beziehen kann, und somit eine wichtige Grundlage für die Organisationentwicklung darstellt.

Literaturverzeichnis

Alderfer, C. 2011: The Practice of Organizational Diagnosis: Theory and Methods. New York: Oxford University Press.

Bornewasser, M. 2009: Organisationsdiagnostik und Organisationsentwicklung. Stuttgart: Kohlhammer.

Büssing, A. 2007: Organisationsdiagnose. In: Schuler, H., Organisationspsychologie. 4. Auflage. Bern: Huber Verlag.

Burke, W. 1994: Organization development: A process of learning and changing (1st ed.). Addison-Wesley Publishing Company.

Hamid, R., Ali, S. S., Reza, H., Arash, S., Ali, N. H., et al. 2011: The Analysis of Organizational Diagnosis on Based Six Box Model in Universities. Higher Education Studies, 1(1): 84–92.

Jones, B.B. & Brazzel, M. 2012: The NTL Handbook of Organization Development and Change: Principles, Practices, and Perspectives. Pfeiffer, San Francisco.

Kauffeld, S., Wesemann, S. & Lehmann-Willenbrock, N. 2011: Organisation. In: Kauffeld, S., Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie. Heidelberg: Springer Verlag.

Liepmann, D. & Felfe, J. 2008: Organisationsdiagnostik. Göttingen: Hogrefe.

Martins, N., & Coetzee, M. 2009: Applying the Burke-Litwin model as a diagnostic framework for assessing organisational effectiveness. SA Journal of Human Resource Management, 7(1): 144–156.

Mcfillen, J. M., Neil, D. A. O., William, K., & Varney, G. H. 2013: Organizational Diagnosis : An Evidence-based Approach, 13(2): 223–246.

Nerdinger, F. W. 2008: Organisationsdiagnose. In: Nerdinger, F. W., Blickle, G. & Schaper, N., Arbeits- und Organisationspsychologie. Heidelberg: Springer.

Prosch, B. 2000: Praktische Organisationsanalyse. Ein Arbeitsbuch für Berater und Führende. Leonberg: Rosenberger Fachverlag.

Saeed, B. B., & Wang, W. 2013: Organisational diagnoses: a survey of the literature and proposition of a new diagnostic model. International Journal of Information System and Change Management, 6(3): 222–238.

Schuler, H.; Brandstätter, H. 2004: Lehrbuch Organisationspsychologie. 3. vollst. überarb. und erw. Aufl. Bern: Huber.

Van Tonder, C., & Dietrichsen, P. 2008: The art of diagnosis. In C.L. van Tonder & G. Roodt (Eds.), Organisation development: Theory and practice (pp.133–166). Pretoria: Van Schaik.

Weisbord, M. R. 1976: Organizational Diagnosis: Six Places To Look for Trouble with or Without a Theory. Group & Organization Studies, 1(4): 430–447.

Weisbord, M. R. 1978: Organizational Diagnosis: A Workbook of Theory and Practice. Basic Books.

Einzelnachweise

  1. Bornewasser, 2009, S.185
  2. Kauffeld et al., 2011, S.46 ff.
  3. Liepmann & Felfe., 2008, S.24 f.
  4. Nerdinger, 2008, S.134 f.
  5. Büssing, 2007, S.562 ff.
  6. Saeed & Wang, 2013, 228
  7. Martins & Coetzee, 2009, 2
  8. Jones & Brazzel, 2012
  9. Saeed & Wang, 2013, 227 f.
  10. Saeed & Wang, 2013, 227 f.
  11. Martins & Coetzee, 2008, 2
  12. Prosch, 2000, S.20
  13. Schuler und Brandstätter, 2004, S.595
  14. Schuler und Brandstätter, 2004, S.595
  15. Bornewasser, 2009, S.79
  16. Bornewasser, 2009, S.79-80