Kommunikationsregeln in Veränderungsprozessen

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Kommunikation (lat. communicare = (mit-) teilen, teilnehmen lassen; gemeinsam machen) dient dem Austausch von Informationen (Wissen, Erkenntnis oder Erfahrung).
Regel (lat. regula = Maßstab, Richtschnur) ist eine aus Erfahrungen bzw. Erkenntnissen gewonnene, in Übereinkunft festgelegte Richtlinie.
Kommunikationsregeln bezeichnen Richtlinien, Techniken, Anweisungen oder Vorschriften für die Kommunikation und können als Handlungsempfehlung ausgedrückt werden.
Veränderungsprozess bezeichnet Aufgaben, Maßnahmen und Tätigkeiten, die eine umfassende, bereichsübergreifende und inhaltlich weit reichende Veränderung zur Umsetzung neuer Strategien, Strukturen, Systeme, Prozesse oder Verhaltensweisen in einer Organisation bewirken sollen.


Aufgrund der Komplexität von Kommunikationsprozessen gibt es in der Literatur und Praxis keine gemeinsamen Regeln für Kommunikation in Veränderungsprozessen. Je nach wissenschaftlicher Disziplin wird der Fokus auf andere Aspekte der Kommunikation gelegt: Während sich die wirtschaftswissenschaftliche Disziplin hauptsächlich mit der Kommunikationsgestaltung durch Führung beschäftigt,[1] fokussiert sich die psychologische Disziplin auf die emotionale Bewältigung einer Veränderungssituation.[2]

Anforderungen an die Organisation

Für die Kommunikationsgestaltung können in einer Organisation nach Deekeling/Barghop vier Regeln aufgestellt werden:[3]

  • Schaffung inhaltlicher Grundlagen: Die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Führungskräften und Mitarbeitern müssen erkannt und in Einklang gebracht werden.
  • Prozessorganisation: Die unterschiedlichen Interessensgruppen müssen in Projektgruppen eingebunden werden und das Personalmanagement muss die erforderlichen Trainings und Workshops vorbereiten.
  • Autorität: Die Leitungsebene muss sich mit Persönlichkeit und Macht gegen Widerstände durchsetzen.
  • Erfolgswahrnehmung: Veränderungserfolge müssen dargestellt werden, um Fortschritts- und Erfolgserlebnisse sichtbar zu machen.

Aufbauend auf diesen vier Dimensionen können noch weitere organisationsbezogenene Kommunikationsregeln aus der Literatur entnommen werden:[4]

  • Schaffung inhaltlicher Grundlagen: Um Kommunikation zielgerichtet ausrichten zu können, muss die innere Einstellung des Adressaten bekannt sein. Dabei ist zu beachten, dass die Mitarbeiter mit zunehmendem Informationsstand kritischer und selbstbewusster gegenüber der Situation werden. Darüber hinaus gilt es, kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen, um gegenseitiges Verständnis zu schaffen.
  • Prozessorganisation: Kommunikation muss direkt und zielgerichtet erfolgen. Dabei sind verschiedene Instrumente so miteinander zu kombinieren, dass die Kommunikationsstrukturen optimiert werden. Es sollen dementsprechend verschiedene und viele Foren verwendet werden. Es ist besser unvollständig und dafür zügig und häufig als vollständig, exakt, aber zu spät zu kommunizieren. Es ist sinnvoll, ein Ziel in kleine Abschnitte zu unterteilen, um den Prozess besser strukturieren und planen zu können (“Down-Chunking”). In einem Veränderungsvorhaben ist der Dialog die bevorzugte Form der Kommunikation, da so alle Beteiligten bestmöglich eingebunden werden. Dialog bedeutet jedoch nicht automatisch Mitsprache oder Mitbestimmung. Letztendlich trifft das Management die Handlungsentscheidungen. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass die Kommunikatoren nicht nur Verkünder von Nachrichten sind, sondern auch als betroffene Partei berücksichtigt werden müssen.
  • Autorität: Um die Handlungsfähigkeit zu maximieren, sollte das Kommunikationsmanagement eng mit der Unternehmensführung verknüpft werden. Jedes Kommunikationsvorhaben muss in der persönlichen Verantwortung eines Zuständigen liegen, um Inhalt und Rechtzeitigkeit jeglicher Information zu gewährleisten.

Anforderungen an die Botschaft

Kommunikation hat im Veränderungsprozess zwei Aufgaben:[5] Sie muss Klarheit über die Fakten schaffen und Emotionen lenken, heißt: negative Emotionen dämpfen und positive Emotionen stärken. Mithin muss Kommunikation auf zwei Ebenen gestaltet werden. Auf der inhaltlichen Ebene geht es um die Informationen, die kommuniziert werden sollen (Zeitpunkt der Information, Umfang der Information, Zielgruppe) auf der emotionalen Ebene geht es darum, die Emotionen zu berücksichtigen, die diese Informationen auslösen.

Inhaltliche Ebene

Nach Bernecker/Reiss[6] muss die Information in Veränderungsprozessen drei Aspekte umfassen:

  • Gründe der Veränderung: Die Information muss Auskunft darüber geben, was ausschlaggebend für die Veränderung ist (Veränderte Umwelt- und Wettbewerbsbedingungen? Veränderte Unternehmenssituation? Proaktive Vermeidung von Stillstand?)
  • Inhalte der Veränderung: Die Information muss Auskunft darüber geben, wie weitreichend die Veränderung ist (Ist die Veränderung global, unternehmensweit, lokal, auf die Abteilung oder den individuellen Arbeitsplatz bezogen? Handelt es sich um ein Pilotprojekt? Welche Strukturen bzw. Prozesse sind betroffen? In welcher Weise werden sie verändert?)
  • Folgen einer Veränderung: Die Information muss Auskunft darüber geben, welche Folgen die Veränderung mit sich bringt (Auswirkung auf persönliches, unmittelbares Arbeitsumfeld des Mitarbeiters; Veränderung der Belegschaftsgröße, Versetzungen, Neuverteilung von Aufgaben)

Emotionale Ebene

In Anlehnung an Lewin[7] können die emotionalen Stadien, die ein Mitarbeiter im Rahmen eines Veränderungsprozesses durchläuft, in 7 verschiedene Phasen eingeteilt werden, die sich unterschiedlich auf dessen Produktivität auswirken.[8] Dieses Modell beschreibt, wie Menschen den Verlauf von Veränderungen erfahren. Als Koordinatenpole werden Zeit und Leistung angenommen, wobei die Leistung als direkter Ausdruck von Wohlbefinden gesehen wird.

  • Schock: Um die Schockstarre aufzulösen, muss durch bestimmte Fragetechniken die geistige und emotionale Bewegungsfähigkeit wiederhergestellt werden. Dazu soll noch nicht am Problem gearbeitet werden, sondern das “Problem hinter dem Problem” gefunden und analysiert werden.
  • Abwehr: Als-ob-Szenarien sollen durchgespielt werden, um die kommenden Veränderungen mit einer persönlichen Distanz zu betrachten und die Veränderung der anderen zu diskutieren.. Durch konsequentes Nachfragen müssen sprachliche Ungenauigkeiten und Wahrnehmungsverzerrungen aufgelöst werden.
  • Rationale Akzeptanz: Notwendig sind jetzt eine Erweiterung des festgefahrenen Denkens und ein Weg, einen emotionalen Zugang zum Problem zu bekommen. Der Zugang zu Gefühlen und persönlicher, emotionaler Beteiligung muss über entsprechende Fragestellungen, wenn nötig auch durch Provokation, erreicht werden.
  • Emotionale Akzeptanz: Das Infragestellen des eigenen Weltbildes, setzt einen Perspektivenwechsel voraus. Verständnis muss gefördert werden, Schuldzuschreibungen, Ärger und Angst abgebaut werden. Abschied, Trauer und Verlustgefühle müssen gewürdigt werden. Rituale, die mit einer versöhnlichen Stimmung enden, müssen eingeführt werden.
  • Öffnung: Neue Ideen der Mitarbeiter müsen in bewertungsfreien Szenarien gefördert werden. Eine Unternehmenskultur, die Fehlermachen als Entwicklungsmöglichkeit erlaubt, muss etabliert werden. Fehlende Kompetenzen müssen jetzt in Trainings erworben werden.
  • Integration: Es muss auf den Veränderungsprozess zurückgeblickt werden, um Erfolge und Misserfolge zu analysieren und daraus Schlussfolgerungen für künftige Prozesse zu ziehen. Die erfolgreiche Veränderung muss gefeiert werden, der Blick aber nach vorn gerichtet werden.

Zusammenfassung in der Literatur

Auch wenn keine einheitliche Meinung in der Literatur darüber besteht, welche Regeln die Kommunikation in Veränderungsprozessen bestimmen sollten, so können doch zumindest teilweise Übereinstimmungen festgestellt werden. Einigkeit besteht darüber, dass alles, was nicht ausgesprochen wird, dennoch durch die Stakeholder (insbesondere die Mitarbeiter) interpretiert wird. Daher sollte man immer zügig und notfalls auch unvollständig informieren. Des Weiteren wird die Zwei-Wege-Kommunikation (top-down und bottom-up) grundsätzlich als besser empfunden. 
Die Kommunikation sollte immer top-down und bottom-up erfolgen, um Vertrauen durch ein Geben und Nehmen zu erzeugen.
Nach Mast[9] eignen sich partizipative Kommunikationsprozesse besser für Möglichkeiten zur Fragenstellung und Meinungsaustausch. Je größer die Gefahr, dass sich in den Zielgruppen Emotionen aufbauen, desto kleiner sollte der Teilnehmerkreis für Kommunikationsmaßnahmen sein. Außerdem sollte man ständig aktuelle Informationen bieten, um das Gefühl passiver Betroffenheit zu mindern. Denn Zögern und Vertrösten ist gefährlich: Die Verzögerung von Information wirkt wie Nicht-Wollen. Vorhandene Informationen sollte man sofort mitteilen, aber auch ansprechen, was noch nicht bekannt ist. Das „Was“ ist dabei zunächst wichtiger als das „Warum“. Ausweichende Antworten schaffen Misstrauen. Nichtsdestotrotz ist ein klarer Zeitplan für die einzelnen Schritte des Veränderungsprozesses erforderlich. Abweichungen müssen erklärt werden. Die Situation sollte dabei weder dramatisiert noch verharmlost werden, denn dies kann unerwünschte emotionale Reaktionen auslösen bzw. nicht genügend Reaktion hervorrufen. Auch die Verwendung schwer verständlicher Begriffe kann unter emotionalem Stress zusätzlich negativ wirken. Das gleiche gilt für Reizwörter oder Vergleiche: Sie können Assoziationen in eine nicht gewollte Richtung auslösen.
Auch Kraus/Becker-Kolle/Fischer[10] plädieren für Einfachheit in der Wortwahl: Keine Fremdwörter, Fachbegriffe und kein Jargon. Andererseits halten sie Metaphern, Beispiele und Analogien für ein sinnvolles Mittel zur Visualisierung und Verdeutlichung von Kommunikationsinhalten. Des Weiteren befürworten sie eine Ansprache auf verschiedenen Ebenen (sachlich, emotional) und in verschiedenen Foren: Stetige Wiederholung auf verschiedenen Medien und Ebenen führe zu einer Verinnerlichung der Veränderung. Glaubwürdigkeit, Vertrauen und stetige Wiederholung zur Verinnerlichung der Veränderung sind nach ihrer Meinung die drei Eckpfeiler einer erfolgreichen Kommunikation in Veränderungsprozessen.
Nagel[11] betont, dass die Kommunikation einer klaren Linie folgen muss. Dabei spielt Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit eine wichtige Rolle, um glaubwürdig zu bleiben, was aber nicht heißt, dass man alle Informationen preisgeben muss. Auch sie legt Wert auf kontinuierliche Kommunikation: Wenn man keine Fakten zu berichten hat, so doch Prozesse und nächste Schritte.

Literatur

Bernecker, T./ Reiss, M. (2002): „Kommunikation im Wandel“, in: zfo 2002, S. 352ff.
Deekeling, E./ Barghop, D. (2008): „Kommunikation im Corporate Change: Maßstäbe für eine neue Management-Praxis”, 2. Auflage, Gabler Verlag Wiesbaden.
Doppler, K./ Lauterburg, C. (2002): “Change Management: Den Unternehmenswandel gestalten”, 10. Auflage, Campus Verlag Frankfurt a.M.
Kotter, J. P. (1996): „Leading Change“, Harvard Business School Press New York.
Kraus, G./ Becker-Kolle, C./ Fischer, T. (2006): “Handbuch Change-Management: Steuerung von Veränderungsprozessen in Organisationen. Einflussfaktoren und Beteiligte. Konzepte, Instrumente und Methoden”, Cornelsen Verlag Scriptor Berlin.
Lewin, K. (1931): „Die psychologische Situation bei Lohn und Strafe“, Hirzel Verlag Leipzig.
Mast, C. (2008): “Unternehmenskommunikation: ein Leitfaden”, 3. Auflage, Lucius & Lucius Verlag Stuttgart.
Meckel, M./ Schmid, B. F. (Hrsg.) (2008): „Unternehmenskommunikation: Kommunikationsmanagement aus Sicht der Unternehmensführung“, 2. Auflage, Gabler Verlag Wiesbaden.
Mörbe, S./ Volejnik, U./ Schoop, S./ Lies, J. (2011): „Erfolgsfaktor Change Communications: Klassische Fehler im Change-Management vermeiden“, Gabler Verlag Wiesbaden.
Nagel, K. (2010): „Ausnahmefall - Kommunikation in Sondersituationen“, Linde Verlag Wien.
Schmidt-Tanger, M. (2005): „Veränderungscoaching – Kompetent Verändern“, Junfermann Verlag Paderborn.
Stolzenberg, K. / Heberle, K. (2006): „Change Management: Veränderungsprozesse erfolgreich gestalten - Mitarbeiter mobilisieren“, Springer Verlag Heidelberg.

Weblinks

  • Wikipedia - "Die freie Enzyklopädie" ist im Internet erreichbar unter www.wikipedia.org

Fußnoten und Einzelnachweise

[1] Anstatt vieler J. P. Kotter, „Leading Change“, Seite 33 ff.
[2] Anstatt vieler M. Schmidt-Tanger, “Veränderungscoaching”, Seite 38.
[3] E. Deekeling/ D. Barghop, „Kommunikation im Corporate Change“, Seite 20 ff.
[4] Nach K. Nagel, “Ausnahmefall - Kommunikation in Sondersituationen”, Seite 37 ff.; M. Schmidt-Tanger, “Veränderungscoaching”, Seite 38; G. Kraus/ C. Becker-Kolle/ T. Fischer, “Handbuch Change-Management”, Seite 132; K. Doppler/ C. Lauterburg, “Change Management”, Seite 360 ff.; M. Meckel/B.F. Schmied, "Unternehmenskommunikation", Seite 229 f.
[5] C. Mast, “Unternehmenskommunikation”, Seite 394 f.
[6] T. Bernecker/ C. Reiss, “Kommunikation im Wandel”, Seite 352 ff.
[7] K. Lewin, “Die psychologische Situation bei Lohn und Strafe”.
[8] M. Schmidt-Tanger, “Veränderungscoaching”, Seite 40 ff.
[9] C. Mast, “Unternehmenskommunikation”, Seite 394 f.
[10] G. Kraus/ C. Becker-Kolle/ T. Fischer, “Handbuch Change-Management”, Seite 132.
[11] K. Nagel, “Ausnahmefall - Kommunikation in Sondersituationen”, Seite 37 ff.