Integrität

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Integrität ist ein Personenmerkmal. Der Begriff beschreibt das Ausmaß, in welchem die Handlungen einer Person mit deren Äußerungen und Werten übereinstimmen. Integrität stammt aus dem Lateinischen von „integritas“ und bedeutet übersetzt „unversehrt“, „intakt“, „vollständig“ und wird häufig mit der Eigenschaft Unbestechlichkeit gleichgesetzt.[1] Der Begriff Integrität wird in verschiedenen Zusammenhängen mit je eignen Bedeutungsschattierungen verwendet, wie z.B. in der Informatik, Politik oder Ethik.


Begriff

Bedeutung

In der Wissenschaft finden sich mehr oder weniger prägnante Akzentsetzungen bei der Begriffsbestimmung. Alle Definitionen rekurrieren auf die Übereinstimmung von Wort und Tat. So bezeichnet beispielsweise Simons Integrität als „Behavioural Integrity“. [2] Mayer et al. rekurrieren auf die Wertbasis der Integrität. Hierbei differenzieren sie zwischen persönlicher und moralischer Integrität. Während die persönliche Integrität auf den eigenen Wertvorstellungen basiert, rekurriert die moralische Integrität auf die Wertvorstellungen des Gegenübers. [3] Becker betrachtet Integrität aus der Sicht des Objektivismus. Demnach orientiert sich integres Handeln einer Person an allgemein gültigen Werten.[4]

Ähnliche Begriffe

Psychologischer Vertrag

Ein Psychologischer Vertrag ist ein gegenseitiger, ungeschriebener Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die ungeschriebenen Vereinbarungen beruhen auf expliziten oder impliziten Annahmen:

  • Explizite Annahmen: Versprechungen wurden konkret geäußert.
  • Implizite Annahmen: Versprechungen wurden aufgrund von Verhaltensweisen abgeleitet.[5]

Der psychologische Vertrag begrenzt sich auf die Verhaltensweisen gegenüber den unmittelbar betroffenen Akteuren. Die Verhaltensweisen gegenüber Dritten (z.B. Arbeitskollegen) werden nicht berücksichtigt. Wenn der eigene Chef die explizit oder implizit getroffenen Versprechungen gegenüber einer anderen Person (z.B. einem Kollegen) nicht einhält, hat das - so die Unterstellung - keine Auswirkungen auf den Psychologischen Vertrag zwischen dem Chef und der eigenen Person. Tatsächlich leidet unter einem solchen Verhalten allerdings die Integrität des Chefs. [6]


Ehrlichkeit

Nach Rand (1957) beruht Ehrlichkeit auf der Annahme, dass es eine Wahrheit gibt.[7] Ehrlichkeit ist eine wichtige Voraussetzung für Integrität. Ehrlichkeit kann oft allein aufgrund von Worten beurteilt werden. Die Beurteilung der Integrität setzt zusätzlich die Beurteilung einer Handlung voraus, die auf gewissen (allgemein akzeptierten) Werten beruht. [4] So sind Führungskräfte ehrlich zu ihren Mitarbeitern, wenn sie ihnen offen mitteilen, dass sie die Produktion aus Deutschland nach Indien verlagern, weil die Arbeitskräfte dort günstiger sind. Integer ist dieses Verhalten nur bedingt, es setzt voraus, dass sich die Notwendigkeit der Kostenersparnis gut begründen lässt.


Glaubwürdigkeit

Bei der Betrachtung von Glaubwürdigkeit beurteilt man die Verlässlichkeit von Aussagen und Taten in der Zukunft.[8] Im Gegensatz dazu wird in der Beurteilung von Integrität die Übereinstimmung von Worten und/oder Werten mit Handlungen in der Vergangenheit betrachtet. Die Versicherung des Managements, dass sich die Mitarbeiter um den Erhalt ihrer Jobs keine Gedanken machen müssen, wird anhand der Glaubwürdigkeit beurteilt, die man dem Management zuschreibt. Stellt sich heraus, dass die Versprechungen nicht eingehalten worden sind, dann beeinträchtigt dies die Integrität des Managements.


Gewissenhaftigkeit

Gewissenhaft zu sein, bedeutet organisiert, vorsichtig, zielorientiert und fleißig zu sein.[9] Integritätstests zeigen, dass Gewissenhaftigkeit stark mit Integrität korreliert. Allerdings ist es möglich integer zu sein, ohne dabei gewissenhaft zu handeln. Wem eine strikte Trennung von Arbeit und Privatem wichtig ist, der wird am Wochenende keine beruflichen Telefonate oder Emails beantworten, auch wenn die Bearbeitung aufgrund ihrer Wichtigkeit für eine gewissenhafte Aufgabenerfüllung notwendig wäre.


Vertrauen

Vertrauen ist die Bereitschaft, sich einer anderen Person gegenüber verletzlich zu machen.[3] Integrität ist eine Determinante von Vertrauen. In einem Veränderungsprozess ist die Integrität der Vorgesetzten besonders wichtig, damit die Mitarbeiter Vertrauen in diese aufbauen und daran glauben können, dass die Veränderungen notwendig sind.

Empirie

Verbreitung

Integrität Weltweit und in Deutschland

Ein wesentliches Element der Integrität ist Unbestechlichkeit. Aus der Verbreitung von Korruption ergibt sich entsprechend ein Hinweis über die empirische Bedeutung integren Verhaltens. Eine korrupte Person ist bestechlich und nutzt eine Vertrauensstellung zum eigenen Vorteil aus. Nicht die eigenen Werte und Prinzipien bestimmen das Handeln dieser Person, sondern ausschließlich der potentiell für die Person entstehende Nutzen.[10]

Transparency International erhebt seit 1995 den Korruptionswahrnehmungsindex, der die wahrgenommene Korruption in Wirtschaft, Politik und Verwaltung misst. Dem Index liegen 13 Einzelindizes von 12 unabhängigen Institutionen zugrunde, deren Daten auf Interviews, Umfragen und weiteren Untersuchungen fußen.[11]

Der Studie ist zu entnehmen, dass Europa, Nordamerika und Australien weniger korrupt sind als weite Teile Südamerikas, Afrikas und Asiens. Im Jahr 2018 vermeldet Transparency International eine erhöhte Wahrnehmung der Korruption im Vergleich zum Vorjahr. Deutschland erreicht mit 80 von 100 möglichen Punkten einen Punkt weniger als im Vorjahr und besetzt damit Rang 11 (im Hinblick auf geringe Korruption) von insgesamt 180 ausgewerteten Ländern. In Deutschland wird insbesondere eine undurchsichtige Entscheidungsfindung in politischen Prozessen wahrgenommen.[11]


Integrität im Unternehmenskontext

Integrität hilft Unternehmen, die Legitimität zu wahren und steht für Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Transparenz gegenüber den eigenen Mitarbeitern, dem Kunden und der Gesellschaft. Entsprechend wichtig ist die Integrität der Mitglieder einer Organisation. Verschiedentlich setzen Unternehmen (vor allem in den USA) Integritätstests bei der Auswahl neuer Mitarbeiter ein. In offenkundigen Tests werden explizit Überzeugungen rund um Fehlverhalten und Ehrlichkeit abgefragt. Eigenschaftsorientierte Tests enthalten Items zur Einschätzung von Zuverlässigkeit, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, soziale Konformität und Feindseligkeit.[12][13][14]

Ziel der Tests ist es, durch die Messung der Integrität die zukünftige Arbeitsleistung der Bewerbenden vorherzusagen. Der positive Zusammenhang zwischen Integrität und der Arbeitsleistung ist vielfach nachgewiesen.[15][6]


Integrität bezogen auf Geschlecht und Alter

Ones, Viswesvaran und Schmidt (1993) ermittelten in einer in Amerika durchgeführten Meta-Analyse unterschiedlich hohe Integrität in Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht. Probanden im Alter von über 40 Jahren weisen danach eine höhere Integrität auf als die Probanden im Alter von unter 40 Jahren. Des Weiteren schneiden Frauen in Integritätstests durchschnittlich besser ab als Männer.[13]

Determinanten

Persönlichkeitsbestimmung

Integritätstest bedienen sich psychologischer Erkenntnisse zur Persönlichkeitsbestimmung. Zur Erläuterung der Determinanten eignet sich insbesondere das HEXACO-Modell, welches in Erweiterung des bekannten und viel verwendeten OCEAN-Modell die sechste Dimension „Honesty-Humility“ (Ehrlichkeit-Demut) mit aufnimmt.[15]

Es besteht demnach aus sechs Dimensionen:

  • Openness (Offenheit für Erfahrungen)
  • Conscientiousness (Gewissenhaftigkeit)
  • Extraversion (Geselligkeit)
  • Agreeableness (Verträglichkeit)
  • Neuroticism (Neurotizismus)
  • Honesty-Humility (Ehrlichkeit-Demut)

Die größte Korrelation besteht zwischen Honesty-Humility und Integrität, worauf Conscientiousness, Agreeableness und Neuroticism folgen.[15]


Situative Variablen

Die Integrität von Personen ist situationsabhängig. In Integritätstest wird anhand von vorgegebenen Situationen die Ehrlichkeit beziehungsweise Unehrlichkeit der Probanden ermittelt. Die Probanden verhalten sich dabei je nach der in Frage stehenden Situation unterschiedlich. Man kann davon ausgehen, dass dies auch in realen Situationen gilt, dass Personen sich also in Abhängigkeit von der Situation mehr oder weniger integer verhalten. [16]

Wirkungen

Kannan-Narasimhan und Lawrence (2012) untersuchten Auswirkungen von Integrität im organisationalen Kontext. Integrität auf gehobener Management-Ebene wirkt sich danach positiv auf das Vertrauen ins gehobene Management und auf das organisatorische Engagement aus. Außerdem ist die Integrität des gehobenen Managements eine starke Gegenkraft gegen die Entwicklung von organisatorischem Zynismus. Organisatorischer Zynismus ist eine negative Haltung gegenüber dem Arbeitgeber. Integrität auf der mittleren Management-Ebene fördert das Vertrauen in das mittlere Management und wirkt sich außerdem positiv auf das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter aus. Vertrauen in das mittlere Management steigert das Vertrauen auch in das gehobene Management und vermindert zugleich organisatorischen Zynismus.[6]


Simons (2002) untersuchte den Zusammenhang zwischen verschiedenen Einstellungen der Mitarbeiter mit der Profitabilität des Unternehmens Er ermittelte die höchste Korrelation für die Beziehung zwischen Integrität und Profitabilität. Integrität der Mitarbeiter wäre demnach ein besserer Indikator für die Profitabilität eines Unternehmens als Fairness, Engagement oder die allgemeine Zufriedenheit.[2] Begründen lässt sich dieses Ergebnis durch die vertrauensbildende Wirkung integren Verhaltens, woraus Identifikation und Leistungsbereitschaft erwächst.

Theorie

Ausgewählte Theorie: Aussagen

Die Theorie der Selbstbestätigung

Steele hat mit der Theorie der Selbstbestätigung die Theorie der Kognitiven Dissonanz von Leon Festinger erweitert. Von grundsätzlicher Bedeutung ist bei Steele das Selbstbild eines jeden Menschen, welches aus Werten, Rollen und Glaubensüberzeugungen besteht. Rollen umfassen Verantwortlichkeiten, die eine Person als beispielsweise Freund, Arbeitnehmer oder Elternteil hat. Werte sind Bestrebungen, nach denen Menschen leben, beispielsweise gesund zu leben oder andere Menschen mit Respekt zu behandeln. Glaubenssysteme umfassen Ideologien, wie z.B. religiöse oder politische Überzeugungen. Selbstintegrität kann somit unterschiedliche Formen annehmen, wie beispielsweise ein unabhängiges, hilfsbereites Mitglied der Gemeinschaft oder ein fürsorgliches Elternteil in der Familie zu sein. Das Selbstbild kann durch Situationen oder Informationen bedroht werden, in denen die Person vor die Herausforderung gestellt wird, in einem persönlich relevanten Bereich nicht gut genug oder nicht angemessen zu sein. Die Theorie der Selbstbestätigung geht davon aus, dass Personen, die einer Bedrohung ihres Selbstbilds ausgesetzt sind, motiviert sind, ein positives globales Bild von sich selbst zu bewahren. Anstatt ein Selbstbild zu haben (Ich bin ein guter Elternteil) geht behauptet die Theorie der Selbstbestätigung, dass Menschen flexibel definieren in welchen Rollen sie auftreten (Bsp. Ich bin ein guter Elternteil, Arbeitnehmer, Freund...). Das flexible Selbstbild erlaubt es Menschen, Schwächen eines Selbstbilds durch Hervorhebung anderer Selbstbilder auszugleichen. [17] [18]

Steele formuliert insgesamt drei Annahmen:

1) Wird das Selbstbild eines Menschen bedroht, wird dadurch das Motiv geweckt, die Bedrohung der Selbstintegrität abzuwehren. Die Bedrohungen können verschiedene Ursachen haben: Informationen aus der Umwelt, das Verhalten Anderer der Person gegenüber, das Urteil Anderer über die Person, das eigene Verhalten (z.B. das Scheitern bei einer Aufgabe) oder durch Erkenntnisse, die wir als Antwort auf bestimmte Situationen gewinnen. [17]

2) Die wahrgenommene Dissonanz kann durch Veränderungen des Verhaltens oder durch Veränderung der Kognitionen reduziert werden, die die Bedrohung direkt adressieren und/oder die Bedrohung nicht adressieren, sondern positive Aspekte der eigenen Personen herausstellen um sich damit ein positives Selbstbild zu erhalten. Damit dieser Prozess effektiv abläuft, müssen diese positiven Selbstbilder für die Selbstwahrnehmung des Einzelnen mindestens so wichtig sein, wie die Bedrohung durch die negativen Bilder. [17]

3) Die Mittel der Selbstbestätigung werden durch deren Verfügbarkeit bestimmt, d.h. das Ausmaß, in dem ein bestimmtes Mittel in der Wahrnehmung, im Gedächtnis oder in der Vorstellungskraft des Einzelnen zugänglich ist. Unter gleichwertig verfügbaren Optionen entscheidet die Gegenüberstellung ihres relativen Effektivitäts-/Kostenverhältnisses. [17]

Ausgewählte Theorie: Mechanismus

Im Folgenden wird die Gesamtheit der gegebenen Bedingungen, unter denen die Theorie der Selbstbestätigung abläuft, betrachtet. Hierzu zählen die einzelnen Teilelemente im Ablauf und ihr Ineinandergreifen, das Wirkprinzip, das Wertespektrum der Variablen, die Geltungsbedingungen, mögliche Störgrößen sowie die Auslösebedingungen, die dafür sorgen, dass der Mechanismus überhaupt in Gang kommt.


Einzelne Teilelemente im Ablauf

Integres und nicht-integres Verhalten im Lichte der Theorie der Selbstbestätigung (Eigene Darstellung)


Das Wertesystem

In der Literatur findet man häufig die Unterscheidung zwischen persönlicher und moralischer Integrität, womit der Ursprung der der Handlung zugrunde liegenden Werte lokalisiert wird. Laut McFall (1987) erfordert persönliche Integrität einen Agenten, der sich konsistenten Prinzipien verpflichtet fühlt und auch angesichts von Versuchungen oder Herausforderungen diese Prinzipien einhält. Die persönlichen Ideale können, müssen aber nicht mit den der moralischen Integrität zu Grunde liegenden Werten übereinstimmen, Werten, die sich aus konventionellen, moralischen Standards erschließen und Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Fairness oder Unbestechlichkeit beinhalten. [19]


Die Bedrohung des Selbstbilds

Kognitionen, die die wahrgenommene Integrität des Selbst - d.h. seine adaptive und moralische Angemessenheit - bedrohen, wecken das Motiv, das Selbstbild wiederherzustellen. Die Bedrohung erfolgt durch:

  • Informationen in der Umwelt
  • Das Verhalten anderer zu uns
  • Das Urteil anderer über uns
  • Das eigene Verhalten
  • Aus Erkenntnissen, die wir als Reaktion auf bestimmte Situationen oder Ereignisse erhalten. [17]


Die Handlung

Ausgehend von der Bedrohung des Selbstbilds wird die Entscheidung getroffen, integer zu handeln oder sein Wertesystem anzupassen oder den eigenen Ideale zuwider zu handeln. Die Bedrohung wird folglich entweder eliminiert oder reduziert oder das Selbstbild wird geschädigt. Gemäß der Theorie der Selbstbestätigung kann Letzteres durch Stärkung anderer Elemente des Selbstbilds kompensiert werden, wodurch die generelle Wahrnehmung der Selbstintegrität wiederhergestellt wird. [17]


Wiederherstellung des Selbstbilds

Wenn der Agent nicht-integer handelt und somit seinen eigenen Überzeugungen nicht treu ist, dann kann die Beschädigung des Selbstbilds durch Bekräftigung und Erhaltung anderer wertvoller Selbstbilder kompensiert werden. Damit eine Kompensation möglich ist, müssen diese Bilder für die Selbstwahrnehmung des Einzelnen mindestens so wichtig sein, wie die Bedrohung der innewohnenden negativen Bilder.[17] Dabei werden die Mittel der Selbstbestätigung durch deren Verfügbarkeit bestimmt, d.h. den Grad, in dem eine bestimmte Anpassung in der Wahrnehmung, im Gedächtnis oder in der Vorstellungskraft des Einzelnen zur Stärkung oder Ehaltung des Selbstbilds zugänglich ist. Zwischen gleichwertig verfügbaren Optionen entscheidet die Gegenüberstellung ihres relativen Effektivitäts-/Kostenverhältnisses. [20] [21].


Art des Ineinandergreifens

Theoretisch läuft der Mechanismus gemäß der Schaubilds sequentiell ab. Aufgrund der verschiedenen Rollen, die die handelnde Person einnehmen kann, entstehen jedoch wechselseitige Beziehungen. Im Arbeitskontext kann beispielsweise nicht immer klar differenziert werden ob man als guter Arbeitnehmer oder als guter Arbeitskollege handelt. Auch durch den Kontakt mit anderen Menschen ergeben sich beständig neue Situationen. Dadurch entstehen Feedbackschleifen, die eine Entscheidung aufgrund des relativen Effektivitäts- / Kostenverhältnisses ermöglichen.


Auslösebedingung

Die Auslösebedingung ist das Gefühl der Bedrohung des Selbstbildes, wodurch ein Unwohlsein bei der betroffenen Person ausgelöst wird. Dieses Unwohlsein kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, weshalb der Mensch danach strebt, seine wahrgenommene Selbstintegrität wiederherzustellen. [17]


Wirkprinzip

Wenn das eigene Selbstbild bedroht wird, entsteht eine Dissonanz zwischen dem wahrgenommenen Selbstbild und den Anforderungen, die sich aus der Situation ergeben. Wenn solch eine Dissonanz entsteht, strebt der Mensch danach, das eigene Selbstbild zu bestätigen. Um die Dissonanz zu reduzieren, stehen drei verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung: [17]

Wenn das Selbstbild bedroht wird, kann die Bedrohung durch kongruentes Verhalten mit dem eigenen Wertesystem eliminiert werden. Wenn das Wertesystem angepasst wird, kann dadurch die Bedrohung des Selbstbilds reduziert werden. Wenn man inkongruent zu seinem Wertesystem handelt, wird das Selbstbild geschädigt. Wenn das Selbstbild geschädigt wird, kann dieses durch Stärkung und Erhaltung anderer Elemente des Selbstbilds kompensiert werden.

Unter gleichwertig verfügbaren Optionen entscheidet die Gegenüberstellung ihres relativen Effektivitäts- / Kostenverhältnisses. Menschen können das Motiv der Selbstbestätigung anderen Motiven unterordnen. Motive zur Kontrolle und Vorhersagbarkeit der Umwelt oder der persönlichen Ergebnisse können beispielsweise in bestimmten Situationen wichtiger sein als die Selbstbestätigung. [17]


Wertespektrum der Variablen

Gemäß der Definition von Integrität können Menschen entweder kongruent (integer) zu moralischen oder ihren persönlichen Werten handeln oder sie handeln entgegen (nicht-integer) moralischer oder ihrer persönlichen Werte. Die Anpassung des Wertesystems stellt eine Zwischenlösung dar. Im ersten Moment handelt die Person inkongruent zu den zuvor gültigen Werten. Anschließend ist es der Person jedoch möglich, kongruent zu den neuen Überzeugungen zu handeln. Weiterhin ist es möglich, dass eine Person kongruent zu ihrem persönlichen Wertesystem handelt, ohne das dieses Handeln moralisch vertretbar ist. In diesem Fall handelt die entsprechende Person sowohl integer in Bezug auf sich selbst, als auch nicht-integer in Bezug auf konventionelle moralische Standards. In der Folge würde die handelnde Person ihre wahrgenommene Selbstintegrität wahren, sich in den Augen von beobachtenden Akteuren allerdings nicht integer Verhalten. Die eigene Wahrnehmung ist somit inkongruent zum externen Urteil. [19] [17]


Geltungsbedingungen

Der vorgestellte Mechanismus setzt voraus, dass

  • Eine Person sich eigenen persönlichen Idealen oder allgemeingültigen Werten verpflichtet und von dessen Einhaltung überzeugt ist
  • Eine Person innerhalb einer von ihr definierten Rolle handelt
  • Das Selbstbild durch eine oder mehrere der beschriebenen Situationen herausgefordert und bedroht wird


Störgrößen

Störgrößen, die den theoretisch sequentiellen Mechanismus unterbrechen können sind:

  • Rollenkonflikte
  • Neue relevante Akteure
  • Neue Informationen

Diese Störgrößen verursachen, dass der Prozess mit einer Evaluierung der Situation von vorne beginnt.

Anwendung

Bedeutung im Veränderungsprozess

Rafferty, Jimmieson und Armenakis (2013) untersuchten die Veränderungsbereitschaft von Organisationen. Als Einflussfaktoren ermittelten sie externe Faktoren wie die Branche/Industrie, die Technologisierung und die Politik sowie interne Faktoren wie Organizational Support, Führung, Partizipation, Kommunikation und die Organisationsstruktur. Veränderungsprozesse sind oftmals mit Unsicherheit verbunden, weswegen Vertrauen von essentieller Bedeutung in Veränderungsprozessen ist.[22] Wie beschrieben, ist Integrität eine bedeutsame Determinante von Vertrauen, was der Integrität einen großen Stellenwert für das Gelingen organisationaler Veränderungsprozesse verleiht.

Literatur

  • Ajzen, I. (1991). The theory of planned behavior. Organizational behavior and human decision processes, 50(2), 179-211.
  • Alliger, G. M., Lilienfeld, S. O., & Mitchell, K. E. (1996). The susceptibility of overt and covert integrity tests to coaching and faking. Psychological Science, 7(1), 32-39.
  • Rogow, A. A., & Lasswell, H. D. (1963). Power, corruption, and rectitude (p. 67). Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall.
  • Barrick, M. R., & Mount, M. K. (1991). The big five personality dimensions and job performance: a meta‐analysis. Personnel psychology, 44(1), 1-26.
  • Becker, T. E. (1998). Integrity in organizations: Beyond honesty and conscientiousness. Academy of Management Review, 23(1), 154-161.
  • Bentele, G. (1998). Vertrauen/Glaubwürdigkeit. In Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft (pp. 305-311). VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Berry, C. M., Sackett, P. R., & Wiemann, S. (2007). A review of recent developments in integrity test research. Personnel Psychology, 60(2), 271-301.
  • Cropanzano, R., & Mitchell, M. S. (2005). Social exchange theory: An interdisciplinary review. Journal of management, 31(6), 874-900.
  • Festinger, L. (1962). A theory of cognitive dissonance (Vol. 2). Stanford university press.
  • Kannan-Narasimhan, R., & Lawrence, B. S. (2012). Behavioral integrity: How leader referents and trust matter to workplace outcomes. Journal of business ethics, 111(2), 165-178.
  • Marcus, B., Funke, U., & Schuler, H. (1997). Integrity Tests als spezielle Gruppe eignungsdiagnostischer Verfahren: Literaturüberblick und metaanalytische Befunde zur Konstruktvalidität [Integrity tests as a specific group of instruments in personnel selection: A literature review and meta-analytic findings on construct validity]. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 41(1), 2-17.
  • Mayer, R. C., Davis, J. H., & Schoorman, F. D. (1995). An integrative model of organizational trust. Academy of management review, 20(3), 709-734.
  • McFall, L. (1987). Integrity. Ethics, 98(1), 5-20.
  • Nisbett, R. E., & Ross, L. (1980). Human inference: Strategies and shortcomings of social judgment.
  • Ones, D. S., Viswesvaran, C., & Schmidt, F. L. (1993). Comprehensive meta-analysis of integrity test validities: Findings and implications for personnel selection and theories of job performance. Journal of applied psychology, 78(4), 67
  • Rafferty, A. E., Jimmieson, N. L., & Armenakis, A. A. (2013). Change readiness: A multilevel review. Journal of management, 39(1), 110-135.
  • Rand, A. (1957). Atlas shrugged. New York: Random House.
  • Rousseau, D. M., & Greller, M. M. (1994). Guest editors' overview: Psychological contracts and human resource practices. Human Resource Management (1986-1998), 33(3), 383.
  • Ryan A. M., Schmit M. J., Daum D. L., Brutus S., McCormick S. A., & Brodke M. H. (1997). Workplace integrity: Differences in perceptions of behaviors and situational factors. Journal of Business and Psychology, 12, 67–83.
  • Simons, T. (2002). Behavioral integrity: The perceived alignment between managers' words and deeds as a research focus. Organization Science, 13(1), 18-35.
  • Steele, C. M. (1988). The psychology of self-affirmation: Sustaining the integrity of the self. In Advances in experimental social psychology (Vol. 21, pp. 261-302). Academic Press.
  • Tversky, A., & Kahneman, D. (1973). Availability: A heuristic for judging frequency and probability. Cognitive psychology, 5(2), 207-232.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Bibliographisches Institut GmbH, 2019
  2. 2,0 2,1 Vgl. Simons, 2002
  3. 3,0 3,1 Vgl. Mayer et al., 1995
  4. 4,0 4,1 Vgl. Becker, 1998
  5. Vgl. Rousseau & Greller, 1994
  6. 6,0 6,1 6,2 Vgl. Kannan-Narasimhan & Lawrence, 2012
  7. Vgl. Rand, 1957
  8. Vgl. Bentele, 1998
  9. Vgl. Barrick & Mount, 1991
  10. Vgl. Rogow & Lasswell, 1963
  11. 11,0 11,1 Vgl. Transparency International, 2019
  12. Vgl. Marcus et al., 1997
  13. 13,0 13,1 Vgl. Ones & Viswesvaran, 1993
  14. Vgl. Alliger et al., 1996
  15. 15,0 15,1 15,2 Vgl. Berry et al., 2007
  16. Vgl. Ryan et. al, 1997
  17. 17,00 17,01 17,02 17,03 17,04 17,05 17,06 17,07 17,08 17,09 17,10 Vgl. Steele, 1988
  18. Vgl. Festinger, 1962
  19. 19,0 19,1 Vgl. McFall, 1987
  20. Vgl. Nisbett & Ross, 1980
  21. Vgl. Tversky & Kahneman, 1973
  22. Vgl. Rafferty et. al, 2013