Immaterielle Mitarbeiterbeteiligung

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1. Begriffsverständnis und Historie

Der Begriff Mitarbeiterbeteiligung umfasst eine materielle wie auch eine immaterielle Komponente. Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis wird immaterielle Mitarbeiterbeteiligung verstanden als „alle Besonderheiten der innerbetrieblichen Realität, die jenseits der formal-juristisch definierten Handlungsmöglichkeiten der Beteiligten auf eine partizipative Gestaltung der sozialen Beziehungen in der Unternehmung gerichtet sind.“ (Lezius 1985, S. 22). In weiteren Definitionen werden auch gesetzlich verankerte Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern bzw. deren Vertreter dazugezählt (vgl. z.B. Voß/Wilke/Conrad/Hucker 2003, S. 14). Im Zusammenhang mit immaterieller Mitarbeiterbeteiligung trifft man häufig auf das Konzept der betrieblichen Partnerschaft. Der Begriff der betrieblichen Partnerschaft wurde stark von der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft e.V. (AGP) geprägt, die ihn synonym zu Mitarbeiterbeteiligung verwendete und ihn definiert hat als „eine vertraglich vereinbarte Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitern, die allen Beteiligten ein Höchstmaß an Selbstentfaltung ermöglichen soll und geeignet ist, durch verschiedene Formen der Mitwirkung und Mitbestimmung bei entsprechender Mitverantwortung einer Fremdbestimmung entgegenzuwirken.“ (Zitiert nach Gaugler 1999b, S. 7).

Bereits im 19. Jahrhundert gab es die ersten Konzepte zur materiellen und immateriellen Mitarbeiterbeteiligung. Der Nationalökonom Johann Heinrich von Thünen beteiligte seine landwirtschaftlichen Arbeitnehmer bereits 1847/48 an der erwirtschafteten Wertschöpfung. Die von ihm praktizierte Erfolgsbeteiligung gilt bis heute als „Orientierungsbeispiel für die Teilhabe der Mitarbeiter am ökonomischen Erfolg des arbeitgebenden Unternehmens.“ (Gaugler 1999b, S. 12). Im Jahre 1884 führte Heinrich Freese das konstitutionelle Modell einer innerbetrieblichen Mitbestimmung in seiner Jalousie- und Holzpflasterfabrik ein. Zunächst hatte Freese die Einführung einer neuen Fabrikordnung einer Arbeitervertretung respektive dem Fabrikparlament zur Annahme vorgelegt. Dieses Parlament bestand aus dem Werkführer, seinem Vertreter und dem ältesten Arbeiter jeder Werkstatt (die die hergebrachte Ordnung sichern sollten) sowie einem in einer allgemeinen Versammlung gewählten Festausschuss (der das Volk vertreten sollte). Einen aus Arbeitern zusammengesetzten Festausschuss hatte Freese bereits 1879 ins Leben gerufen. Seine originäre Aufgabe lag damals allerdings lediglich in der Organisation des jährlich stattfindenden Sommerfestes bestanden. Das Fabrikparlament hingegen sollte bei Änderungen, allgemeinen Fabrikangelegenheiten oder Streitigkeiten gehört werden (vgl. Freese 1922, S. 2 f.). Freese selbst konstatiert hierzu: „Damit war in meiner Fabrik der Übergang von der absoluten Monarchie zum modernen Verfassungsstaate vollzogen“. (Freese 1922, S. 3). Über die heutige Verbreitung der immateriellen Mitarbeiterbeteiligung gibt es keine systematische Erhebung. Allerdings geht immaterielle Mitarbeiterbeteiligung in deutschen Firmen häufig mit einer materiellen Partizipation einher (vgl. FitzRoy/Kraft 1987, S. 21 ff.). Laut IAB-Betriebspanel aus dem Jahre 2005 haben neun Prozent der Betriebe Systeme Gewinnbeteiligung und zwei Prozent Systeme der Kapitalbeteiligung (vgl. Bellmann/Möller 2006, S. 1).

Zweck

Für die Begründung immaterieller Mitarbeiterbeteiligung gibt es grundsätzlich drei Muster:

  • Die humanistische Begründung
  • Die moralische Begründung
  • Die Begründung mit der organisationalen Effizienz

Die humanistische Begründung ist an den Bedürfnissen und Interessen der Arbeitnehmer orientiert. Die Teilhabe der Mitarbeiter an den Entscheidungen soll dazu beitragen, ihre Bedürfnisse nach Kreativität, Erfolg und sozialer Anerkennung zu stimulieren und ein Gefühl von Kompetenz, Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung fördern. Die moralische Begründung erwächst aus dem Gedanken, dass die Machtasymmetrie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in einer demokratischen Gesellschaft einen Widerspruch darstellt. Durch Partizipation der Mitarbeiter soll dieser Widerspruch abgemildert werden.

Die Optimierung der organisationalen Effizienz als Drittes wird häufig auch als Begründung für Instrumente der immateriellen Mitarbeiterbeteiligung genannt. Hierbei wird beispielsweise berücksichtigt, die Qualität von Entscheidungen zu verbessern, indem Informationsungleichgewichte zwischen dem Management und den Arbeitnehmern vermindert werden. Darüber hinaus sollen durch die Mitwirkung an Entscheidungen infolge einer höheren Akzeptanz weniger Probleme bei der Umsetzung auftreten. Ferner sollen die Motivation gesteigert und die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Management und Mitarbeitern verbessert werden. Erhofft wird sich dadurch die teilweise Ersetzung der Fremdkontrolle durch eine weniger Kosten verursachende Selbstkontrolle. Die immaterielle Mitarbeiterbeteiligung soll schließlich noch die Entfaltung der Mitarbeiterfähigkeiten und das rechtzeitige Erkennen und Fördern ihrer Entwicklungspotentiale ermöglichen (zu Zweck und Zielen vgl.Voß/Wilke/Conrad/Hucker 2003, S. 22; Weidemann 1989, S. 4; Lezius/Beyer 1989, S. 35 ff.).

Varianten und Gestaltungsmöglichkeiten

Entscheidend für den hier zugrunde gelegten Begriff der immateriellen Mitarbeiterbeteiligung ist der Sachverhalt, dass die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer über das gesetzlich fixierte Maß hinausgehen (vgl. Weidemann 1989, S. 8). Von einer vollständigen Systematisierung und Klassifizierung bzw. abschließenden Enumeration der Varianten wird mit Hinblick auf deren Vielzahl und fehlende Erhebungsmöglichkeiten abgesehen (vgl. Weidemann 1989, S. 7).

Im Folgenden (s. Tab. 1) sollen dennoch einige Beteiligungsformen, die in der Praxis existieren, vorgestellt werden, um mit Hilfe dieser Dimensionen unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Abb. 1: Ausprägungen der immateriellen Mitarbeiterbeteiligung

Zur Abstrahierung und Vergleichbarkeit der genannten Formen von Mitarbeiterbeteiligung ist die Differenzierung nach verschiedenen Merkmalen sinnvoll. In folgender Grafik (Abb. 1) werden Formen immaterieller Beteiligung anhand von fünf Dimensionen gekennzeichnet (vgl. Voß/Wilke/Conrad/Hucker 2003, S. 14 f.):

  • der Beteiligungsintensität
  • der Leistungspartizipation
  • der Entscheidung zwischen direkter und indirekter Partizipation
  • der sozialen Rechweite der Beteiligung
  • dem Gegenstandsbereich

Die Wahrnehmung der Beteilungsrechte kann zum einen durch den Mitarbeiter selbst oder durch einen vom ihm gewählten Vertreter erfolgen. Ferner ist die Intensität der Beteiligung bspw. bei einem Vorschlagsrecht des Mitarbeiters schwächer ausgeprägt als bei einem Mitbestimmungsrecht. Der Gegenstandsbereich der Beteiligung kann sich auf das Geschehen an der Basis, bspw. dem Arbeitsplatz oder der Arbeitsgruppe auswirken oder die Unternehmensleitung betreffen. Die soziale Reichweite einer Beteiligung des Mitarbeiters kann schließlich ihn persönlich, seine Arbeitsgruppe, bis hin zum gesamten Unternehmen und dessen Umsystem betreffen.

Da materielle und immaterielle Mitarbeiterbeteiligung in der Realität meist gemeinsam und voneinander abhängig auftreten (vgl. Gaugler 1999a, S. 16), wird darüber hinaus die Dimension der Beteiligungsgrundlage dargestellt. Hierbei soll differenziert werden, ob eine immaterielle Beteiligung bspw. als Folge einer Kapitalbeteiligung des Mitarbeiters auftritt oder losgelöst vom Eigentum an den Produktionsfaktoren einen rein freiwilligen Charakter trägt.

Abb. 1: Ausprägungen der immateriellen Mitarbeiterbeteiligung

Wie in der Abbildung dargestellt, weisen bspw. institutionalisierte Interessenvertretungen und Verwaltungsräte eine eher hohe Intensität der Beteiligung an der Unternehmenspolitik auf. Sie schließen eine Basispartizipation zwar nicht aus, sind vom Grundgedanken aber eher auf Fragen der Unternehmensleitung ausgerichtet. Institutionalisierte Interessenvertretungen und Verwaltungsräte stellen indirekte Partizipationsformen dar, da am Entscheidungsprozess nur gewählte Mitarbeiter beteiligt sind. Die soziale Reichweite kann jeweils als verhältnismäßig hoch eingeschätzt werden, da bei Ausübung des Beteiligungsrechtes soziale Belange vieler Mitarbeiter beeinflusst werden. Unterschiede sind jedoch in der Beteiligungsgrundlage vorhanden. So ist das Recht auf Wahl des Verwaltungsrates im Gegensatz zur institutionalisierten Interessenvertretung nicht an eine Beteiligung am Unternehmenskapital gekoppelt.

Der Einfluss des Verwaltungsrates auf die Entscheidungen der Unternehmensleitung wird im Folgenden als Grundlage für die weiteren Ausführungen kurz näher spezifiziert. Die Mitglieder des Verwaltungsrats werden jährlich in der Betriebsversammlung gewählt. Seine Mitglieder werden paritätisch von den Mitarbeitern und den Gesellschaftern gewählt, wobei der Gesellschafterstatus an den Arbeitsvertrag gebunden ist und eine Mindestzugehörigkeitsdauer zum Unternehmen voraussetzt (vgl. Jaeschke, S. 242 ff.).

Im konkreten Falle der PSI-GmbH, die als Namensgeber für das PSI-Modell fungierte, wurde der Verwaltungsrat mit folgenden Kompetenzen ausgestattet:

  • Miet- und Kaufverträge für Immobilien
  • Investitionen
  • Die Berufung von Prokuristen
  • Beteiligungen und Fusionen mit anderen Unternehmen
  • Gründung neuer Geschäftszweige
  • Die Organisationsstruktur
  • Den Gehaltsrahmen
  • Jahres- und Fünfjahrespläne

Wirkungsvermutungen

Im Folgenden wird eine Hypothese formuliert, welche Auswirkungen aus einer unterschiedlichen Ausgestaltung der o.g. Beteiligungsformen in zwei Unternehmen folgen: So ist bei einem Unternehmen, das eine immaterielle Mitarbeiterbeteiligung auf Ebene der Leitungspartizipation praktiziert (bspw. in Form eines Verwaltungsrates) mit einer höheren organisationalen Effizienz zu rechnen, als bei einem Unternehmen, das eine Mitarbeiterbeteilung eher auf Ebene des Arbeitsplatzes (bspw. beim Arbeitsgruppengespräch) beschränkt.

Anhand folgender Abb. 2 sollen die angenommenen Wirkungszusammenhänge veranschaulicht werden.

Abb 2: Wirkungshypothesen

Eine Mitarbeiterbeteiligung an Entscheidungen auf Leitungsebene, also unternehmenspolitischen Entscheidungen, wird verschiedene Auswirkungen haben. Die Beschaffung von Kapital auf dem externen Kapitalmarkt wird in diesem Rahmen erschwert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Interessen von externen Kapitalgebern und Arbeitnehmern sich unternehmenspolitsch in Teilen sehr unterschiedlich äußern. So werden externe Kapitalgeber in der Regel das Hauptziel der Renditemaximierung verfolgen, die Arbeitnehmer hingegen das Hauptziel der Existenzsicherung (in Form von Arbeitsplatzsicherung und Einkommensmaximierung). Dieses Verhältnis kann als konfliktreich betrachtet werden. Ferner setzt bspw. der Börsengang als Möglichkeit zur Kapitalbeschaffung rechtliche Beschränkungen, da ein Aufsichtsrat wesentliche Rechte des Verwaltungsrats ausübt. Zum anderen wird die Entscheidungsfindung mit einer Erhöhung der Anzahl an Interessengruppen auf Leitungsebene langsamer und konfliktreicher. Beide eben genannten Punkte haben eine negative Wirkung auf die organisationale Effizienz. So werden die Transaktionskosten für Kapitalbeschaffung steigen und die Geschwindigkeit der Abstimmungsprozesse und damit die Reaktionsfähigkeit auf externe Ereignisse abnehmen.

Darüber hinaus werden durch die Ausweitung der Mitarbeiterteilhabe an Entscheidungen der Leitungsebene die Anreize zu unternehmerischem Handeln, d.h. die „mitunternehmerische Führung und Entwicklung [...] als innovations-, umsetzungs- und kooperationserhöhende soziale Beeinflussung und Förderung von Organisationsmitgliedern“ (Wunderer 1999, S. 26) ausgeweitet. Es ist davon auszugehen, dass Mitarbeiter mit einem hohen Entscheidungsspielraum, in dem sie die Interessen des Gesamtunternehmens wahren müssen, eher unternehmerisch Handeln als Mitarbeiter, die lediglich über die Belange ihrer direkten Arbeitsaufgabe bestimmen. Dieser Zusammenhang begründet sich zum Teil auch durch den Aspekt, der steigenden Identifikation mit Entscheidungen der Leitungsebene, respektive der gesamten Unternehmenspolitik. Es scheint plausibel, dass bei einer Entscheidungsfindung mit Teilhabe der Mitarbeiter die Identifikation mit dieser Entscheidung stärker ist und somit das Commitment der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Ferner werden die Entscheidungen auf Ebene der Unternehmensleitung auf Basis des gesamten Unternehmens-Know-hows, nicht lediglich auf dem Wissen der Entscheidungsträger gefällt. Die steigende Informationsverfügbarkeit innerhalb des Unternehmens wird folglich zu einer Zunahme der Entscheidungsqualität auf Leitungsebene führen. Die hier aufgeführten Punkte werden eine positive Wirkung auf die organisationale Effizienz des Unternehmens aufweisen.

Bei einer Abwägung der angenommenen positiven und negativen Wirkungen ist von einer größeren organisationalen Effizienz des Unternehmens auszugehen, wenn die Mitarbeiter an einer Leitungspartizipation teilhaben.

Die hier angestellten Wirkungsvermutungen erfordern die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen. Da diese Voraussetzungen je nach Situation unterschiedlich gestaltet sein können (z.B. Finanzmittelbedarf), sollen im Folgenden die allgemeinen Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsrat-Modells betrachtet werden.

Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsratsmodells

Die oben dargestellten Varianten sind nicht pauschal auf jedes Unternehmen übertragbar. Ihre Funktionsfähigkeit ist an diverse Prämissen geknüpft. Nachfolgend sollen deshalb exemplarisch die wichtigsten Anwendungsvoraussetzungen bei der Institutionalisierung des Verwaltungsrats vorgestellt werden.

Wie bereits in dem Abschnitt 3 bzgl. der Varianten und Gestaltungsmöglichkeiten dargestellt, handelt es sich bei dem Verwaltungsrat um ein Kontrollgremium mit Informations-, Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechten. Um die Funktionsfähigkeit des Modells zu gewährleisten, ist in struktureller Hinsicht zunächst die innerbetriebliche Organisation derart auszurichten, dass die Mitarbeiter an Entscheidungsprozessen teilhaben können. Für die organisationalen Rahmenbedingungen gilt bspw., dass sie dem Verwaltungsrat nicht nur die o.g. Entscheidungsrechte formal einräumen, sondern auch, dass ihm alle für die Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden (Informationsrechte).

Die passende Ausrichtung der innerbetrieblichen Organisation ist eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung zur Funktionsfähigkeit des Verwaltungsrat-Modells. In Bezug auf das Verhalten aller Beteiligten muss weiterhin berücksichtigt werden, dass es in der Realität tatsächlich gelebt wird. Zur Erfüllung dieser „weichen“ Voraussetzung können z.B. Führungskräfte als Botschafter und Promotoren des Modells geschult werden. Unverzichtbar ist in jedem Fall die Einrichtung und Nutzung von Informations- und Kommunikationsprozessen, die allen Beteiligten relevante Informationen zum richtigen Zeitpunkt zugänglich machen und einen Informationsfluss in alle Richtungen (z.B. „Bottom up“ und „Top Down“) ermöglichen (vgl. Lezius 1985, S. 23 f.).

Eine weitere Prämisse in Bezug auf die Einstellung der beteiligten Akteure ist ein Unternehmensklima, in dem gegenseitiges Vertrauen herrscht. Gegenseitiges Vertrauen impliziert zum einen das Vertrauen des Managements in die Handlungsfähigkeit, d.h. in die Kompetenzen und Zusammenarbeit der Mitarbeiter. Gegenseitiges Vertrauen beinhaltet zum anderen aber auch das Vertrauen der Mitarbeiter in die Handlungs- bzw. Kooperationsbereitschaft des Managements, um das Angebot der immateriellen Mitarbeiterbeteiligung anzunehmen. Die Geschäftsführung eines Unternehmen, in dem bspw. traditionell ein autoritärer Führungsstil auf allen Unternehmensebenen gelebt wird und in dem zahlreiche Entscheidungen zuungunsten und gegen den ausdrücklichen Willen der Belegschaft durchgesetzt wurden, wird erheblichen Schwierigkeiten gegenüber stehen, seinen Mitarbeitern die künftige Teilhabe an Entscheidungen glaubhaft zu machen.

Vor dem Hintergrund einer sich ständig verändernden Umwelt scheint das Verständnis des Modells als kontinuierlich zu optimierenden Prozess existenziell für dessen Fortbestand zu sein. Schließlich bewegt sich jede Organisation im Rahmen einer sich verändernden Umwelt, die – zur Sicherung des Fortbestands eines Unternehmens – die Optimierung bzw. Adaption des Modells erfordert (vgl. Lezius/Beyer1989, S. 248 f.). Ob sich eine Anpassung des Modelles als begünstigend oder kontraproduktiv für die Funktionsfähigkeit erweist, ist unter anderem von der Frequenz, mit der Änderungen vorgenommen werden, abhänig. So werden zu häufige Umstellungen das Risiko erhöhen, dass das Vertrauen in die Stabilität und damit der Glaube an die Funktionsfähigkeit des Systems beeinträchtigt werden.

Schließlich sind beim Verwaltungsrat-Modell auch noch rechtliche Voraussetzungen zu prüfen. Die Unternehmensform muss die Implementierung des Gremiums ermöglichen. Das wird kaum gelingen, wenn es sich bei dem Unternehmen um eine Aktiengesellschaft handelt, in der ein gesetzlich vorgeschriebener Aufsichtsrat die o.g. Rechte wahrnimmt.

Tab. 2: Voraussetzungen der Funktionsfähigkeit

Die in Tab. 2 dargestellten Voraussetzungen beziehen sich direkt auf das Verwaltungsrat-Modell. In der Praxis existieren zahlreiche weitere Ausgestaltungen des Instruments der immateriellen Mitarbeiterbeteiligung. Teilweise gelten für sie dieselben Prämissen, teilweise treten von Modell zu Modell weitere Voraussetzungen hinzu. Über die genannten Punkte hinaus ist der Ansatz also auf die speziellen Belange des jeweils betrachteten Unternehmens (bspw. die mit der jeweiligen Betriebsgröße einhergehenden Besonderheiten bei Abstimmungsprozessen) auszurichten.

Kritik

Immaterielle Mitarbeiterbeteiligung ist ein Instrument, für das Unternehmen verschiedene Zielintentionen haben (vgl. Zweck). Die konkreten Ausgestaltungsmöglichkeiten zur partizipativen Gestaltung der sozialen Beziehungen in der Unternehmung sind sehr vielfältig (vgl. Abschnitt 3 Varianten und Gestaltungsmöglichkeiten). Dennoch weisen die unterschiedlichen Varianten Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer Gestaltungsmöglichkeiten auf. Verändert man diese Parameter, entfalten sich – unter gewissen Voraussetzungen – bestimmte Wirkungen, die die Durchsetzung der ursprünglichen Zielintention bei der Einführung des Instruments (z.B. organisationale Effizienz) gefährden. Aber nicht nur bei der Variation der Gestaltungsparameter spielen die Wirkungsvoraussetzungen eine wichtige Rolle. Auch die gesamte Funktionsfähigkeit eines immateriellen Mitarbeiterbeteiligungsmodells erfordert die Erfüllung besonderer Prämissen (vgl. Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit). Für die Beurteilung der Realisierbarkeit des Instruments sind diese essentiell.

Auch die Reversibilität des Instruments ist bei der Implementierung zu beachten. Werden den Mitarbeitern bei einer Rücknahme der Partizipation keine Alternativen respektive Perspektiven geboten, ist die Wirksamkeit dieser Rücknahme fraglich. So wurde nach der Abschaffung des Verwaltungsratesmodells der PSI GmbH insbesondere auf Ebene des unteren und mittleren Managements die immaterielle Beteiligung der Arbeitnehmer zum Teil informell weitergeführt.

Die Frage nach Alternativen, mit denen dieselben Ziele zu geringeren Kosten realisiert werden können (Ökonomie), kann nicht eindeutig beantwortet werden. Der Grund hierfür liegt in der uneinheitlichen Ausgestaltung des Instruments in der Praxis. Zum einen ist das Mitarbeiterbeteiligungsmodell meist speziell auf das Unternehmen zugeschnitten, zum anderen werden oft unterschiedliche Ziele verfolgt.

Neben der Beurteilung der ökonomischen Wirkungen eines immateriellen Beteiligungsmodells sind auch die Neben- und Folgewirkungen zu beachten. Will oder muss das Unternehmen zur Sicherung seiner Überlebensfähigkeit bspw. Kapital am externen Kapitalmarkt ak- quirieren, so werden den Beteiligungsrechten der Mitarbeiter durch gesetzliche Regelungen und die Interessen renditeorientierter Investoren oft Grenzen gesetzt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Unternehmensgröße die Praktikabilität des Instruments beeinflusst. So wird bspw. bei einer steigenden Mitarbeiterzahl bzw. größeren Anzahl an Unternehmensstandorten die konsensualen Entscheidungsfindung schwieriger.

Zur Bewertung der Zweckeignung ist schließlich noch festzuhalten, dass diese wesentlich von der Ausgestaltung der Gestaltungsparameter abhängt. Wie Studien belegen, ist das Instrument der immateriellen Mitarbeiterbeteiligung, zumindest in der Kombination mit Instrumenten materieller Mitarbeiterbeteiligung, durchaus geeignet, einen positiven Beitrag zum ökonomischen Erfolg eines Unternehmens zu leisten (vgl. FitzRoy/Kraft 1987, S. 21 f.). Die Ermöglichung einer Leitungspartizipation fördert daher unter den aufgezeigten Voraussetzungen nicht nur das Ziel der organisationalen Effizienz. Ebenso wird das Ziel, den Widerspruch der Machtasymmetrie in einer demokratischen Gesellschaft abzumildern (moralisches Begründungsmuster) durch die Erhöhung der Entscheidungsbefugnis auf die Ebene des Arbeitsplatzes gefördert. Dies gilt gerade in Anbetracht der in der bundesdeutschen sozialen Marktwirtschaft verankerten starken gesetzlichen Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer (MitbestG, BetrVG etc.) auf Ebene der Unternehmenspolitik.

Literatur

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  • FitzRoy, Felix, R.; Kraft, Kornelius (1987): Mitarbeiterbeteiligung und Mitbestimmung im Unternehmen, Berlin.
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  • Gaugler, Eduard (1999b): Mitarbeiter als Mitunternehmer – Die historischen Wurzeln eines Führungskonzepts und seine Gestaltungsperspektiven in der Gegenwart, in: Wunderer, Rolf (Hrsg.): Mitarbeiter als Mitunternehmer, 1999, S. 3 - 21.
  • Guski, Hans-Günther; Schneider, Hans J. (Hrsg.) (1993): Mitarbeiter-Beteiligung MAB – Handbuch für die Praxis, Band 1.
  • Jaeschke, Dietrich (1987): Beispiele aus der Praxis, in: FitzRoy, Felix, R.; Kraft, Kornelius (Hrsg.): Mitarbeiterbeteiligung und Mitbestimmung im Unternehmen, Berlin, S. 239 – 258.
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  • Lezius, Hans Michael; Beyer, Heinrich (1989): Menschen machen Wirtschaft – Betriebliche Partnerschaft als Erfolgsfaktor, Wiesbaden.
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  • Weidemann, Dieter (1989): Betriebliche Partnerschaft – Ganzheitliche Unternehmensteilhabe, in: Guski, Hans-Günther; Schneider, Hans J. (Hrsg.): Mitarbeiter-Beteiligung MAB – Handbuch für die Praxis, Band 1, 1993, 9200.
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