Humanvermögensrechnung

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Zum Begriff „Humanvermögensrechnung“

Für den ursprünglich aus dem englischsprachigen Raum stammenden Begriff „Human Resource Accounting“ (bzw. „Human Asset Accounting“) werden im Deutschen die Ausdrücke „Humanvermögensrechnung“, „Humankapitalrechnung“ oder „Humanpotentialrechnung“ synonym verwendet. Hierbei handelt es sich um verschiedene, zum Teil kontroverse Konzepte über eine systematische und regelmäßige Erfassung der Kosten und Bewertung menschlicher Ressourcen eines Unternehmens. Der Faktor Personal beeinflusst entscheidend den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. In einem zunehmend globalen Markt werden Ressourcen und Produktionstechnologien frei zugänglich und austauschbar, während engagierte, motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter häufig zum wichtigsten Erfolgs- und Wertschöpfungsfaktor eines Unternehmens werden. Im konventionellen Rechnungswesen findet man jedoch kaum Informationen über den ökonomischen Wert der menschlichen Ressourcen eines Unternehmens. Die Humanvermögensrechnung (HVR) versucht, das traditionelle Rechnungswesen um diese Informationen zu ergänzen, indem sie eine Wertgröße für das in einem Unternehmen tätige Personal mit seinem Leistungspotential ermittelt.


Historische Entwicklung

Mitte der 60er Jahre begannen amerikanische Forscher darüber nachzudenken, wie das traditionelle Rechnungswesen um die Humanressourcen-Komponente erweitert werden könnte. Dieses Forschungsgebiet wurde als Human Resource Accounting bezeichnet. Besondere Aufmerksamkeit erlangten u.a. die Arbeiten von Likert, Brummet, Flamholtz und Pyle. Die in den USA entstandene Diskussion wurde dann in Deutschland unter der Bezeichnung Humanvermögensrechnung (HVR) weitergeführt. Wesentlicher Gegenstand der Forschung war die Frage, inwieweit die ausgearbeiteten Bewertungsverfahren in der Lage sind, den „tatsächlichen“ okönomischen Wert des Humanvermögens abzubilden. Die Grundgedanken der HVR und ihre Verbreitung wurden besonders von Herbert Schmidt und Meinolf Dierkes gefördert. Sie versuchten die kausalen Zusammenhänge zwischen der HVR, dem Personalmanagement und der Rechnungslegung herzuleiten. Hier liegt der wesentliche Unterschied zwischen der amerikanischen und der deutschen Betrachtungsweise der HVR. In Deutschland war man nicht so sehr an der Entwicklung einer speziellen Rechnungslegung für das Humankapital interessiert, sondern betrachtete HVR im Rahmen der gesellschaftsorientierten Rechnungslegung.

Aufgaben und Ziele

Oberstes Ziel der HVR ist die Ermittlung von Wertgrößen über das in einem Unternehmen tätige Personal, die sowohl für die externe Kommunikation wie auch für die interne Steuerung eines Unternehmens Verwendung finden können. Die externe Berichterstattung des Humanvermögens soll den Stake- und Shareholdern eines Unternehmens zusätzlich zu den in der Bilanz aufgeführten Vermögensgegenständen Auskunft darüber geben, wie es um dessen immaterielle Ressourcen bestellt ist. Da gemäß dem deutschen Handelsgesetzbuch ein generelles Aktivierungsverbot für Humankapital besteht, erfolgt die Information über den Wert des Faktors Arbeit eines Unternehmens zurzeit nur auf freiwilliger Basis z.B. anhand eines detaillierten Konzernlageberichts. Die interne HVR dient als Entscheidungshilfe für ein optimales Personalmanagement. Hierbei werden Kosten und Wertbeiträge vergangener wie zukünftiger Personalinvestitionen gegeneinander abgewogen. So kann die HVR z.B. verdeutlichen, inwieweit eine bestimmte Personalentwicklungsmaßnahme zur Steigerung des Humanvermögens beitragen kann. Somit kann die HVR als ein entscheidungsunterstützendes Informationssystem aufgefasst werden, das ein effizientes und effektives Personalmanagement in einem langfristigen Kontext unterstützen soll.


Bewertungsprinzipien

Im Folgenden werden die bedeutendsten Bewertungsmethoden – unterteilt in kosten- und wertorientierte Verfahren – kurz erläutert. Die folgende Grafik zeigt die einschlägigen Bewertungskonzepte der HVR auf:


Bewertungsprinzipien der Humanvermögensrechnung.jpg

Kostenorientierte Modelle (Human Resource Cost Accounting)

Kostenorientierte Modelle (auch als inputorientierte bezeichnet) sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht direkt das effektive Leistungspotential eines Mitarbeiters (MA) erfassen, sondern diese Größe auf indirektem Wege – durch die Darstellung der Kosten – zu ermitteln versuchen. Dies geschieht mittels der Erfassung und Messung aller personalbezogenen unternehmerischen Aufwendungen (z.B. Personalakquisition oder -entwicklung, Kosten für den Ersatz eines MA).

Bewertung mit Anschaffungskosten (Brummet/Flamholtz/Pyle 1968)

Bei diesem Verfahren wird das Humanvermögen mit den tatsächlichen, in der Vergangenheit angefallenen Kosten (Erwerb, Entwicklung, Erhaltung der MA) bewertet und über die erwartete Nutzungsdauer abgeschrieben. Die Kosten werden dabei in den jedem MA direkt zurechenbaren Teil und in den Gemeinanteil gespalten. Neben der unmittelbaren Schwierigkeit, anfallende Kosten jedem MA verursachungsgerecht zuzuordnen, ist kritisch zu bemerken, dass die Methode vergangenheitsorientiert ist. Somit werden zukünftige durch MA erzielte Erträge nicht berücksichtigt. Trotz wesentlicher Mängel, stellt diese Methode dennoch eine praktikable Methode zur Erfassung des Humanvermögens dar und wurde bereits in einigen amerikanischen Unternehmen angewendet.

Bewertung mit Opportunitätskosten (Hekimian/Jones 1967)

Die zentrale Annahme dieses Ansatzes ist, dass jedes Vermögen als knappe Ressource nur dann einen Wert besitzt, wenn es eine alternative Verwendungsmöglichkeit für dieses Vermögen gibt. Um den Wert eines MA feststellen zu können, schlagen die Autoren vor, simulierte unternehmensinterne Versteigerungen durchzuführen, indem verschiedene Abteilungen um einzelne MA konkurrieren. Durch die Addition der maximalen Angebotspreise ergibt sich das Humanvermögen als ein Wert, der den entgangenen Nutzen einer alternativen Verwendung (Opportunitätskosten) einzelner MA abbildet. Somit werden bei diesem Verfahren nur die MA bewertet, die als knappe Ressourcen gesehen werden. MA, die ohne Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt beschafft werden können oder Spezialisten, die die Abteilung nicht beliebig wechseln können, werden nicht erfasst und damit auch nicht bewertet.

Bewertung mit Wiederbeschaffungskosten (Flamholtz 1974)

Der Wert des Humanvermögens soll erfasst werden, indem man die Kosten ermittelt, die ent-stünden, wenn ein MA seine Stelle verlassen und durch einen neuen gleichwertigen MA ersetzt werden müsste. Dabei können die Kosten personenbezogen aufgezeichnet werden, indem man Kenntnisse und Fähigkeiten des ausscheidenden MA als Vergleichsgrundlage heranzieht, oder stellenbezogen, indem die stellenspezifische Anforderungen bewertet werden. Die Bewertung des Humanvermögens erfolgt zu aktualisierten Anschaffungskosten.

Möglichkeiten und Grenzen der HVR am Beispiel der Bewertung mit Wiederbeschaffungskosten

Wie oben aufgeführt, liegt dieser Bewertungsmethode die Überlegung zugrunde, dass ein gleichwertiger MA-Stamm am Markt neu beschafft werden müsste. Die Berechnung beruht auf drei Kostenkomponenten:

1) Kosten für die Rekrutierung neuer MA;
2) Kosten für das Training neuer MA und
3) Kosten für den Produktivitätsverlust.

Durch die Addition dieser Komponenten werden die Wiederbeschaffungskosten des Humankapitals berechnet. Folgendes Beispiel veranschaulicht diese Bewertung:


Wiederbeschaffungskosten.jpg

Die Rekrutierungskosten werden als Prozentsatz vom Jahresgehalt auf der Basis von Erfahrungswerten der Personalabteilung ermittelt. Die Trainingskosten variieren nach Funktionsbereichen, so wird angenommen, dass die MA im Produktionsbereich kein spezielles Trainingsprogramm brauchen. Man geht davon aus, dass die MA nicht sofort die hundertprozentige Produktivität erreichen. Die bis dahin fehlende Effizienz wird in dem fiktiven Produktivitätsverlust abgebildet. Aus der Summe der Kosten für Rekrutierung, Training und Produktivitätsverlusten wird anschließend der Wert des Humanvermögens berechnet. In der obigen Darstellung beträgt die Gesamtsumme der Kosten und damit das gesamte Humanvermögen des Unternehmens 1.283.500 Euro. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Probleme bei der stellenbezogenen Bewertung des Humanvermögens durch die Subjektivität der erhobenen Daten hervorgerufen werden. Es ist zwischen der stellenbezogenen und personenbezogenen Bewertung zu differenzieren. Bei der personenbezogenen Erfassung der Kosten stellt sich grundsätzlich die Frage, wie bestimmte Merkmale der zu bewertenden Person in monetären Größen realistisch abgebildet werden können. Denn wie lässt sich ein MA mit seinen persönlichen Kenntnissen, Fähigkeiten, Berufserfahrungen und einer Fülle von psychomotorischen, kognitiven und affektiven Eigenschaften erfassen und monetär zum Ausdruck bringen? Und - angenommen diese Bewertungsproblematik ließe sich lösen – wie kann das Leistungspotential des neuen MA adäquat gemessen werden? Aufgrund von teilweise unlösbaren Bewertungsproblemen und aufwändiger Datenermittlung wurde der Ansatz von Flamholtz kaum in der Praxis angewendet und nicht weiterentwickelt. Jedoch kann diese Methode als Informationssystem für das Personalmanagement dienen, indem sie Daten über die monetären Vor- und Nachteile einer internen oder externen Stellenbe-setzung bzw. über die Kosten einer unbesetzten Stelle liefert.

Wertorientierte Modelle (Human Resource Value Accounting)

Die wertorientierten Ansätze der HVR beziehen sich auf die Leistungsbeiträge der MA für die Organisation. Je nach Verfahren gründet sich die Ermittlung wertbasierter Daten sowohl auf vergangene wie auch auf zukünftige Zeitabschnitte. Wertorientierte Verfahren werden auch als outputorientierte Verfahren bezeichnet. Neben den drei im Folgenden erläuterten Verfahren gibt es eine Vielzahl modifizierter und weiterentwickelter Methoden zur Ermittlung des Humankapitals. Hierzu zählen u.a. die Methode der zukünftigen Unternehmensgewinne (Brummet/Flamholtz/Pyle), die Bestimmung mittels individueller und organisationstypischer Wertdeterminanten (Flamholtz) oder das Konzept der Workonomics (Strack).

Firmenwert-Methode (Hermanson 1964)

Der Grundgedanke dieses Ansatzes ist, dass jener Teil des Unternehmensergebnisses, der ü-ber dem Branchendurchschnitt liegt, eine Art „originären Firmenwert“ darstellt, der auf Grund überdurchschnittlich effizienter Mitarbeiter erzielt wurde. Das Humanvermögen ist demnach die Differenz zwischen bilanziellem und tatsächlichem Vermögen (sog. Firmenwert) einer Unternehmung. Zunächst wird die Rentabilität des zur Bewertung stehenden Unternehmens gemessen. Beim Vergleich dieser mit der Durchschnittsrentabilität der Branche ergibt sich eine Gewinndifferenz, deren Kapitalwert mit dem Wert des Humanvermögens gleichzusetzen ist. Da nur die abgelaufene Rechnungsperiode herangezogen wird, ist das Modell rein vergangenheitsbezogen. Eine wesentliche Schwäche dieses Ansatzes ist die Tatsache, dass anstatt der Erfassung des Absolutwertes des Humanvermögens, lediglich jährliche Veränderungen gegenüber dem Branchendurchschnitt erfasst werden. Die Abgrenzung bestimmter Branchen kann kaum zu bewältigende praktische Schwierigkeiten bergen.

Methode der Verhaltensvariablen (Likert/Bowers 1967)

Bei diesem Modell wird versucht, nicht nur der ökonomischen sondern auch der sozialen Dimension des Humankapitals Rechnung zu tragen. Dabei werden die Determinanten des Humankapitals in drei Variablengruppen unterteilt, die in einer Wirkungskette zueinander stehen. Kausalvariablen sind von der Unternehmensführung selbst bestimmbar (z.B. Führungsstil, Organisationsstruktur). Die Gruppe der intervenierenden Variablen (z.B. Betriebsklima, Motivation) wird durch die Kausalvariablen beeinflusst und übt ihrerseits Einfluss auf die sog. Ergebnisvariablen (z.B. Produktivität, Marktanteil) aus. Da dieses Konzept keine absoluten monetären Größen liefert, sondern allein auf der Interpretation der Wirkungszusammenhänge gründet, ist es nur schwerlich in der Praxis einsetzbar: Die Beurteilung der Zusammenhänge erfolgt subjektiv und führt damit unter Umständen (z.B. bei einem Personalwechsel des Verantwortlichen) zu einem falschen Ergebnis.

Methode der zukünftigen Leistungsbeiträge (Flamholtz 1974)

Dieses Bewertungsverfahren definiert das Humankapital als Summe der bewerteten individuellen zukünftigen Beiträge der Belegschaft einer Unternehmung zu deren Gesamtleistung. Der Wert eines MA (individuals value) ist abhängig von der Abfolge der Stellen in der Betriebshierarchie (service levels), seinem dortigen Leistungsniveau (service groups) und der Restdauer seiner Tätigkeit in jeder Position (expected service life). Da nicht in der Vergangenheit verursachte Kosten sondern die künftig zu erwartenden Leistungen der MA betrachtet werden, muss ein Großteil der Daten mittels Eintrittswahrscheinlichkeiten geschätzt werden.

Möglichkeiten und Grenzen der HVR am Beispiel der Methode der zukünftigen Leistungsbeiträge

Die Methode der zukünftigen Leistungsbeiträge nach Flamholtz gilt als bisher differenziertester Ansatz zur Bewertung des Humanvermögens eines Unternehmens. Dieses Verfahren berücksichtigt erstmals die doppelte Abhängigkeit des Humanvermögens, d.h. der Wert eines MA bestimmt sich hier nicht nur aus dessen individuellen Leistungsbeiträgen, sondern ist zugleich abhängig von den spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Unternehmung. Das Modell beruht auf der Vorstellung, dass ein Mitarbeiter im Laufe seiner Betriebszugehörigkeit verschiedene Positionen einnehmen kann, wo er Leistungen unterschiedlicher Qualität und Quantität erbringt. Der Erwartungswert für den jeweiligen Leistungsbeitrag eines MA wird durch Schätzung von Wahrscheinlichkeiten mathematisch berechnet. Durch die Diskontierung aller zu erwarteten zukünftigen Leistungsbeiträge über die restliche Betriebszugehörigkeitsdauer und anschließende Aufsummierung der Barwerte erhält man den Wert des individuellen Humanvermögens. Durch das Summieren der einzelnen Humanvermögenswerte wird der Wert des gesamten Humanvermögens ermittelt.

Das folgende Berechnungsbeispiel verdeutlicht diesen Ansatz:


Zukünftige Leistungsbeiträge.jpg

Es wird angenommen, dass die Verweildauer eines MA im Unternehmen neun Jahre beträgt. Nach einer Beschäftigung als Sachbearbeiter (Service State 1), kann er mit 20 Prozentiger Wahrscheinlichkeit in vier bis sechs Jahren Abteilungsleiter (Service State 2) werden und weiterhin mit 10 Prozentiger Wahrscheinlichkeit zum Direktor (Service State 3) ernannt werden. Ein vorzeitiges Verlassen des Unternehmens wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 Prozent angenommen, während das Verbleiben auf der jetzigen Position zu 60 Prozent wahrscheinlich ist. Der Wert eines MA steigt entsprechend seiner Stellung im Unternehmen. Der Diskontsatz wird mit 10 Prozent angegeben. Somit beträgt der realisierbare Mitarbeiterwert 2.662 Euro. Würde man das vorzeitige Ausscheiden mitberücksichtigen, so würde der Wert auf 2.953 Euro ansteigen. Positiv anzumerken ist die Zukunftsperspektive und Berücksichtigung von verschiedenen Entwicklungsszenarien eines MA während seiner Betriebszugehörigkeitszeit. Kritisch zu bemerken sind eine Reihe von Annahmen, die über den Bewertungszeitraum konstant bleiben (Diskontsatz, Wahrscheinlichkeit des Ausscheidens). Außerdem bleibt die praktische Anwendung dieses Ansatzes durch die Schätzung von Wahrscheinlichkeiten begrenzt. Die erforderlichen Prognosen sind mit Unsicherheit behaftet und das zukünftige Outputpotenzial eines MA ist nur bedingt vorhersehbar.


Die soziale Dimension der HVR

Aufgabe der HVR ist die Quantifizierung des Mitarbeiterwertes eines Unternehmens. Gegen dieses Konzept, Mitarbeiter als Vermögensgegenstand aufzufassen, werden häufig ethische Bedenken geäußert: Durch die Operationalisierung des Humankapitals laufe man Gefahr, die Mitarbeiter zu kostenverursachenden Produktionsfaktoren zu degradieren. Es stellt sich die Frage nach dem Eigentümer des Humankapitals. Durch einen Arbeitsvertrag wird nicht der Mensch zum Eigentum des Unternehmens, es erwirbt lediglich das Anrecht auf die Nutzung seines Leistungspotenzials. Eigentümer des Humankapitals ist also zunächst immer der jeweilige Mitarbeiter. Der Arbeitgeber hat demnach nur begrenzte Verfügungsmacht über die Humanressourcen seines Unternehmens. Eine bloße Addition einzelner Leistungspotentiale kann das tatsächliche Humanpotential nicht wiedergeben. Denn ob sich die Leistung entfalten kann und wie viel ihres Leistungspotenzials Mitarbeiter tatsächlich in die Unternehmung einbringen, hängt nicht zuletzt von den organisationalen Rahmenbedingungen ab. Diese variieren von einem Unternehmen zum anderen und sind von einer Vielzahl von Wirkungszusammenhängen (z.B. soziale Netzwerke, Unternehmensstruktur, Normen, Unternehmenskultur) abhängig. Die Umgebung eines Mitarbeiters hat somit einen großen Einfluss auf dessen Leistung bzw. Leistungsbereitschaft. Für eine umfassende Bewertung des Humanvermögens wären demnach nicht nur die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der Arbeitskräfte, sondern gleichermaßen sogenannte weiche Faktoren wie deren Arbeitsmoral, Sozialkompetenz, Motivation oder Loyalität zu berücksichtigen. Die Vernachlässigung dieser sozialen Dimension des Humankapitals ist einer der häufigsten Kritikpunkte an den bisher existierenden Methoden der HVR.


Fazit

In wie weit sich Mitarbeiter oder ihre Leistungsbeiträge monetär und in Zahlen darstellen lassen, bleibt trotz einer Vielzahl theoretischer Konzepte fraglich. Ein grundlegendes Problem besteht darin, dass es keine einheitliche Definition darüber gibt, was den Wert des Humankapitals wirklich ausmacht. Obwohl eine Bewertung des Humanvermögens in Analogie zum Sachvermögen grundsätzlich möglich ist, kann sie anders als bei der Bewertung materieller Güter nur in Abhängigkeit von der Situation und Fragestellung erfolgen. Damit kann es keine Humanvermögensrechnung geben, die allgemeingültig ist. Die Bewertung des Humankapitals kann nur für eine bestimmte Situation und zur Erreichung eines bestimmten Zieles sinnvoll durchgeführt werden. Diese Tatsache wird bei der Diskussion um die Art der Bewertung häufig übersehen. Trotz umfangreicher Studien sind die bisher existierenden Maße zur Bewertung des Humanvermögens weit davon entfernt genügend zu sein. Die obigen Ausführungen zu einigen einschlägigen Bewertungskonzepten der HVR zeigen beispielhaft auf, dass die Analyse und Messung von Humankapital nicht mittels eines einfachen Maßes möglich ist, will man dessen vielschichtigem und dynamischem Charakter gerecht werden. In der Praxis gelangen die Verfahren der HVR aufgrund methodischer und ethisch-moralischer Bedenken (Mitarbeiter als „Ware“) sowie aus Gründen der Unsicherheit bezüglich des zukünftigen Wertes eines Mitarbeiters nur wenig zur Anwendung. Unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden Daten sowie des Untersuchungsziels vermittelt die Humanvermögensrechnung eine Vielzahl wichtiger Informationen sowohl für das interne Rechnungswesen wie für die externe Berichterstattung. Leider mangelt es immer noch an methodischen Ansätzen für eine sinnvolle, zweckgebundene und praktisch anwendbare Bewertung von Humanvermögen. In folgendem Zitat bringt Galileo Galilei die Herausforderung, die an die Forscher in diesem Bereich gestellt wird, auf den Punkt:

„Messe, was messbar ist, und was nicht messbar ist, mach messbar.“


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