Die Themenzentrierte Interaktion (TZI)

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Die „Themenzentrierte Interaktion", kurz „TZI“, wurde von der Psychologin/Psychoanalytikerin Ruth Cohn in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt. Sie umfasst in ihren Grundzügen ein ganzheitliches Konzept und konkrete Handlungsempfehlungen mit dem Ziel, „Lebendiges Lernen" und humanistisches Leiten von Gruppen zu erreichen (Spielmann 2010: 15f.).

Grundlegende Zielsetzung

Mit der Idee des „lebendigen Lernens“ verfolgte Ruth Cohn bei der Konzipierung der TZI den Gedanken, Intellekt und Emotionalität, Geist und Körper, Denken und Fühlen, sowie Handeln und Reflektieren gleichermaßen in der Arbeit und beim Lernen zu berücksichtigen. Galt die TZI in den 1970er Jahren noch oft als Ansatz sowohl zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung, als auch zur Förderung gesellschaftstherapeutischer Fragestellungen, so wurde sie in den 1980ern verstärkt als Ansatz zur Leitung von Gruppen und Teams verstanden. Seit Mitte der 1990er Jahren wurde der Ansatz der TZI weiterentwickelt und ausdifferenziert, wodurch die TZI als ganzheitliches Konzept zur

• Leitung von Gruppen und Teams,

• Leitung und Begleitung von Lernprozessen,

• zur Steuerung von Kommunikations- und Kooperationsprozessen,

• Unterstützung der individuellen Persönlichkeitsentwicklung und Selbstleitung (TZI als „Lebenskunst“),

• Führung (Führungs-/Leadership-Konzept),

• und Gestaltung sozialer Situationen (u.a. Krisen-/Konflikt-Management)

verstanden wird (Schneider-Landolf et. al 2014: 15). In der Themenzentrierten Interaktion besitzt das Thema der Gruppe/des Teams eine zentrale Bedeutung und soll Transparenz schaffen, wobei das Thema jeden Grund umfassen kann, aus dem sich die Gruppe/das Team zusammenfindet (Cohn/Farau 1984: 365). Wie im Folgenden dargestellt wird, fokussiert die TZI eine systematische Balance der Sach- und Beziehungsebene (Löhmer/Standhart 1992: 37).

Hintergrund und Entstehung

Als prägender Einschnitt in der Entstehung der TZI kann neben weiteren Einflüssen vor allem die gewaltsame Machtergreifung der Nationalsozialisten ab den 1930er-Jahren gesehen werden (Schneider-Landolf et. al 2014: 79), da Cohn unter den gewonnenen Eindrücken sich zunehmend von der Idee beeindruckt zeigte, Menschen von ihren Leiden zu befreien und ihre Lebensgeschichte kennen zu lernen. Im Jahre 1933 gelang Cohn die Flucht nach Zürich, wo sie das Studium der Psychologie aufnahm und sich zur Psychoanalytikerin ausbilden ließ. Maßgeblich wurde ihre Entscheidung von der Motivation getrieben, die Psychoanalyse nicht nur einer privilegierten Oberschicht zugänglich zu machen, sondern sie zur Behandlung größerer Menschengruppen einzusetzen. Es galt ein Konzept zu entwickeln, welches „überall funktioniert“ (Langmaack 2004: 20f.). Die Methode entstand u.a. auf Basis ihrer langjährigen Erfahrungen in der Betreuung von Kindern und Schulen.

In diesem Kontext ist die TZI als ein ganzheitliches Handlungskonzept zu verstehen mit dem Ziel, Situationen, in denen Menschen miteinander arbeiten, lernen und leben, bewusst, human und humanisierend zu gestalten. Dabei liegt der Fokus auf Gruppen, Teams, Gremien und Organisationen. Die TZI fördert in diesem Zuge eine differenzierte Wahrnehmung von Situationen und eine zielgerichtete Steuerung und Begleitung von sozialen Prozessen. Ziel ist es, Arbeits- und Lernprozesse so zu gestalten, dass optimale Ergebnisse erzielt werden können, indem sowohl die gemeinsame Aufgabe und die Interaktionen zwischen allen Beteiligten, als auch die individuellen Interessen und die geltenden Rahmenbedingungen berücksichtigt werden (Spielmann 2010: 15-16).

Das Konzept der TZI

Axiome

Die Axiome bilden das Fundament der TZI. Diese können als Grundvoraussetzung für das Funktionieren der TZI betrachtet werden. Nach Cohn können sie als ethische Forderung für ein humanistisches Miteinander interpretiert werden. Die drei Axiome beziehen sich aufeinander und stehen im interdependenten Zusammenhang. Die im Folgenden festgelegte Reihenfolge der Axiome stellt ihre Wichtigkeit dar. Bei der Durchführung der TZI ist diese zu beachten und dem ersten Axiom somit die größte Aufmerksamkeit zu schenken (Ewert 2008: 20).

Existenziell-anthropologisches Axiom

„Der Mensch ist eine psycho-biologische Einheit“ (Cohn 1997: 120). Es stehen Eigenständigkeit und Entscheidungsfreiheit des Menschen, die Einheit aus Geist, Körper und Psyche aber gleichzeitig die Abhängigkeit und Verbundenheit mit anderen Menschen im Vordergrund. Es gilt, ein Gleichgewicht zwischen Interpendenz und Autonomie herzustellen (Cohn 1997: 120).

Ethisch-soziales Axiom

"Ehrfurcht gebührt allem Lebendigen und seinem Wachstum. Respekt vor dem Wachstum bedingt bewertende Entscheidungen. Das Humane ist wertvoll; Inhumanes ist wertbedrohend" (Cohn, 1997: 120). Das ethisch-soziale Axoim befasst sich mit der Wert- und Sinnhaftigkeit des menschlichen Lebens und Handelns. Dies spiegelt den humanen Gedanken dieser Methode wieder und ist gleichzeitig ein Resultat Ruth Cohns persönlicher Erfahrungen.

Pragmatisch-politisches Axiom

"Freie Entscheidung geschieht innerhalb bedingender, innerer und äußerer Grenzen. Eine Erweiterung dieser Grenzen ist möglich“ (Cohn 1997: 120). Dieses Axiom fokussiert die menschliche, freie Entscheidungsfähigkeit und ihre Grenzen welche durch Umweltfaktoren oder seelische Zustände gekennzeichnet ist. Nach Cohn sind diese Grenzen erweiterbar (Cohn 1997: 120).

Postulate

Die Postulate sind ebenfalls existentieller Bestandteil der TZI und bauen auf den im vorigen Absatz beschriebenen Axiomen auf. Die Postulate müssen nach Ruth Cohn befolgt werden wobei ein fehlendes Bewusstheit hinsichtlich ihrer Existenz als persönliches Defizit angesehen werden kann (Cohn 1997: 120).

Das Chairman Postulat

„Sei deine eigene Chairperson“

• ICH bin Vorsitzender meiner verschiedenen Bedürfnisse und Bestrebungen.

• ICH bestimme selbst wann ich reden und wann ich schweigen will, die anderen Gruppenmitglieder tun dies ebenfalls.

• Die Verantwortung meines tun und lassen obliegt allein mir und nicht der Gruppenleitung.

Das erste Postulat kann als eine Art Handlungsanweisung für die Axiome gesehen werden. Weiter gilt es als oberstes Lernziel der TZI. Außerdem soll es deutlich machen, dass man als einzelne Person bzw. als Teil einer Gruppe weder allmächtig, noch ohnmächtig ist und die eigene Macht Dinge zu tun, begrenzt ist (Cohn1997: 121 / Ewert 2008: 22).

Das Störungspostulat

„Störungen haben Vorrang“

Es kann immer und überall zu Störungen kommen, unterschiedlichste Ursachen können hierfür der Auslöser sein. Störungen wie Schmerz oder Angst fragen nicht nach Erlaubnis, sie kommen einfach und sind da. Sie zu verdrängen stellt keine Lösung dar, da es zu weiteren Störungen führen kann. Weitere Störungen können auch aus ungünstigen Rahmenbedingungen, wie schlechte Räumlichkeiten oder zu großen Gruppen, resultieren. Selbst eine banale Störung wie ein klingelndes Handy kann zu Problemen führen und sollte deshalb behoben werden. Darum ist es wichtig, den auftretenden Störungen Vorrang zu gewähren und sie zu bearbeiten bzw. zu klären. Sollte es nicht gelingen die vorhandenen Störungen zu beseitigen, können die erzielten Ergebnisse (der Gruppensitzung) sinnlos und destruktiv sein (Cohn 1997: 122). Man sollte jedoch nicht auf jede beliebige Störung eingehen, die Gruppe oder der Gruppenleiter sollten gründlich abwägen, ob die Störung relevant ist oder nicht.

Hilfsregeln

Die Hilfsregeln leiten sich aus den Postulaten und den Axiomen ab. Generell sind die Hilfsregeln als Angebote und nicht als Gebote zu verstehen. Sie stellen Kommunikationshilfen dar, die Gespräche in der Gruppe erleichtern sollen (Löhmer/Standhardt 2006: 51 f.). Die Hilfsregeln, wenn eingehalten, sollen zu verständlicheren Aussagen führen und indirekte, versteckte Kommunikation in der Diskussion vermeiden. Die Teilnehmer und der oder die Leiter einer TZI-Sitzung sollen sich nicht an den Regeln festklammern oder sie als Werkzeug zur Maßregelung, sondern eher als Hilfestellung verstehen. Außerdem helfen sie, die Balance der vier Faktoren (ICH, WIR, ES und GLOBE) in der TZI zu fördern (Langmaack 1996: 103 f.).

Zusätzlich ist es wichtig, dass die Regeln im Idealfall von Gruppenmitgliedern selbst herausgearbeitet werden, damit das Verständnis und der Rückhalt für sie größer ist. In der Anfangszeit eines Gruppenprojektes ist es noch wichtiger, die Regeln wiederholt in Erinnerung zu rufen, damit sie früh im Laufe einer Zusammenarbeit verinnerlicht werden. Bei der Beachtung der Regeln kommt dem Gruppenleiter eine Art Vorbildfunktion zu. Er kann entweder vorsichtig an die Regeln erinnern ohne maßzuregeln oder sie in der Zusammenarbeit beispielhaft ausleben, indem er sich bewusst an alle Regeln hält und die Mitglieder die Regeln erleben können. Auch die Formulierung der Regeln sollte so angepasst werden, dass sie verständlich für die Teilnehmer sind (Langmaack 1996: 103 f.).


Da es keine fest vorgeschriebenen Regeln gibt und jede Gruppe ihre Regeln individuell gestalten kann, seien im Folgenden die acht gängigsten aufgelistet (Löhmer et al. 2006: 52 f.):


• Vertrete dich selbst in deinen Aussagen; sprich per ICH und nicht per WIR oder MAN.

• Wenn du eine Frage stellst, sage, warum du fragst und was deine Frage für dich bedeutet. Sage dich selbst aus und vermeide das Interview.

• Halte dich mit Interpretationen von anderen so lange wie möglich zurück. Sprich stattdessen deine persönliche Reaktionen aus.

• Wenn mehr als einer gleichzeitig sprechen will, verständigt euch in Sprichworten, über was ihr zu sprechen beabsichtigt.

• Sei authentisch und selektiv in deiner Kommunikation. Mache dir bewusst was du denkst, fühlst und glaubst, und überdenke vorher, was du sagst und tust.

• Werde wach für deine Gefühle. Sie gehören zu deinem Wert und zu deiner Wichtigkeit. Sie sind gültig für und deinen jeweiligen Augenblick. Sie sind deine Energiespender.

• Beobachte Signale aus deiner Körpersphäre und beobachte diese auch bei anderen Teilnehmenden.

• Wenn du willst (nicht: wenn du gerade Laune dazu hast), durchbrich alle diese Regeln.


Kritisch herauszustellen ist, dass die Hilfsregeln sehr idealistisch formuliert sind und leichter einzuhalten klingen, als sie tatsächlich sind. Sie verlangen den Teilnehmern viel Disziplin ab, wie zum Beispiel das Bewusstsein über eigene Gefühle, das Lesen der Körpersprache anderer, oder die Vorselektion der eigenen Gedanken und Aussagen. Wie schon erwähnt, sind die Hilfsregeln als Grundlage für das Vier-Faktoren Modell der TZI zu sehen. Sie tragen zur nötigen Balance der im Folgenden erläuterten vier Elemente (ICH, WIR, ES, GLOBE) bei. Die Balance der Faktoren ist eine Grundvoraussetzung für den Erfolg einer TZI gesteuerten Gruppenarbeit.

Das Vier-Faktoren Modell

Im Vier-Faktoren Modell geht es um diejenigen Elemente, welche die Zusammenarbeit der Gruppe beeinflussen und deren Balance für den Erfolg der Projekte mit verantwortlich ist. In der TZI sind es das Thema (ES), das ICH, das WIR und das Einfluss nehmende Umfeld (GLOBE). Das Vier-Faktoren Modell wird in Form eines Dreiecks mit umliegendem Kreis verbildlicht. Dem Thema („ES“) kommt in dieser Methode eine besondere Rolle zu, da es den Grund der Zusammenkunft einer Gruppe/Organisation wiederspiegelt. Allerdings soll während der Gruppenarbeit auf die Balance der Faktoren geachtet werden (Löhmer et al. 2006: 56 f.)

Abb.1: Das TZI-Dreieck

Das ICH

Bei diesem Element geht es um die Summe aller Aspekte der Persönlichkeit und dem Bewusstsein über die Existenz dieser Elemente (Langmaack 1996: 37). Im Gruppenprozess umfasst das ICH die Einzelperson selbst sowie ihr Anliegen und ihr Ziel für die Zusammenarbeit (Löhmer et al. 2006: 57). Löhmer et al. formulieren dieses Bewusstsein als die Klarheit über „ich sollte, ich möchte, ich darf, und ich will“ (Löhmer et al. 2006: 60). In der TZI wird davon ausgegangen, dass je realistischer das Selbstbild eines Menschen ist und je zufriedener er sich damit zeigt, desto offener und produktiver er sich in Gruppenprozessen einbringen kann (Langmaack 1996: 37). Gleichzeitig ist er damit in der Lage, andere Gruppenmitglieder zur Entfaltung kommen zu lassen und die Bearbeitung des Themas voranzubringen. Auch hier ist anzuführen, dass die Anforderungen an das ICH in der TZI sehr idealistisch formuliert und oft schwer zu erreichen sind. Jedoch geht es in der Konsequenz nicht primär darum, tatsächlich ein perfekt ausgeprägtes Selbstbild zu erreichen, sondern vielmehr um das Bewusstsein und das Streben nach dieser realistischen Einschätzung über sich selbst.

Das WIR

In der TZI beschreibt das WIR die Mitglieder einer Gruppe (die einzelnen ICHs), die zusammen am gleichen Thema arbeiten (Langmaack 1996: 51). Das WIR drückt sich dadurch aus, dass sich alle Individuen in der Gruppe auf ihre Art und Weise gleichermaßen und konstruktiv in den Prozess einbringen. Alle Gruppenmitglieder befinden sich auf einer Hierarchieebene. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass sich ein Einzelner nicht zum Wohle der Gruppe zurücknimmt und seine eigene Meinung vernachlässigt. Dies äußert sich unter anderem in der Entscheidungsfindung. Hier sollte immer ein Konsens gefunden werden und sich nicht mit Kompromissentscheidungen zufrieden gegeben werden. Dem unterliegt der Gedanke, dass bei letzteren das ICH nicht zur vollen Entfaltung kommt und somit die Balance der vier Faktoren verloren geht (Löhmer et al. 2006: 61).

Das ES

Das Thema (ES) umfasst das Sachanliegen, wegen dem die Gruppe zusammengekommen ist. Das ES stellt einen wichtigen Gestaltungsparameter im Prozess der TZI dar und ist deshalb detailliert unter Gestaltungsparameter und Wirkunshypothesen erläutert. Herauszustellen ist nur, dass Themen idealerweise von den Gruppenmitgliedern selbst formuliert werden sollten, damit das ES einen gemeinsamen Bezugspunkt für die Zusammenarbeit bildet. Löhmer et al. formulieren in ihrem Werk folgende Kriterien für ein ansprechend formuliertes Thema. Ein gutes Thema ist

• kurz und klar formuliert,

• nicht abgedroschen und erhält die Spannung in der Gruppe,

• verständlich für alle Gruppenmitglieder,

• schließt alle mit ein und verletzt von niemandem die Gefühle,

• so konkret formuliert, dass die Gruppe nicht komplett abschweift und

• lässt Freiraum für Gedankenspiele und kreative Einfälle (Löhmer et al. 2006: 65).

Der GLOBE

Der das Dreieck umschließende Kreis, wird als GLOBE bezeichnet. Der Kreis tangiert alle Eckpunkte des Dreiecks, weil er das ICH, WIR und das Thema (ES) gleichermaßen beeinflusst. In der TZI umfasst der GLOBE die Umwelt, welche auf die Zusammenarbeit der Gruppe wirkt. Hierzu gehören z.B. im wirtschaftlichen Kontext die Erwartungen der Stakeholder an Unternehmensprojekte, oder im weiteren Sinne die Landeskultur, die alle Mitglieder beeinflusst. Wichtig zu erwähnen ist, dass Elemente des GLOBEs nicht nur alle Gruppenmitglieder oder das Thema betreffen, sondern dass einzelne Umwelteinflüsse existieren, die auf einzelne Mitglieder unterschiedlich wirken. Beispiele hierfür sind die jeweilige familiäre Situation oder die Motivation der Gruppe anzugehören. Außerdem kann der GLOBE von den Gruppenmitgliedern unterschiedlich wahrgenommen werden. So können einige beispielsweise den gegebenen Raum und die Zeit zur Bewältigung der Aufgabe als ausreichend empfinden;wieder andere fühlen sich hierdurch eingeengt (Löhmer et al. 2006: 62f.). Ähnlich wie beim ICH gilt in der TZI: „Je realistischer wir unser Umfeld wahrnehmen und einzuschätzen lernen, um so handlungsfähiger werden wir sein“ (Langmaack 1996: 71).


Dynamische Balance der Vier Faktoren

Grundsätzlich herauszuheben ist, dass die dynamische Balance der vier Elemente das zentrale Arbeitsprinzip der TZI ist. Die Dynamik resultiert aus dem Umstand, dass sich als Teil des Konzeptes der TZI die Schwerpunkte innerhalb dieses Dreiecks samt des GLOBEs verschieben können. Die Gruppe und ihr Leiter sollten versuchen, immer den Faktor in den Vordergrund zu rücken, der am ehesten zur Geltung kommen soll, sodass die besagte Balance annähernd erreicht werden kann (Löhmer et al. 2006: 56f.). Die Balance ist dynamisch, da sie sich ständig verändert und nie konstant bleibt im Gruppenprozess. Das ständige Hinterfragen der vorherrschenden Balance und das Hervorheben des vernachlässigten Aspektes hilft, Situationen aus anderen Blickwinkeln zu betrachten (Langmaack 1996: 19). Ähnlich wie bei den Hilfsregeln besteht das Problem, dass sich die Balance nur äußert schwierig herstellen lässt und es erfordert viel Feingefühl zu erkennen, welches der Elemente gerade vernachlässigt wird. Gerade im Unternehmenskontext, in dem finanzielle Faktoren oder auch die Zeit eine kritische Rollen spielen, ist es schwer, Aufmerksamkeit auf das WIR und das ICH zu lenken. Es muss den Gruppenteilnehmern allerdings klar sein, dass die Balance ein kritischer Erfolgsfaktor in der TZI ist. Die Literatur liefert dabei keine konkreten Hinweise, wie eine relativ stabile Balance hergestellt werden kann. Löhmer et al. schlagen ihrem Buch das "Blitzlicht" als Methode vor. Hierbei fragt der Gruppenleiter die Teilnehmer wo sie sich mit ihren Gedanken und Gefühlen befinden und was sie in dem Moment wollen. So kann er feststellen, auf welchem der vier Elemente der momentane kognitive Schwerpunkt liegt. Des Weiteren kann durch verschiedene Arten des Blitzlichts der Fokus auf bestimmte Elemente des Vier-Faktoren Modells gelegt werden: ICH-orientiertes (Fokus auf subjektives Erleben), WIR-orientiertes (Fokus auf die Gefühle gegenüber anderen Teilnehmern), ES-orientiertes (Fokus auf das Thema) und GLOBE-orientiertes Blitzlicht (Fokus auf das Umfeld) (Löhmer et al. 2006: 58) Wie bereits erwähnt, erfordert das Finden der vorherrschenden Balance großes Fingerspitzengefühl des Gruppenleiters. Sie ist nicht leicht zu identifizieren. Das „Blitzlicht“ ist lediglich als Hilfsmittel zur Identifizierung gedacht und ist nicht als absolutes Instrument anzusehen.

Dynamische Dysbalancen der Vier Faktoren

Im Falle von stetigen Dysbalancen bzw. der dauerhaften Vernachlässigung einzelner Faktoren kann laut TZI-Theorie das Projekt nicht mehr erfolgreich verlaufen. Eine ausgeglichene, dynamische Balance ist somit elementar für das Erreichen der Gruppenziele (Langmaack 1996: 29 f.). Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Herstellung der Balance im Dreieck nur durch aktives Konzentrieren auf die vier Faktoren erreicht werden kann. Wird dies vernachlässigt, so entsteht unvermeidlich eine andauernde Dysbalance der Faktoren. (Langmaack 1996: 18) Dynamischen Dysbalancen seien nach Langmaack notwendig, da sie Gruppenmitglieder dazu veranlassten „Neues zu tun, kreativ zu werden, einen Schritt über die Angst hinaus zu gehen, um in Unbekannte Bereiche vorzudringen...“ (Langmaack 1996, 19). Die Dysbalancen sind also ein natürliches, unvermeidliches und notwendig auftretendes Phänomen in einer TZI-geprägten Gruppenarbeit, die von der Dynamik der Balance geprägt ist.

Folgende Dysbalancen können während eines Gruppenprozesses auftreten:


ICH-Defizit

Abb. 2: ICH-Defizit

Hier stehen das ES (Thema) und das WIR (Gruppe) im Vordergrund. Der Einzelne achtet mehr auf das Ziel und die Interessen der Gruppe , bzw. die Gruppe vernachlässigt die Interessen der einzelnen Mitglieder. Ein Beispiel hierfür wäre, dass die Gruppe durch die Bearbeitung einer Forschungsfrage derart dominiert wird und die Gruppendynamik so stark präsent ist, dass die Mitglieder ihre persönlichen Ziele vollkommen vernachlässigen. Bestimmt werden kann dieses Defizit dadurch, dass einzelne Mitglieder ihren Unmut darüber äußern, dass ihre individuellen Interessen nicht zur Geltung kommen.





ICH-WIR-Defizit

Abb. 3: ICH-WIR-Defizit

In diesem Szenario steht das Thema im Mittelpunkt der Zusammenarbeit. Die Mitglieder funktionieren nicht unbedingt als Gruppe und vernachlässigen die persönliche- und die Gruppenverwirklichung. Es entsteht kein Gruppengefühl. Im wirtschaftlichen Kontext könnte als Beispiel angeführt werden, dass eine Gruppe vom höheren Management als Auftraggeber derart unter Druck gesetzt wird ein Projekt erfolgreich abzuschließen, dass die Mitglieder sich weder auf die Gruppe, noch auf einzelne Interessen fokussieren können und nur das Thema im Fokus steht. Als Bestimmungsgrößen für dieses Phänomen kann z.B. die fehlende Gruppenchemie genannt werden bzw. der Unmut einzelner Mitglieder durch nicht beachtete, individuelle Interessen.





WIR-Defizit

Abb. 4: WIR-Defizit

In diesem Szenario werden das Gruppengefühl und die Zusammenarbeit der Gruppe vernachlässigt. Es wird sich auf das eigene ICH und das Thema konzentriert. Beispielsweise ist die Gruppe durch die Bearbeitung einer Forschungsfrage derart gefesselt und die einzelnen Mitglieder fokussieren sich nur auf ihre persönlichen Ziele und Interessen, so dass keine Gruppendynamik entsteht. Das WIR-Defizit kann durch mangelnde Gruppendynamik, wie zum Beispiel guter Kooperation der einzelnen Mitglieder, bestimmt werden.






Themen-Defizit

Abb. 5: Themen-Defizit

Wie der Name schon andeutet, rückt hier das ES in den Hintergrund. Gruppenmitglieder beschäftigen sich hauptsächlich mit sich selbst und den Prozessen innerhalb der Gruppe. (Langmaack 1996: 28 f.) Dieses Defizit entsteht, wenn die Gruppe sowie die einzelnen Teilnehmer, sich nicht mit dem Thema identifizieren oder es unterstützen. Die Gruppe funktioniert auf zwischenmenschlicher Ebene, doch die Bearbeitung des eigentlichen Projektes wird nicht vorangetrieben. Als Bestimmungsgröße für dieses Defizit würde die Tatsache gelten, dass eine Gruppe ein Thema nicht erfolgreich bearbeitet und sich Mitglieder sowohl individuell als auch als Gruppe wohl und beachtet fühlen.





Gestaltungsparameter und Wirkungshypothesen

Bei der Umsetzung einer TZI-geprägten Gruppenarbeit existieren Parameter, mit denen aktiv Einfluss auf den Erfolg einer Gruppenarbeit nach TZI genommen werden kann. Hierzu gehören das ES und der Gruppenleiter.

ES

Das ES (Thema) nimmt in der TZI eine besondere Stellung ein. Jede Arbeits- oder Lerngruppe kommt zu einem gewissen Anlass zusammen. Im wirtschaftlichen Kontext geht es beispielsweise um die Umsetzung von Projekten. Gerade am Anfang ist das Thema ein die Gruppenmitglieder verbindendes Element, da es meist der Grund für das Zusammenkommen der Teams ist. Herauszustellen ist zusätzlich, dass die Formulierung der Themen von großer Wichtigkeit ist. Sie sollten ansprechend formuliert sein um Gruppenmitglieder im Laufe des Arbeitsprozesses immer wieder davon zu begeistern. In der Literatur wird zudem geraten, dass die Gruppe das Thema selbst entwickeln bzw. formulieren sollte (Löhmer et al. 2006: S. 63f.). Gerade im wirtschaftlichen Kontext ist es häufig unüblich, dass Arbeitsgruppen Themen und Ziele selbst formulieren, sondern dass Projekte in der Regel vom höheren Management vorgegeben werden. Hier besteht also ein Konflikt zwischen dem Konzept der TZI und der Management-Praxis. Den Vorgesetzten muss allerdings die Wichtigkeit der eigenen Themenformulierung durch die Gruppe bewusst sein, da Formulierung und die Auswahl des Lern- oder Projektzieles entscheidende Gestaltungsparameter für den Erfolg einer von TZI-geprägten Gruppenarbeit sind.

Gruppenleiter

Als nächster Parameter ist der Gruppenleiter zu nennen, welchem in dieser Methode eine zentrale Rolle zufällt. Grundsätzlich kann der Leiter als eine Art „Modellteilnehmer“ verstanden werden (Langmaack 1996: 126). Er kann beispielhaft die Hilfsregeln ausleben und vorangehen, wenn es darum geht sie zu befolgen. Ein Beispiel hierfür wäre, dass, laut Hilfsregeln, Teilnehmer nicht im „Wir“ oder „Man“ über eigene Vorschläge oder Aussagen sprechen sollen, sondern immer im „Ich“. Diese Regel kann der Gruppenleiter konkret befolgen und somit als Vorbild für andere Mitglieder dienen. Im wirtschaftlichen Kontext ist der Anführer auch Vermittler zwischen der Gruppe und ihrer Außenwelt, wie zum Beispiel dem höheren Management als Auftraggeber. Außerdem ist er für die Einleitung und Ausarbeitung des Themas durch die Gruppe verantwortlich (Löhmer et al. 2006: 64). Langmaack fasst in seinem Werk Themenzentrierte Interaktion – Einführende Texte rund ums Dreieck die komplexen Aufgaben des Leiters als „sechsfache Aufmerksamkeit“ sehr prägnant zusammen. Der Gruppenleiter müsse ein Auge haben für:

• die Erfüllung des Auftrages,

• die Realität des Umfeldes,

• die inhaltlichen Ziele und den Weg dahin,

• den Prozess,

• die Teilnehmer,

• sich selbst (Langmaack 1996: 128).

Grundsätzlich ist anzuführen, dass der Gruppenleiter auf der einen Seite als Teilnehmer zu verstehen ist, auf der anderen aber ausreichend Distanz zur Gruppe haben muss, um beispielsweise Dysbalancen feststellen zu können oder Konflikte zu lösen (Löhmer et al. 2006: 74). Anhand dieser Punkte wird deutlich, wie verantwortungsvoll das Aufgabenspektrum des Gruppenleiters in der TZI ist, da er ein Mittelmaß zwischen Gruppennähe und –distanz finden muss. Zusammenfassend herauszustellen ist, dass der Anführer Einfluss auf die Balance der vier Faktoren hat, welche ausschlaggebend für den Erfolg eines TZI-Gruppenprojektes ist. Der Einfluss des Leiters lässt sich in beispielhaften Wirkungshypothesen zusammenfassen. Die Hypothesen sind bloß Beispiele für einzelne Verhaltensweisen des Gruppenleiters und umfassen nicht alle möglichen Einflüsse.


Wirkungshypothesen zum Gruppenleiter

In den Wirkungshypothesen wird formuliert, wie der Gruppenleiter Prozesse in der TZI beeinflussen und welche Konsequenzen dieses Verhalten zur Folge haben kann. Die Hypothesen gelten nur unter den Bedingungen, dass der Gruppenleiter das einzig sich verändernde Element in der Durchführung einer TZI-geprägten Gruppenarbeit darstellt und alle anderen Einflussfaktoren, wie der GLOBE oder das ES, sich nicht ändern. Ihre Einflussnahme bleibt also konstant. Eine weitere Geltungsbedingung ist, dass sich die vier Faktoren zum Zeitpunkt des Einflusses durch den Gruppenleiter in dynamischer Balance befinden. Dies bedeutet, dass alle vier Faktoren so ausgeprägt sind, dass weder der Gruppenleiter noch die Mitglieder das Bedürfnis verspüren das Thema, das ICH oder das WIR verstärkt betonen zu müssen.


Wirkungshypothese I:

Wirkungshypothesen 1a und 1b: In den folgenden beiden Szenarien tritt der Gruppenleiter nun sachorientiert auf. Er fokussiert seine Bemühungen auf die Bearbeitung des Themas.


Wirkungshypothese 1a:

Als Prädispositionen für die Hypothese 1a sind zu nennen, dass die Gruppenmitglieder über eine geringe Vertrautheit mit der TZI verfügen und sie vom Verhalten als eher zurückhaltend und abwartend zu charakterisieren sind. Ihnen fällt es beispielsweise schwer, Gefühle eigenständig zu äußern.

Unter diesen Prämissen gilt: Je stärker der Gruppenleiter sachorientiert (Thema) auftritt, desto eher tritt eine differenzierte und von sozialer Interaktion geprägte Bearbeitung des Themas in den Hintergrund. Als Folge wird das Thema wenig ausdifferenziert gestaltet. Ein erfolgreicher Gruppenprozess nach den Prinzipien der TZI ist gefährdet.


Die Hypothese 1a liegt darin begründet, dass durch die Sachorientierung des Leiters eine Dysbalance zu Gunsten des Themas entsteht. In einer nach TZI Prinzipien geführten Gruppenarbeit ist dies nicht weiter problematisch, da das Prinzip der dynamischen Balance vorsieht, dass temporär solche Verschiebungen auftreten können und als natürlich gelten. Kritisch ist es allerdings in dieser Situation, da die Gruppenmitglieder aufgrund der geringen Vertrautheit mit der Methode sowie der generellen Zurückhaltung nicht als Gegenpole zum Verhalten des Leiters fungieren. In diesem Falle würden sie den Gruppenleiter bei der Bearbeitung des Themas unterstützen, aber nicht die Bedeutung der Beziehungsebene (ICH & WIR) hervorheben, was sie sonst tun könnten. Prinzipien wie das Chairman-Postulat würden missachtet. Die entstandene Dysbalance ist hier als statisch anzusehen, da der Gruppenleiter konstant die Sachebene betont.


Wirkungshypothese 1b:

Als Prädispositionen für die Hypothese 1b sind zu nennen, dass die Gruppenmitglieder über gute Kenntnisse bezüglich der TZI verfügen und sie vom Gruppenverhalten als eher partizipativ und offen zu charakterisieren sind. Ihnen fällt das Mitteilen der eigenen Gefühle leicht und positive Gruppenprozesse sind ihnen wichtig.

Unter diesem Prämissen gilt: Je stärker der Gruppenleiter sachorientiert (Thema) auftritt, desto eher kommt es zu einer erfolgreichen TZI mit zufriedenstellender Bearbeitung des Themas. Dieser Umstand liegt in einem temporären Spannungsfeld zwischen dem Leiter und der Gruppe begründet, ausgelöst durch die unterschiedlichen Interessensschwerpunkte der Beteiligten.


Ähnlich wie im ersten Fall ist davon auszugehen, dass in dieser Gruppe ein Verschieben der Balance in Richtung ES auftritt. Unterschiedlich verhält sich hier allerdings die Verhaltensdisposition der Teilnehmer, welche eher einen Fokus auf das ICH und WIR legen. Auf Grund der unterschiedlichen Interessen des Leiters und der Gruppe kommt es zu einer Spannung, die aber Notwendig ist, um die Dysbalance (Fokus auf ES) nicht statisch werden zu lassen, sondern in Richtung des ICH und des WIR zu treiben. Das beschriebene Spannungsfeld, sorgt somit für die von Cohn als notwendig beschriebene, dynamische Balance. Diese ermöglicht erst, dass ein Thema ausdifferenziert behandelt werden kann. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unter den beschriebenen Bedingungen eine Sachorientierung des Leiters für Spannungen sorgt, die einen tendenziell erfolgreichen Gruppenprozess ermöglichen.


Wirkungshypothese II:

Wirkungshypothesen 2a und 2b: In den folgenden beiden Szenarien tritt der Gruppenleiter teilnehmerorientiert auf. Er fokussiert seine Bemühungen auf die Entfaltung der jeweiligen Ichs in der Gruppe sowie auf das Wir.


Wirkungshypothese 2a:

Als Prädispositionen für die Hypothese 2a sind zu nennen, dass die Gruppenmitglieder über eine geringe Vertrautheit mit der TZI verfügen und sie vom Verhalten als eher zurückhaltend und abwartend zu charakterisieren sind. Ihnen fällt es beispielsweise schwer, eigene Gefühle eigenständig zu äußern. Als weitere Prämisse ist jedoch zu nennen, dass der Gruppenleiter die Offenheit der Teilnehmer durch sein Verhalten positiv beeinflussen kann.

Unter diesen Prämissen gilt: Je stärker der Gruppenleiter teilnehmerorientiert (ICH & WIR) handelt, desto eher wird das Thema auf Basis von Interaktions- und Kommunikationsprozessen bearbeitet. Die TZI kann erfolgreich durchgeführt werden, da der alleinige Fokus nicht auf der Bearbeitung des Themas liegt, sondern auch auf dem Einbeziehen von Gefühlen und Gruppeninteressen.


Die Hypothese 2a liegt in der Annahme begründet, dass die Gruppe, ohne die Verhaltensänderung des Leiters, sich auf die Bearbeitung des Themas (Fokus auf das ES) konzentriert hätte. Die von der TZI geforderte Betonung der eigenen Gefühle und Interessen würden vernachlässigt durch das mangelnde Bedürfnis der Selbstmitteilung, sowie der fehlenden Kenntnisse über die Methode. In der Gruppe würde also eine Dysbalance in Richtung des ES vorherrschen. Durch die Teilnehmerorientierung des Leiters, in dem er Mitglieder animiert sich und ihre Gefühle nach den Hilfsregeln der TZI zu äußern, kann diese Dysbalance wieder relativiert werden. Die Gruppe fokussiert sich bei der Bearbeitung des Themas nun auch auf das ICH und das WIR. Auf Grund der mangelnden Kenntnisse der Gruppe von der Methode ist es wichtig für den Gruppenleiter, dass er bei allem Fokus auf die Teilnehmer auch einen Fokus auf die sachorientierte Bearbeitung des Themas legt. Dies könnte sonst zu kurz kommen. Wenn dies geschieht, kann die TZI erfolgreich in dynamischer Balance durchgeführt werden.


Wirkungshypothese 2b:

Als Prädispositionen für die Hypothese 2b sind zu nennen, dass die Gruppenmitglieder über gute Kenntnisse bezüglich der TZI verfügen und sie vom Gruppenverhalten als eher partizipativ und offen zu charakterisieren sind. Ihnen fällt das Mitteilen der eigenen Gefühle leicht und positive Gruppenprozesse sind ihnen wichtig.

Unter dieser Prämissen gilt: Je stärker der Gruppenleiter teilnehmerorientiert (ICH & WIR) auftritt, desto eher tritt eine Dysbalance weg vom ES hin zum ICH und WIR auf. Durch die guten Methodenkenntnisse der Gruppe und die Fähigkeit zur Artikulation der eigenen Interessen und Gefühle der einzelnen Mitglieder, wird die Dysbalance allerdings erkannt und behoben. Eine erfolgreiche TZI wird durchgeführt.


Ähnlich wie in Hypothese 1b kommt es zu einem temporären Spannungsfeld zwischen der Gruppe und ihrem Leiter. Obwohl die Teilnehmerorientierung des Leiters mit den generellen Strömungen der Gruppe übereinstimmen, so ist ihre Präsenz nicht zwingend erforderlich. Unter den genannten Prämissen, werden das ICH und WIR im Gruppenprozess schon berücksichtigt. Auf Grund der guten Methodenkenntnisse der Gruppe, kann sie die Dysbalance erkennen, der Orientierung des Leiters entgegenwirken und das Thema von allen drei Blickwinkeln des Dreiecks (ES, ICH und WIR) bearbeiten. Die angesprochene Dysbalance würde den Mitgliedern beispielsweise dadurch auffallen, dass Diskussionen sich auf positive oder negative Gefühle der Mitglieder fokussieren.

Die TZI in der Praxis

Die TZI-Ausbildung

Um die TZI aktiv und der Intention des Konzeptes entsprechen anwenden zu können, bietet das Ruth Cohn-Institut in Berlin ein 3-teiliges Ausbildungsprogramm in der TZI an, welches in eine Grundausbildung, eine weiterführende Aufbauausbildung und die Graduierung gegliedert ist (Ruth Cohn Institut 2015a).

Grundausbildung

Ziel der Grundausbildung ist es, System, Methodik und Haltung der Themenzentrierten Interaktion kennenzulernen sowie die eigene berufliche Rolle und Persönlichkeitsentwicklung zu reflektieren. Sie ist auf einen Zeitraum von 2 Jahren angelegt, in dem den Teilnehmern wesentliche Grundlagen von Gruppenprozessen und Leitungsaufgaben vermittelt werden. Im Fokus steht dabei die Weiterentwicklung persönlicher und sozialer Potentiale. Diese Grundlagen werden in Form von Kursen und Workshops vermittelt, welche sich über mehrere Tage erstrecken und überwiegend in konstanten Gruppen durchgeführt werden. Inhaltlich wird das komplette Spektrum des ganzheitlichen Konzeptansatzes der TZI abgedeckt.

Diplom

Ziel der Aufbauausbildung ist es, die während der Grundausbildung erworbenen Kenntnisse und Kompetenzen berufsspezifisch zu vertiefen. Neben der erweiterten Beschäftigung mit der Theorie der Themenzentrierten Interaktion liegt der Schwerpunkt hier beim Erwerb der Fähigkeit, die TZI aktiv und kreativ im eigenen Berufsfeld anzuwenden und flexibel auf angrenzende Tätigkeitsbereiche zu übertragen.

Graduierung

Nach mit dem Diplom abgeschlossener Ausbildung in TZI kann die Graduierung (Lehrbefähigung) erworben werden. Während bei der Grund- und Aufbauausbildung der Schwerpunkt auf dem Erwerb von TZI-Leitungskompetenz im eigenen Berufsfeld liegt, gilt das Augenmerk hier der Befähigung zur Lehre in TZI.

TZI im Kontext von Organisationsentwicklung und Change Management

Die TZI als Methode zur Verbesserung der Kommunikation kann in verschiedenen Kontexten eingesetzt werden. Besonders im organisationalem Kontext sind Lern-und Entwicklungsprozesse von größter Wichtigkeit und die TZI stellt dabei eine wichtige Methode dar. Doch in welchem Kontext ergibt eine Anwendung der TZI Sinn und in welchem Kontext eher weniger?

Beim Change Managementgeht es vorwiegend um schnelles und effizientes Handeln, welches nötig ist, um das Überleben einer Organisation zu gewährleisten. Prozesse und Wertschöpfung stehen im Mittelpunkt. Zu diesem Zweck werden externe Berater in die Organisation geholt, um mit ihrem Expertenwissen Veränderungen vorzunehmen. In den Veränderungsprozess werden nur bedingt alle Beteiligten einbezogen, vielmehr werden die Veränderungen vorgegeben und Top-Down umgesetzt (Schmid, 2012: 5-6). Bei der Organisationsentwicklung hingegen ist die Partizipation aller in der Organisation beteiligten Parteien während der Veränderung ein zentrales Thema. Die Beteiligten sollen aktiv an der Veränderung mitwirken. Menschlichkeit und Produktivität stehen im Mittelpunkt. Es handelt sich hierbei um einen langfristigen Prozess, welcher durch Lernen via Reflexion und Erfahrung gekennzeichnet ist.

Die TZI ist eine Methode die Zeit benötigt, um von den Beteiligten verinnerlicht zu werden (Ewert 2008: 40). Change Management zielt jedoch auf schnelle Resultate ab und bietet somit wenig Platz für diese Methode. Die geforderten, schnellen Ergebnisse beim Change Management passen nicht mit dem humanistischen Gedankengut der TZI zusammen (Schmid 2012: 4). Change Management ist stärker rational ausgerichtet und radikale Einschnitte, die unter Umständen auch zu Lasten der Mitarbeiter gehen, stehen im Vordergrund. Dies wiederum stimmt nicht unbedingt mit der Idee der TZI überein, welche unter anderem humanistische Werte und die Wertschätzung anderen Lebewesen betont(Cohn 1997: 120). Beim CM kommen Impulse von außen, von Experten. Die TZI besagt jedoch, dass jedes Individuum eine eigene Chairperson darstellt und für sich selbst verantwortlich ist. Diese zwei unterschiedlichen Grundannahmen sind ebenfalls schwer miteinander zu vereinen (Schmid 2012: 4).

Insgesamt ist die TZI somit eher im Kontext der Organisationsentwicklung zu betrachten. Diese Einteilung ist jedoch Idealtypisch und eine genaue Unterscheidung oftmals nur schwer möglich. Oftmals werden beide Ansätze auch miteinander vermischt, was eine Unterscheidung erschwert.

Kritische Würdigung der TZI

Positiv hervorzuheben ist, dass die TZI allgemein einen menschlicheren Umgang innerhalb von Team- und Gruppensituationen fordert. Nach dem Globe-Modell wird der Mensch komplett in seinem jeweiligen Kontext betrachtet und es wird versucht, ein Gleichgewicht zwischen den jeweils wirkenden Beziehungs- und Sachebenen herzustellen. Das Bewusstsein für rationale und emotionale Bedürfnisse wird gestärkt. Die TZI fördert das lebendige Lernen, da rationale und emotionale Prozesse gleichermaßen Einzug in Lern- und Entwicklungsprozesse finden, was zusätzlich durch eine gesteigerte Kooperationsbereitschaft innerhalb von Gruppenkonstellationen begünstigt wird. Dennoch besteht eine gleichwertige Betonung auf der Verantwortlichkeit des eigenen Handels, welches jedoch in Abwesenheit jedweden Konformitäts- und Anpassungsdruckes geschehen soll. Das Ernstnehmen des Individuums bzw. der jeweils anderen Individuen in Gruppensituationen begünstigt die Motivationsbildung und steigert die Initiative (Löhmer/Standhart 1998: 4-5). Dennoch bieten das Konzept und die Philosophie Ansätze zur Kritik. Da die TZI insgesamt ein stark humanistisches und somit tendenziell optimistisches Menschenbild entwirft, droht die Gefahr der Harmonisierung und Idealisierung in Gruppenprozessen. Als Konsequenz kann hieraus Konfliktvermeidung und eine Tabuisierung von negativen Wahrnehmungen resultieren, woraus als Konsequenz Produktivitätsverluste durch ein mögliches Fehlen von „konstruktiver Reibung“ eintreten können. Da nach dem Globe-Modell eine Fokussierung aller relevanten Kontextelemente in Gruppensituationen (ICH, ES, WIR, GLOBE) zu erfolgen hat, droht eine frühzeitige Überforderung und Orientierungslosigkeit. Wird das Störungspostulat bewusst von einem oder mehreren Teilnehmern missbraucht oder unter Umständen missverstanden, kann es zu Blockaden bzw. selbstdarstellerischen Tendenzen kommen (Willecke 2007: 81-82). Das humanistische Wertesystem des TZI-praktizierenden Individuums kann unter Umständen in Konflikt mit bestehenden Werten und Kulturstandards in den jeweiligen Unternehmen stehen und somit Konfliktpotential bergen. Da die TZI zudem aktiv und zeitaufwendig erlernt werden muss, steht sie in starkem Kontrast zur oft schnelllebigen und dynamischen Realität in Unternehmensumfeldern, was wiederum die TZI hinsichtlich ihrer Relevanz für die Praxis infrage stellt. Zuletzt ist die Rolle des Leiters als problematisch zu sehen, da sie mit hohen Anforderungen verbunden ist und im Falle einer nicht fachgerechten Ausübung der Position (z.B. durch unklare Themenformulierung) das Konzept der TZI zum Scheitern bringen kann (Willecke 2007: 82-87).

Literaturverzeichnis

• Cohn, R. C., (1997); Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion, 13 Auflage, Stuttgart: Klett-Cotta

• Cohn, R. C.; Farau, A. (1984): Gelebte Geschichte der Psychotherapie: Zwei Perspektiven, Stuttgart: Klett-Cotta

• Ewert, F. (2008); Themenzentrierte Interaktion (TZI) und pädagogische Professionalität von Lehrerinnen und Lehrern: Erfahrungen und Reflexionen, 1. Aufl., Wiesbaden: GWV Verlag

• Langmaack, B. (1996): Einführung in die themenzentrierte Interaktion (TZI): Leben rund ums Dreieck, 3. Aufl., Weinheim: Psychologie Verlags Union

• Langmaack, B. (2004): Einführung in die themenzentrierte Interaktion (TZI): Leben rund ums Dreieck, 3. Aufl., Weinheim: Beltz

• Löhmer, C./Standhardt, R. (1992): Themenzentrierte Interaktion Die Kunst, sich selbst und eine Gruppe zu leiten, 2.Aufl., Mannheim

• Löhmer, C./Standhardt, R. (1998): Wie Gruppenarbeit lebendig wird und lebendig bleibt, in: Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie (Hrsg.): Beziehungen leben. Bensheim 1998, S.4-5

• Löhmer, C./Standhardt, R. (2006): Themenzentrierte Interaktion - Die Kunst, sich selbst und eine Gruppe zu leiten, 1.Aufl., Stuttgart: Klett-Cotta

• Rohm, A. (Datum unbekannt): Übungsanleitung zum interaktiven Tool „Magisches Dreieck“, [online], http://www.armin-rohm.de/publikationen/downloads, Abrufdatum 02.05.2015

• Ruth Cohn Institut (2015a): Ausbildung in TZI, [online], http://www.ruth-cohn-institute.org/grundausbildung.html, http://www.ruth-cohn-institute.org/aufbauausbildung.html, http://www.ruth-cohn-institute.org/graduierung.html, Abrufdatum 01.05.2015

• Ruth Cohn Institut (2015b): Angebot für junge Erwachsene, [online], http://www.ruth-cohn-institute.org/junge_Erwachsene.html, Abrufdatum 01.05.2015

• Schmid, B. (2012): OE oder Changemanagement?, Institut für systemische Beratung, Wiesloch 2012, S.4-6

• Schneider-Landolf, M./Spielmann, J./Zitterbarth, W. (2014): Handbuch Themenzentrierte Interaktion (TZI), 2. Aufl., Göttingen: Vadenhoeck&Ruprecht

• Spielmann, J. (2010): Was ist TZI?, in: Schneider-Landolf, M.; Spielmann, J.; Zitterbart, W.: Handbuch Themenzentrierte Interaktion (TZI), 2. Aufl., Göttingen: Vadenhoeck&Ruprecht

• Willeke, K. (2007): Die TZI als methodisch-didaktische Grundlage von Teamentwicklungsmaßnahmen in Unternehmen, in: TZI in Unternehmen e.V.(Hrsg.): Best of TZI und Wirtschaft: Reflexionen - Impulse - Praxisberichte, Band 1-4, S. 78-87., Frankfurt:Bildungs- und Förderungswerk