Die Mitarbeiterbefragung als Analyseinstrument in der Organisationsentwicklung

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Die Mitarbeiterbefragung (MAB) ist ein personalpolitisches Instrument der Organisationsentwicklung zur Messung von Einstellungen, Wünschen und Erwartungen der Mitarbeiter.[1] Insbesondere durch die Übersetzung dieser weichen Faktoren in Daten und Zahlen sollen MAB gezielt zur Aufdeckung von Effizienz- und Effektivitätsmängeln sowie der Identifikation von Problemen beitragen. Weitere Einsatzgebiete sind insbesondere Erfolgskontrollen für betriebliche Veränderungsmaßnahmen sowie Ex Post Betrachtungen.


Begriffseinordnung

Besonders mit dem Fokus auf der Organisationsentwicklung werden MAB verwendet, um die Mitarbeiter von der passiv betroffenen Rolle zum aktiven Beteiligten zu lenken. MAB in der Organisationsentwicklung ermöglichen unter anderem die Identifikation von Problemen, die Erfolgskontrolle für betriebliche Entwicklungsmaßnahmen und die Ex Post Betrachtung nach strategischen Veränderungsprozessen. In der Vergangenheit wurden die Befragungen oft ausschließlich zur Erfassung des Ist-Gemütszustandes der Mitarbeiter durchgeführt ohne jedoch die Ergebnisse in Folgeprozesse zu bearbeiten. Diese historisch geschlossene MAB hat sich in den letzten Jahren zunehmend verändert, mittlerweile werden Befragungen in ein Aufbau- und Einbindungsmanagement-Programm (AEMP) integriert, sodass nicht mehr nur die reine Informationssammlung, sondern vielmehr die Verwertung und Mitarbeiterpartizipation im Fokus steht.[2] Das in diesem Zusammenhang am häufigsten verwendete Analyseinstrument ist der Fragebogen.


Aufgaben

MAB dienen primär der Diagnostik und Intervention.[3] Unterschiedliche Zielsetzungen des Instruments verlagern die Schwerpunkte auf diesen beiden Grundaufgaben.

Die diagnostische Funktion von MAB enthält folgende Analyseansätze:

  • allgemeine Bestandsaufnahme (z.B. Arbeitszufriedenheit, Betriebsklima, Führungsstil)
  • Stärken-Schwächen-Analyse (z.B. Personalpolitik, Informationspolitik, Weiterbildungsangebote)
  • projektbezogene Bestandsaufnahme und Bedarfsermittlung (z.B. Gruppenarbeit, Umstrukturierung)
  • Analyse spezifischer Problemstellungen (z.B. Fehlzeiten, Qualitätsbewusstsein)


Durch die moderne Ausrichtung in das Einbindungsmanagement stellt die MAB auch ein Interventionsinstrument dar und kennzeichnet sich wie folgt:

  • Initiierung des Austauschprozesses (z.B. Workshops, Tagungen)
  • interne und externe Kommunikation der Ergebnisse (z.B. Präsentation im Rahmen einer Betriebsversammlung, Veröffentlichung der Ergebnisse)
  • Ableitung des Handlungsbedarfs (z.B. Qualifizierungsmaßnahmen, Schulungen)


Darüber hinaus wird der Mitarbeiter aktiv, bspw. mittels Abfrage von Verbesserungsvorschlägen, in die Organisationsentwicklung eingebunden. Durch die Bearbeitung der Daten können die Unternehmensziele überprüft und ggf. neu ausgerichtet werden und die Zuverlässigkeit bzw. die Vorhersagbarkeit des Veränderungsprozesses gesichert werden.

Phasen

Ein wichtiger Erfolgsfaktor in einer MAB ist die detaillierte Projektplanung. Die Abbildung beschreibt die zyklische Abfolge einer MAB als Aufbau- und Einbindungsmanagement-Programm. Die farbliche Unterscheidung grenzt hierbei die vier Hauptphasen; 1. Planung & Vorbereitung, 2. Konzeption & Befragung, 3. Analyse & Ableitung des Handlungsbedarfs und 4. Umsetzung & Evaluation ab.

Phasen MAB klein.jpg

Abbildung 1: Zyklischer Ablauf einer Mitarbeiterbefragung [4]


Veränderungsthemen der OE und die Möglichkeiten der MAB

Wesentliche Themen der Organisationsentwicklung sind insbesondere die Entwicklung und Umsetzung von Strategien, die Optimierung von Abläufen, Schnittstellen und Prozessen, die Entwicklung und Implementierung von Leitbildern sowie das Veränderungsmanagement. Im Rahmen dieser Zielsetzungen lässt sich die MAB unterschiedlich gut einsetzen: Im Sinne einer Diagnosefunktion (vgl. „Aufgaben“) lassen sich mitarbeiternahe Themen wie Führung, Informationspolitik, Arbeitszufriedenheit, Betriebsklima oder Leistungsbeurteilung und Vergütung valide und aufschlussreich messen. Sie stellen den überwiegenden Schwerpunkt vieler MAB dar. Im Bereich der strategischen Organisationsentwicklung sind die Mittel der MAB jedoch begrenzt. Wünsche und Einstellungen der Mitarbeiter lassen sich bspw. nicht als Datengrundlage für komplexe und wirtschaftlich fokussierte Strategieentscheidungen (wie Mergers & Acquisitions, Geschäftsfeldentwicklung, Standortentscheidungen) nutzen. In diesem Kontext erweist sich die MAB vielmehr in der ex post Betrachtung als hilfreich, da sie hier einen wesentlichen Beitrag bspw. zur Erfolgskontrolle solcher strategischen Maßnahmen leisten kann. Im Rahmen interner Veränderungsmaßnahmen kann die MAB zudem strategische Managemententscheidungen z.B. im Rahmen der Erstellung von Balanced Scorecardoder Planung/Umsetzung von TQM unterstützen.


Befragungsinhalte von MABs

Abhängig von der Zielsetzung und Motivation des Unternehmens ergeben sich unterschiedliche Befragungsinhalte. Unter Beachtung des zeitlichen Einsatzes von MAB unterscheiden sich dabei drei wesentliche Anlässe zur Durchführung einer MAB:

Identifikation von Problemen

Die Erfahrungen und Wahrnehmungen der Mitarbeiter stellen eine relevante Quelle zur Identifizie-rung von betrieblichen Stärken und Schwächen dar. Ob zu einer allgemeinen Ist-Analyse oder Bestätigung vermuteter Problembereiche, mittels einer MAB können innerbetriebliche Einblicke gewonnen und als Hinweise für konkrete Veränderungsprozesse verwendet werden. Die so ermittelten Steuerungsdaten können anschließend als fundierte Basis für notwendige Handlungsmaßnahmen herangezogen werden. Zum Beispiel: Optimierung interner Prozesse oder der strategischen Steuerung von Ressourcen. Ebenso kann die Notwendigkeit bzw. die Akzeptanz von Veränderungen aus Sicht der Mitarbeiter eingeschätzt werden:

Beispiel: Abfragen der Arbeitszufriedenheit

Abbildung 2: Ergebnisse der Befragung [5]

>> Sichtbarmachung von Effizienz- und Effektivitätsmängeln durch eine gezielte Befragung potentieller bzw. vermuteter Problembereiche:

„Betrachten Sie die Marktlage. Wie hoch schätzen Sie die Bezahlung (inklusive aller zusätzlichen Bestandteile) bei ABC im Vergleich zu anderen Unternehmen derselben Branche ein?“ ‎


>> Identifikation von Problemen zu Grunde liegender Ursachen durch die Formulierung einer offenen Frage (Erhöhung des Erkenntnisgewinns):

„Was sollte von ABC unternommen werden, um die Kreativität und Potentiale seiner Mitarbeiter zu fördern?“


>> Unterstützung bei der Auswahl von Gestaltungsmaßnahmen durch Abfrage eines Kriterienkataloges (Mehrfachantworten möglich):

„Was sind für Sie Kriterien eines gerechten Gehaltsystems?“


Abgleitet von den Ergebnissen kann sich bspw. eine Unzufriedenheit mit der Bezahlung als wesentliches Merkmal einer mangelnden Arbeitszufriedenheit ergeben. Die Anpassung des Vergütungsmodells an die Bedürfnisse der Mitarbeiter ist in diesem Fall eine mögliche konkrete Veränderungsmaßnahme zur Verbesserung der Situation.

Erfolgskontrolle für betriebliche Entwicklungsmaßnahmen

Sollen Veränderungsprozesse als Teil der strategischen Planung ausgeführt werden oder befinden sich bereits in der Umsetzung, lässt sich die MAB als Instrument zur Vorbereitung bzw. Begleitung dieses Prozesses einsetzen. Insbesondere bei der Begleitung aber auch nach dem Abschluss eines Prozesses ermöglicht die Einsicht in die internen Erfahrungswerte der beteiligten Mitarbeiter eine gezielte Erfolgskontrolle sowie ggf. Korrektur der betrieblichen Entwicklungsmaßnahmen. So kann bspw. die Akzeptanz von neuen Regelungen, Instrumenten und Prozessen erfasst und wenn not-wendig nach Analyse der Problemfelder korrigiert werden. MABs bieten damit die Grundlage zur zielgerichteten Steuerung von Veränderungsprozessen.

Ex Post Betrachtung nach strategischen Veränderungsprozessen

Ein großer Vorteil der schriftlichen MAB besteht in der Möglichkeit zur anonymen und freien Mei-nungsäußerung der Mitarbeiter. Diese im Idealfall „unverblümten“ Erkenntnisse erweisen sich für die Unternehmensführung als wichtiges Werkzeug zur Mitarbeiterführung nach einem strategischen Veränderungsprozess wie bspw. einer Fusion. So kann über die MAB die Messung der Mitarbeiterzufriedenheit allgemein erfasst oder auch spezielle Themen wie die Identifikation der Mitarbeiter mit den (geänderten) Unternehmenszielen und Leitbildern überprüft werden.

Probleme und Grenzen der MAB (Ergebnisqualität)

Situation der Befragten

Zeitlicher und sozialer Kontext der Befragungen sind ausschlaggebend für die Qualität der Ergebnis-se. Befindet sich das Unternehmen gerade in einer wirtschaftlich vorteilhaften Position oder steht eine Krise bevor? Sollen Probleme in einer Situation wirtschaftlicher Unsicherheit erst identifiziert werden oder geht es darum, einen Organisationsentwicklungsprozess zu evaluieren? Diese Situations- und Kontexteffekte müssen bei der Durchführung der Befragung beachtet werden. In einer Phase nach einer Krise und nach einem relativ erfolgreichen Veränderungsprozess werden die Ergebnisse möglicherweise positiver ausfallen als in einer Situation der Unsicherheit, wenn dem Unternehmen möglicherweise eine Krise bevorsteht. Auch die soziale Struktur des Unternehmens und die Unternehmenskultur wirken sich im Rahmen der sozialen Erwünschtheit auf die Antworten der Befragten aus. Ist das Unternehmen hierarchisch aufgebaut und wird Kritik wenig angenommen, so werden die Antworten der Befragten sich eher nach der Erwünschtheit des sozialen Umfeldes richten.

Bei allen drei im vorherigen Teil erläuterten Befragungsinhalten von Mitarbeiterbefragungen kann die Situation der Befragten bei Nichtbeachtung problematische Auswirkungen auf die darauf aufbauenden Maßnahmen haben. Da verzerrte Informationen als Grundlage dienen, könnte beispielsweise eine ex post Betrachtung von strategischen Maßnahmen fälschlicherweise positiv ausfallen, wenn soziale Erwünschtheit bei der Beantwortung der Fragen eine Rolle gespielt hat.

Datenauswertung

Die Auswertung der Fragebögen beinhaltet oftmals weitere Problemquellen. Sind Interpretationsmaßstäbe nicht zuvor festgelegt worden, werden Skalen von unterschiedlichen Ratern subjektiv und damit unterschiedlich bewertet. Zudem entscheidet auch immer der gewählte theoretische Blick, also die vorgenommene Eingrenzung der Befragung, über den in den Ergebnissen widergespiegelten Ausschnitt der Realität. In diesem Zusammenhang der objektiven Bewertung der Ergebnisse bietet sich die Möglichkeit der Auslagerung von Fragebogenauswertungen an, welche die Objektivität der Ergebnisinterpretationen möglicherweise steigern kann. Die Frage einer internen oder externen Bearbeitung der Daten muss jedoch im Einzelfall und vor Allem abhängig von der Aufgabe der Mitarbeiterbefragung abhängig gemacht werden. Bei Nutzung einer Mitarbeiterbefragung zur Identifikation von Problemfeldern kann es beispielsweise sinnvoll sein, ein externes Unternehmen zur Datenauswertung heranzuziehen. Da Interne möglicherweise mit gewissen Erwartungshaltungen und Annahmen die Bearbeitung der Daten vornehmen würden, könnten hier die tatsächlichen Problemfelder unerkannt bleiben. Externe hingegen haben hier einen unverfälschteren Blick, können jedoch nur die Datengrundlage für die anschließenden Veränderungsprozesse liefern. Welche Konsequenzen letztendlich aus den Ergebnissen gezogen werden, liegt weiterhin in der entsprechenden Abteilung des Unternehmens. Somit bleibt immer das Restrisiko einer internen Fehlinterpretation. Interne Objektivität kann hier nur durch ein Mehraugenprinzip, Unbetroffenheit der bearbeitenden Mitarbeiter und entsprechende Schulungen gefördert werden.

Rücklaufquoten

Rücklaufquoten werden häufig durch Ängste der Befragten reduziert. Oftmals bezweifeln diese die sensible Verwendung von persönlichen Daten oder den dahinterstehenden Veränderungswillen der Unternehmensführung. Zu Auslösern für geringen Rücklauf zählen auch unklare Ziele der Befragung. Bei der Nutzung von MABs zur Identifikation von Problemen bspw. sind nicht einzelne Meinungen, sondern ein breites und differenziertes Meinungsbild aller Mitarbeiter relevant. Eine hohe Rücklaufquote ist hier für die Aussagekraft der Ergebnisse also entscheidend. Auswertungen und Interpretationen auf Basis zu weniger Fragebögen bergen ein hohes Risiko, dass diese Informationen nicht die Realität abbilden, entweder weil aufgrund der wenigen Erkenntnisse keine eindeutigen Tendenzen ermittelt oder falsche Beziehungen und Zusammenhänge vermutet werden. Maßnahmen in der Organisationsentwicklung sind also maßgeblich von aussagekräftigen Ergebnissen abhängig, was eben auch durch eine hohe Rücklaufquote bedingt wird.

Anonymität

Oft haben Mitarbeiter Zweifel bezüglich der Anonymitätswahrung ihrer Angaben bei Mitarbeiterbefragungen. Durch die Erfassung personenbezogener Daten befürchten sie eine direkte Verknüpfung ihrer Antworten mit ihrer Person. Wird diese Nachvollziehbarkeit durch die Mitarbeiter als zu hoch angesehen, wirkt sich dies negativ auf ein offenes und ehrliches Antwortverhalten aus. Häufig kann es für ein Unternehmen jedoch zwingend notwendig sein, bspw. zur Identifikation eines Problems, genau diese Daten zu erfassen. Um Probleme wie bspw. die mangelnde Kommunikation zwischen zwei Abteilungen genau identifizieren zu können, müssen die gesammelten Ergebnisse auf einzelne Abteilungen, Positionen oder sonstige Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, Dauer der Betriebszugehörigkeit, etc. „herunter gebrochen“ werden. Gleiches gilt für die Erfolgskontrolle von betrieblichen Entwicklungsmaßnahmen oder die ex Post Betrachtung nach strategischen Veränderungsprozessen, um eine möglichst spezifische Zuordnung vornehmen zu können. Diese Schwierigkeit zwischen der Notwendigkeit demografischer Daten einerseits und dem verzerrten Antwortverhalten der Mitarbeiter andererseits, stellt ein großes Problem der MAB dar. Wichtig ist es daher mit den Daten sensibel und vertraulich umzugehen und den Mitarbeitern die Hintergründe dieser Datenerfassung genau zu vermitteln, um so den Ängsten entgegenwirken zu können.


Fazit

MAB bieten die Möglichkeit, strukturierte, sinnvolle und statistisch verwertbare Ergebnisse zu erhalten, die die tatsächliche Problematik bzw. Situation abbilden und Ansatzpunkte für konkrete Veränderungsmaßnahmen liefern. Sie bergen in gleicher Weise aber aufgrund von methodischen Einschränkungen und praktischen Problemen das Risiko von Fehlinterpretationen und der Ableitung falscher Handlungsmaßnahmen. Es sollten daher abhängig vom Ziel der MAB (Erkennung von Veränderungsbedarf / Auswertung von Veränderungsmaßnahmen / Evaluierung von Veränderungsprozessen) die kritischen Aspekte identifiziert und die Befragung entsprechend angepasst werden.

Einzelnachweise

Literatur

  • Bungard, W. (Hrsg.) (1997): Mitarbeiterbefragung: ein Instrument des Innovations- und Qualitätsmanagements, Weinheim, Beltz.
  • Borg, I. (2003): Führungsinstrument Mitarbeiterbefragung : Theorien, Tools und Praxiserfahrungen, 3. Auflage, Göttingen, Hogrefe Verlag.
  • Bungard, W., Müller, K., Niethammer, C. (2007): Mitarbeiterbefragung - was dann...?. Heidelberg: Springer Medizin Verlag.
  • Domsch, M., & Ladwig, D. (Hrsg.) (2006): Mitarbeiterbefragung – Stand und Entwicklung. In: Handbuch Mitarbeiterbefragung. Berlin/Heidelberg/New York: Springer.
  • Sonntag, K. (Hrsg.) (2006): Personalentwicklung in Organisationen, 3. Auflage, Göttingen, Hogrefe Verlag.
  • Weller, I. ; Steffen, E. (2000): Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung bei der Lynx Consulting Group, In: Werkstatt für Organisations- und Personalforschung. Berlin.
  • Bungard, W. (1997). S.6.
  • Borg, I. (1995): S.16.
  • Domsch, M. & Ladwig, D. (2006)
  • In Anlehnung an Domsch, M., & Ladwig, D. (2006).
  • Weller, I. & Steffen, E. (2000).