Commons

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Der Begriff „Commons“ (dt. Gemeingüter oder Allmende) bezeichnet das gemeinschaftliche Nutzen einer Ressource. Hinter dem englischen Wort „Commons“ verbirgt sich die Bezeichnung für ein frei zugängliches Gut, dem Gemeingut. Ein altes Wort für Gemeingut lautet "Allmende" und setzt sich laut Sprachhistorikern aus den Wörtern „all(e)“ und „Gemeinde“ zusammen. Der Begriff bezeichnet damit eine einer Gemeinschaft gehörende gemeinsame Ressource [1]. Das Konzept der Commons besteht aus drei Elementen: einer natürlichen, materiellen oder immateriellen Ressource, den Menschen, die wiederum die Ressource zu ihrem Vorteil nutzen und schließlich dem Aushandlungsprozess, der festlegt, wie die Ressource gemeinschaftlich und langfristig genutzt werden soll [2]. Somit bezeichnen „Commons“ nicht die Ressource per se, sondern die sie umgebenen sozialen Beziehungen, die Handhabung der Ressource innerhalb der Gemeinschaft, die Regelung gesellschaftlicher Verhältnisse und die Festlegung von Institutionen, die zur gemeinschaftlichen Nutzung der Ressource gebraucht werden [3].

Gemeingüter sind begrifflich abzugrenzen von öffentlichen Gütern und von privaten Gütern. Gemeingüter sind gekennzeichnet durch gemeinsam genutzte Ressourcen. Jeder ist mitverantwortlich für die nachhaltige Verwendung der jeweiligen Ressource [4]. Öffentliche Güter kommen den Gemeingütern am nächsten. Sie sind gekennzeichnet durch Nicht-Rivalität und Nicht-Ausschließbarkeit [5]. Ein Beispiel für öffentliche Güter ist das Licht eines Leuchtturms, welches durch die Nutzung einzelner nicht minimiert wird, sondern allen Nutzern gleichermaßen zur Verfügung steht. Private Güter, auch Privateigentum genannt, sind durch geregelten Besitz gekennzeichnet und rechtlich vor dem Zugang Dritter geschützt [6].

Historische Entwicklung

Historisch waren die in tatsächlichem Gemeindebesitz befindlichen Gewässer, Wiesen und Wälder die Gemeinschaftsgüter bzw. Allmenden. Diese Flächen wurden gemeinsam landwirtschaftlich von den ansässigen Bauern genutzt. Das gemeinschaftliche Eigentum erschwerte jedoch eine effektive Bewirtschaftung. Im 17./18. Jahrhundert kam es in England letztendlich zu einem so genannten "Enclosure Movement" (Einhegung) und die gemeinwirtschaftlichen Flächen wurden zur Produktivitätssteigerung privatisiert [7]. Die Privatisierungen trieben die Kommerzialisierung der britischen Landwirtschaft voran. Es entstanden ertragsintensive Agrarbetriebe, insbesondere im Bereich der Viehzucht. Andererseits führte diese Entwicklung zur Verarmung eines Teils der Kleinbauern, die sich den Erwerb eines Geländes nicht leisten konnten und nun auf die bisher allen zur Verfügung stehenden Nutzflächen verzichten mussten. Die möglichen Ertragssteigerungen führten auch in Deutschland dazu diese intensivierte Landnutzung einzuführen. Der Begriff des Allgemeingutes verschwand damit Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst [8].

Er gewann hundert Jahre später, unter anderem durch den berühmt gewordenen Aufsatz des Biologen Garrett Hardin 1968 neue Relevanz. Hardin formulierte die These, dass der rationale Mensch einer gemeinschaftlich genutzten Ressource zum Zwecke persönlicher Gewinnmaximierung mehr entnehme als ihm anteilig zusteht und dies zwangsläufig zur Übernutzung der Ressource führe. Diese These verfestigte sich und wurde politisch funktionalisiert, um Privatisierungsstrategien durchzusetzen [9]. Gemeingutforschung hingegen belegt, dass Menschen in der Lage sind so miteinander umzugehen, dass ihre Lebensgrundlagen respektiert werden. Der Mensch ist mehr als ein individueller Nutzenmaximierer. Er ist ein auf Kooperation angelegtes soziales Wesen [10].

Die U.S. amerikanische Professorin für Politikwissenschaften, Elinor Ostrom, verfasste 1990 das Werk „Die Verfassung der Allmende. Jenseits von Staat und Macht“ [11]. Sie ist vom Gelingen des Gemeingutmanagement überzeugt. „Die Frage ist nicht, ob Menschen kooperieren wollen, sondern wie ihnen geholfen werden kann, das zu tun.“ [12]. 2009 erhielt sie als erste Frau den Wirtschaftsnobelpreis.

Weitere Entwicklungen führten dazu, dass der Begriff im 21. Jahrhundert Aufschwung und Bekanntheit erfuhr. Zu diesen Entwicklungen gehört vorraning die Entdeckung des Internet und die Diskussion über das World Wide Web als Wissensallmende. Auch die Debatte über den Klimawandel, insbesondere über die Verschmutzung der Gewässer und der Atmosphäre unseres Planeten rückten die Existenz des Gemeingut wieder in das Bewusstsein der Menschen [13].

Die Wiederentdeckung dieser "modernen" Gemeingüter, wie beispielsweise geteiltes Wissen im Internet, ist weiterhin in vollem Gange. Auch die aktuellen Urban-Gardening-Bewegungen sind ein weiteres bekanntes Beispiel dafür [14].

Motivation und Zielsetzung

Der Grundgedanke der Commons-Bewegung ist es Gemeingüter durch einen gesellschaftlichen Willen zu erschaffen, mit dem Ziel die benötigten Ressourcen gemeinsam, fair und nachhaltig zu nutzen. Commons existieren demnach nur, wenn sie zu solchen gemacht werden. Dabei handeln Menschen in der Erschaffung und Nutzung von Commons nicht für kommerzielle, sondern für eigene Zwecke. Anders als in der Wirtschaft steht nicht die Rentabilität im Vordergrund. Commons müssen daher nicht bestmöglich optimiert werden und Commons-Produkte gut verkäuflich sein, um sich tragen zu können [15].

Im Gegensatz zu der Annahme Hardins, dass Zwang und Kontrolle von außen erforderlich sind, um die »Tragik der Allmende« zu lösen, folgt die Commons-Bewegung dem Gedanken, dass Menschen mögliche Probleme erkennen und zu einer Einigung miteinander kommunizieren würden. Nichtsdestotrotz wird kein unkontrollierter Zugriff auf die Ressourcen gewährt. Es werden Nutzungsregeln festgelegt, die einen gemeinschaftlichen Besitz ermöglichen. Dabei herrscht eine Philosophie des Gebens und Nehmens, des Erschaffens durch Teilen. Die Ressourcen haben nicht die Eigenschaften grundsätzlich knapp zu sein, vielmehr können sie wachsen, indem sie genutzt und weiterverwendet werden.

Folgende Beispiele zeigen diesen Prozess:

Wikipedia: Nutzer stellen Wissen zur Verfügung und haben gleichzeitig Zugriff auf anderes Wissen. So kann sich das Wissen jedes Einzelnen und das der Gemeinschaft vermehren Das Beispiel Wikipedia zeigt jedoch auch, dass diese Philosophie nie uneingeschränkt möglich ist. Nicht jeder Leser ist auch Autor und Artikel unterscheiden sich in Qualität und Verständlichkeit.
Umsonstladen: Das Konzept von Umsonstläden verfolgt die Ziele gegen Verschwendung und für die Umwelt zu wirken. Gleichzeitig soll alten Dingen neuer Wert gegeben werden. Sie öffnen sich der ganzen Gesellschaft. Sie leben aus dem Prinzip heraus, dass die Gemeinschaft von allen ihren Mitgliedern getragen wird und alle etwas beitragen können. Umsonstläden sind somit ein sozialer Treffpunkt für Menschen, die sich wechselseitig helfen. Die Umsonstläden sind keine Tauschläden. Es muss weder bezahlt, noch müssen Dinge direkt getauscht werden. Bringen und Holen, Geben und Nehmen sind hier entkoppelt, man kann nur Geben, man kann nur Nehmen, oder beides tun.
Gemeinschaftsgarten: Gemeinschaftsgärten sind Gärten, die von einer Gruppe von Menschen betrieben werden. Hier spielt aber nicht nur das Gärtnern eine Rolle, sondern auch das gemeinsame Arbeiten, die Mitgestaltung des Stadtteils, die Möglichkeit der Partizipation innerhalb einer Gemeinschaft, die Entwicklung eines gemeinschaftlichen Sinns im gemeinsamen Tun und letztlich das kommunikative Zusammensein im Garten [16].

Die Art des Teilens fördert bei den Commons die Weitergabe sowie die Weiterentwicklung von Ressourcen. Besonders wichtig erscheint das Wissen der Menschen, das seit Entstehung der Menschheit Generation um Generation weitergegeben wird und nachhaltig fortbestehen soll [17]. Durch das Nutzen der Wissensallmende vergrößert sich der Pool an Fähigkeiten bei jedem Einzelnen. Diese positive Reziprozität (Menschenbild des homo reciprocans/cooperativus), also eine potenzialfördernde wechselseitige Beziehung, führt gleichzeitig zu einer stärkeren Gemeinschaftlichkeit [18].


Tragende Elemente

Der Eigentumszustand bei Commons ist dadurch gekennzeichnet, dass es keinen gibt [19]. Ein Commons gehört der Gesellschaft und es wird gemeinschaftlich geführt. Entscheidungen werden horizontal von allen Mitgliedern getroffen. Zu einem gelingenden Gemeingutmanagement gehören laut Elinor Ostrom acht Prinzipien [20]:

(1) Grenzen zwischen den Nutzern und Ressourcengrenzen: In Commons müssen klar definierte und akzeptierte Grenzen zwischen Nutzern und Nutzungsberechtigten existieren.

(2) Übereinstimmung mit lokalen Gegebenheiten (Kohärenz): Regeln müssen an die speziellen örtlichen Kulturen angepasst werden. Aneignungs- und Bereitstellungsregeln sollten aufeinander abgestimmt sein. Kosten und Nutzen sollte proportional unter den Nutzern aufgeteilt werden.

(3) Gemeinschaftliche Entscheidung: Nutzer und Nutzungsberechtigte können Veränderungen, Regeln, etc. gemeinsam bestimmen.

(4) Monitoring der Nutzer und Monitoring der Ressource: Menschen, die eine Ressource pflegen oder überwachen sind selbst Nutzer oder Nutzungsberechtigte. Sollten sie es nicht sein, sind sie rechenschaftspflichtig.

(5) Abgestufte Sanktion: Regelverletzungen werden erstmalig niedrig bestraft. Die Sanktionen verschärfen sich bei wiederholtem Missverhalten. Wichtig ist, dass Sanktionen glaubwürdig sind.

(6) Konfliktlösungsmechanismen: Sie müssen „schnell, günstig, direkt sein.“ [21]

(7) Anerkennung: Commons müssen ein Mindestmaß an staatlicher Anerkennung genießen. Es muss gesetzlich geregelt sein, dass Nutzer rechte haben und ihre Regeln bestimmen dürfen.

(8) Eingebettete Institution: „Sobald eine gemeinschaftliche Ressource eng mit einem großen Ressourcensystem verbunden ist, bedarf es mehrstufige Governance-Strukturen (polyzentrische Governance).“ [22]

Laut Ostrom werden Entscheidungen in einem Commons gemeinschaftlich nach dem Konsensprinzip getroffen. Problematisch dabei ist aber, dass bei einer solchen Systematik alle Entscheidungsträger zustimmen müssen. Je größer ein Commons, desto komplexer die Entscheidungsfindung. Gleichzeitig besteht die Chance, dass alle Beteiligten die Entscheidung nachhaltig mitverantwortlichen, da ihre Interessen berücksichtigt werden. Zu den Mitgliedern einer Commons gehören alle betroffenen Personengruppen. Ein Commons kann bereits aus zwei Personen bestehen und es gibt keine Begrenzung nach oben. In Vereinen oder Trusts kann man einen Mitgliedsbeitrag spenden [23].

Das Modell der Commonsforscherin und Nobelpreisträgerin Ostrom erfährt jedoch nicht nur Lob, sondern wird gerade unter den Commons-Anhänger auch kritisiert. In ihren Argumenten verlässt Ostrom nie den liberalen-ökonomischen Argumentationsrahmen und stellt das kapitalistische Marktsystem als solches infrage ebenfalls nicht infrage [24]. Ebenfalls wird kritisiert, dass Ostrom die Einbettung der Commons in das bestehende Marktsystem nie als problematisch hervorgehoben hat, wo doch Commons oppositionell zur kapitalistischen Marktwirtschaft stehen [25].

Mechanismen

Kontrolle

Dem Grundgedanken der Commons entsprechend, ist auch die Kontrollinstanz in derartigen Organisationen die Gemeinschaft. So werden in Übereinkunft gemeinsame Nutzungsregeln geschaffen, die selbstbestimmt für alle gültig sind. Es ist wichtig, den Mitgliedern eine aktive Mitgestaltung zu ermöglichen. Dies fördert einerseits das Vertrauen, andererseits auch die Verantwortung. Nutzer müssen so viel über die Organisation wissen, dass sie Chancen und zugleich auch Risiken kennen [26]. Diese sog. „Self-Governance“ kann Reaktanz abbauen und die Gemeinschaft stärken [27].

Fairness ist ein entscheidender Faktor für nachhaltige und stabile Commons [28]. Sobald sich Mitglieder ungerecht behandelt fühlen, ist die Gemeinschaft gefährdet. Laut Ostrom [29] muss die Kontrolle und Verwaltung der Organisation durch Nutzer selbst ein wirksamer und wesentlicher Bestandteil der Commons sein. In ihren Designprinzipien nennt sie außerdem weitere Faktoren der Kontrolle:

• Es muss eine Grenze gezogen werden zwischen legitimen Nutzern und Nicht-Nutzern,
• es soll Sanktionen bei Regelverletzungen geben und
• die Nutzer haben die Eigenverantwortung, den Zustand der Ressource zu kontrollieren.

Eine weitere Kontrolle kann in der natürlichen Selektion der Mitglieder liegen. Es ist davon auszugehen, dass in einem bestimmten Commons-Bereich vornehmlich „Gleichgesinnte“ engagiert sind und es daher weniger zu Regelverstößen kommt. Trotzdem besteht das Problem, dass auch durch klare Regeln eine Übernutzung der Ressourcen nicht immer verhindert werden kann.


Aufgaben

Aufgabenverteilung ermöglicht die Integration in Commons, denn diese sind keine organisationslosen Zusammenschlüsse von Menschen. Sie zeigen ähnliche Organisationsmuster wie Firmen, jedoch sind sie selbst verwaltet[30]. Commons wie Wikipedia haben ebenso wie Unternehmen Vorstände, Geschäftsführer, Redakteure und sogar Werkstudenten und Praktikanten [31]. Folglich sind sie soziale Systeme mit einem Prinzip der Selbstverwaltung und "auf Konsens beruhenden Rechten zur Regelung der Nutzung und des Zugangs zu einer Ressource"[32]. Erfolgreiche Gemeingüter haben klar definierte Grenzen, die allen Teilnehmern bekannt sind und sie verfügen über ausreichende Transparenz, "sodass Trittbrettfahrer identifiziert und bestraft werden können"[33]. Der Erfolg des Commons ist davon abhängig, dass nötige Aufgaben erkannt und auch erfüllt werden. Die Nichtbesetzung eines Postens kann zum Scheitern des jeweiligen Commons führen und mit der Größe und Popularität eines Commons steigt der Organisationsanspruch und der Bedarf nach geregelter Aufgabenverteilung [34]. Durch Arbeitsverteilung und Strukturentwicklungen können wiederum Interessenkonflikte entstehen, die zu Konflikten führen. Die Voraussetzung für eine wirksame Aufgabenverteilung liegt in dem reinen Willen aller beteiligten Parteien, eine gemeinsame Lösung zur Strukturierung zu finden. Alle Parteien, die von der Commons Nutzung betroffen sind, haben die Verantwortung, die Aufgaben zu bestimmen und zu verteilen [35].


Selektion

Innere Selektion Innerhalb einer Commons-Organisation ist im Grunde nicht existent, jeder ist auf gleiche Weise aufgefordert sich mit einzubringen. Es gibt weder besser noch schlechter, noch die bevorzugte Behandlung eines Besseren. Am Ende steht nicht die Selektion, sondern die Kooperation. Commons funktionieren nur, wenn alle einbezogen sind und niemand herausfällt [36].


Sozialisation

Die Sozialisation ist bei den Commons ein eher natürlicher Mechanismus. In Abgrenzung zur Integration, beschreibt er die kulturelle Eingliederung in die Organisation. Die Motive sich in Commons zu engagieren sind vielfältig. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass dies grundsätzlich darauf fußt, dass die Person sich engagiert da sie sich besonders mit dem Zweck und Ziel identifizieren kann und dies unterstützen möchte und/oder dass ihr der gesellschaftliche Rahmen dafür wichtig ist. Besonders wichtig ist, dass jede Teilnahme auf Freiwilligkeit beruht. So ist davon auszugehen, dass eine Kultur des „Commoning“, also der Kooperation in sozialen Strukturen und Praktiken [37] weitestgehend gegeben ist. Auch hier besteht der Gedanke, dass sich in einem bestimmten Commons-Bereich vornehmlich „Gleichgesinnte“ engagieren und daher ähnliche Werte in sich tragen. Trotz der Annahme Meretz‘ [38] ist also davon auszugehen, dass eine gewisse gemeinsame Basis schon bei Eintritt in die Commons-Gemeinschaft besteht, auch wenn dies nicht unbedingt von Nöten ist. Meretz beschreibt zudem, dass sich viele Menschen durch die Arbeit in Commons-Projekten verändern. Vermutlich ist dies auf die Sozialisationswirkung der Arbeit als solche zurückzuführen. Diese wird (für eine bestimmte Gruppe) oft als sinnstiftend und nachhaltig empfunden, sodass eine besonders starke Zugehörigkeit erzeugt wird.


Integration

Bei Gemeingütern bedeutet Integration das aufeinander Abstimmen verschiedener Organisationsteile, beispielsweise bei Wikipedia die Autoren, Nutzer, Administratoren, usw. Es muss sich gegenseitig unterstützt werden, aber trotzdem sollten es nicht einzelne Teile sein, die im Sinne ihrer eigenen Interessen arbeiten, sondern den Nutzen der Gemeinschaft fördern und das Ziel der Gemeinschaft im Auge behalten. Durch Selbstorganisation in großen Commons können allerdings auch Probleme entstehen. Ein Beispiel hierfür ist Wikipedia, wo es schnell unübersichtlich werden kann, da diverse Parteien an der Erstellung eines Artikels involviert sind. Es gibt eine Vielzahl an Autoren, deren Artikel von Administratoren korrigiert werden müssen und nach Veröffentlichung eines Artikels gibt es Kommentatoren, die ihre Meinung äußern können und den Artikel dadurch ergänzen oder in Frage stellen können [39]. Folglich muss in Commons ein einheitlicher Weg geschaffen werden, um diese Parteien aufeinander abzustimmen. Voraussetzung dafür ist, dass alle ein einheitliches Ziel vor Augen haben und nicht ihren eigenen Nutzen maximieren wollen [40]. Die Integration bei Commons ist ein stetig ablaufender Prozess, da jedes Mitglied der Gemeinschaft stimmberechtigt ist und Veränderungen anstoßen kann [41].


Vertiefung: Wie funktionieren Anreize bei den Commons?

Ausgehend von dem Gemeinschaftsgedanken, der hinter den Commons steht, ergibt sich die Annahme, dass externe Anreizsysteme in der Organisationsform der Commons nicht oder nur sehr beschränkt funktionieren. Motivation wird aus den Personen selber und/oder aus der Gemeinschaft geschöpft. So steht intrinsische Motivation an erster Stelle.

Mit dem Gestaltungsparameter „Intrinsische Motivation“ sind es individuelle Motive und Prozesse der einzelnen teilhabenden Menschen, die zu dem gewünschten Output führen. Am Beispiel von Wikipedia sind es unterschiedliche Rollen, die den beteiligten Personen zukommen wie z. B. Autor / Korrektor / Leser. Diese können unterschieden werden, es kann jedoch auch sein, dass eine Person alle dieser Rollen innehat. Aus der jeweiligen Rollenperspektive ergeben sich individuelle Gründe, warum diese Person der entsprechenden Aktivität gerne nachgeht. So kann es Autoren z. B. darum gehen, das eigene Wissen des Teilens wegen oder um ihr Wissen zu zeigen teilen. Korrektoren haben vielleicht eine Leidenschaft für Grammatik und Rechtschreibung, kennen sich in Themen genauso gut oder besser aus und wollen Wikipedia stets qualitativ hochwertig halten. Leser können zum Einen sehr neugierig sein und sich ständig weiterbilden wollen oder zum Anderen einfach nur zu bequem für einen ersten thematischen Überblick tiefergehende Literatur zu lesen. Dies sind beispielhafte Gründe, die einzelnen Motive können von Person zu Person schwanken. Wichtig ist jedoch, dass am Ende Wikipedia als Gesamtkonstrukt funktioniert, weil die Gemeinschaft, die daran Teil hat das gleiche Ziel verfolgt, Wissen für alle zugänglich zu machen.


Würdigung

„Es geht schlicht darum, Organisations- und Kooperationsformen zu erkämpfen, in denen Dominanz über andere keinen Raum findet.“ [42]

Schaut man sich die lange Geschichte der Commons an, zeigt sich, dass ihr Nutzen beträchtlich ist. Als Organisationsform die Gemeinschaft, Sinn und Nachhaltigkeit in den Fokus rückt, sind die Commons eine der wichtigsten Institutionen um diese zu bewahren. Losgelöst von kapitalistischen Strukturen ermöglichen sie es, einen Beitrag für die Gesellschaft und den Schutz natürlicher Ressourcen zu schaffen. Bottom-up Strategien zur Ressourcennutzung helfen ihnen dabei den Ansprüchen der Umwelt und der Gesellschaft zu entsprechen. Es kann nicht allein in der Hand von Regierungen liegen, Wissen, Instrumente und Sozialkapital zu entwickeln, damit Entwicklungsprozesse stetig gefördert werden. Eine ständige Anpassung an kulturelle und ökologische Begebenheit ist für den Erfolg von Commons-Initiativen besonders wichtig. So wünscht sich Ostrom [43], dass jeder Einzelne versteht, dass und wie er an der permanenten Gestaltung des Gemeinwesens Teilnahme hat.

Gleichzeitig ist dies auch eine Schwäche, die die Commons ausmacht. Jegliche Arbeit basiert auf dem Willen zusammenzuarbeiten und ist daher instabil und anfällig [44].

So müssen Bedingungen geschaffen werden unter denen das Funktionieren von Commons möglich gemacht wird. Es ist eine der wesentlichen Aufgaben, Menschen die Kunst des „Zusammentuns“ nahezubringen [45] und ihre Fähigkeit zu stärken in Selbstorganisation und Kooperation zu arbeiten [46]. So könnte dies Ziel einer Commons-Initiative sein, in der jeweiligen Region ein Bewusstsein für ihre Arbeit zu schaffen und die Identifikation der Bevölkerung mit ihnen zu stärken. Auch ist es wichtig, dieses Bewusstsein schon früh auszubilden, daher sollten (Grund-)Schulen mit einbezogen werden und bereits selber praktische Projekte durchführen. Für erwachsene Menschen kann die Zeit für Commons ein kritischer Faktor sein. In Zeiten der Flexibilisierung von Arbeitszeit und –ort könnte es möglich gemacht werden, den Commons mehr Raum zu schaffen.


Einzelnachweise

Literatur

Acksel, B., Euler, J., Gauditz, L., Helfrich, S., Kratzwald , B., Meretz, S., et al. (2015). Commoning - Zur Konstruktion einer konvivialen Gesellschaft. In F. Adloff, & V. M. Heins, Konvivialismus. Eine Debatte (S. 133-145). Bielefeld: transcript Verlag.

Barnes, P. (2008). Kapitalismus 3.0. Ein Leitfaden zur Wiederaneignung der Gemeinschaftsgüter. Hamburg. VSA: Verlag Hamburg.

Beckenkamp, M. (2012). Der Umgang mit sozialen Dilemmata. Institutionen und Vertrauen in den Commons. In S. Helfrich, & Heinrich-Böll-Stiftung, Commons - Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat (S. 51-57). Bielefeld: transcript Verlag.

Bennholdt-Thomsen, V. (2012): Subsistenz – Perspektive für eine Gesellschaft, die auf Gemeingüter gründet. In: Helfrich/ Heinrich-Böll-Stiftung 2012 (Hrsg.): Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat. Bielefeld: transcript Verlag.

Exner, A., & Kratzwald, B. (2012). Solidarische Ökonomie & Commons. Wien: Mandelbaum.

Helfrich, S. (2007): Was sind Commons? Online im Internet: https://commonsblog.wordpress.com/was-sind-commons/ (zuletzt abgerufen am 25.07.2016)

Helfrich, S., & Heinrich-Böll-Stiftung. (2009). Wem gehört die welt?: Zur wiederentdeckung der Gemeingüter. München: Oekom-Verl., Ges. für Ökologische Kommunikation.

Helfrich, S., & Stein, F. (2011). Was sind Gemeingüter? Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) , S. 9-15.

Helfrich, S. (2012a). Das "Betriebssystem" der Commons Version 0.5. In S. Helfrich, & Heinrich-Böll-Stiftung, Commons - Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat (S. 66-68). Bielefeld: transcript Verlag.

Helfrich, S. (2012b): Einführung. Gemeingüter sind nicht, sie werden gemacht. In: Ostrom 2012 (Hrsg.): Was mehr wird, wenn wir teilen, München: Oekom Verlag, S 11.-19.

Gartenpolylog (2016): Was sind Gemeinschaftsgärten? Online unter: https://gartenpolylog.org/de/gartenpolylog-gemeinschaftsgarten/was-sind-gemeinschaftsgarten

Linebaugh, P. (2012): Commons. Von Grund auf eingehegt. In: Helfrich/ Heinrich-Böll-Stiftung 2012 (Hrsg.): Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat. Bielefeld: transcript Verlag.

Meretz, S. (2012): Ubuntu-Philosophie. Die strukturelle Gemeinschaftlichkeit der Commons. In: Helfrich/ Heinrich-Böll-Stiftung 2012 (Hrsg.): Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat. Bielefeld: transcript Verlag.

Ostrom, E. (2011). Was mehr wird, wenn wir teilen - Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter. (S. Helfrich, Übers.) München: oekom Verlag.

Wikipedia, 2016a. Hauptseite. https://www.wikipedia.de.

Wikimedia, 2016b. Präsidium. https://www.wikimedia.de/wiki/Präsidium. Zuletzt besucht 31.08.2016.

  1. (Helfrich, 2012)
  2. (Exner & Kratzwald, 2012, S. 22)
  3. (Ostrom, 2011, S. 15)
  4. (Ostrom, 2011, S. 11)
  5. (Ostrom, 2011, S. 108)
  6. (Helfrich, 2012a)
  7. (Linebaugh 2012)
  8. (Linebaugh 2012)
  9. (Helfrich 2007)
  10. (Ostrom 2012)
  11. (Helfrich 2012)
  12. (Ostrom 2012, S. 12-13)
  13. (Linebaugh 2012)
  14. (Helfrich 2012)
  15. (Acksel et al., 2015)
  16. (Gartenpolylog, 2016)
  17. (Helfrich & Stein, 2011)
  18. (Acksel et al., 2015)
  19. (Helfrich & Heinrich-Böll-Stiftung, 2009, S. 257)
  20. (Ostrom, 2011, SS. 85ff.)
  21. (Ostrom, S. 86)
  22. (Ostrom, 2001, S. 87)
  23. (Barnes, 2008, S. 20)
  24. (Exner & Kratzwald, 2012, S. 28)
  25. (Exner & Kratzwald, 2012, S. 28)
  26. (Helfrich & Stein, 2011)
  27. (Beckenkamp, 2012, S. 55)
  28. (Meretz, 2012, S. 62)
  29. (2011, S. 78)
  30. (Ostrom, 2011, S. 25)
  31. (Wikimedia, 2016b)
  32. (Helfrich & Heinrich-Böll-Stiftung, 2009 S. 32 )
  33. (Helfrich & Heinrich-Böll-Stiftung, 2009, S. 32 )
  34. (Ostrom, 2011)
  35. (Ostrom, 2011)
  36. (Meretz 2012)
  37. (Meretz, 2012)
  38. (2012, S. 63)
  39. (Wikimedia, 2016a)
  40. (Ostrom, 2011, S. 29)
  41. (Ostrom, 2011, S. 86)
  42. (Helfrich & Stein, 2011)
  43. (2011, S. 30, 84)
  44. (Beckenkamp, 2012, S. 51)
  45. (Beckenkamp, 2012)
  46. (Ostrom, 2011, S. 30)