Betriebliche Sozialleistungen

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Verfasserinnen: Cornelia A. Hänel, Katharina J. Graf

Betriebliche Sozialleistungen

Aufwendungen des Arbeitgebers in Form von Geld-, Sach- und sonstigen Dienstleistungen an die Arbeitnehmer oder ihre Angehörigen, die über das reguläre Leistungsentgelt hinausgehen, werden als betriebliche Sozialleistungen bezeichnet. Dabei ist zu unterscheiden zwischen gesetzlichen, tariflichen und freiwilligen bzw. zusätzlichen Sozialleistungen des Arbeitgebers (vgl. Reichwein 1965, S. 16 und 67).

Der Begriff der betrieblichen Sozialpolitik wird hier „als die Summe aller derjenigen betriebspolitischen Maßnahmen definiert, die eine Betriebs- und Unternehmensleitung auf Grund eigener freier oder wenigstens widerrufbarer Entscheidungen durchführt, die – über Lohn und Gehalt sowie über die gesetzlichen und tariflichen Sozialleistungen hinaus – auf die wirtschaftliche Besserstellung und soziale Sicherung der Betriebsangehörigen gerichtet sind“ (Reichwein 1965, S. 63). Somit bezeichnen die zusätzlichen Sozialleistungen eines Unternehmens dessen betriebliche Sozialpolitik.

Gesetzliche und tarifliche Sozialleistungen

Zu den gesetzlichen Sozialleistungen zählen die Beiträge der Arbeitgeber zur gesetzlichen Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung sowie Versicherungsbeiträge gegen Betriebsunfälle und Berufskrankheiten oder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Hinzu kommen Leistungen aufgrund des Mutterschutzes und die Bezahlung von Feiertagen. Das Statistische Bundesamt hat für das Produzierende Gewerbe und den Dienstleistungsbereich eine Aufstellung der Arbeitskosten je Vollzeitarbeitsplatz für das Jahr 2004 veröffentlicht (vgl. http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/VerdiensteArbeitskosten/Arbeitskosten/Tabellen/Content75/StrukturKostenart,templateId=renderPrint.psml). Demnach betrugen die gesetzlichen Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung 13,7% der Arbeitskosten. Das waren 18,6% der Bruttolöhne. Die Lohn- und Gehaltsfortzahlung umfasste 2,5% der gesamten Arbeitskosten.

Tarifvertraglich werden insbesondere Regelungen über Urlaubslänge, Urlaubsgeld, Art und Höhe von Gratifikationen, Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt, betriebliche Altersversorgung, Familienbeihilfe und Vermögensbildung zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbart (vgl. Drumm 1989, S. 335). Tarifliche Sozialleistungen können sich teilweise mit den freiwilligen Sozialleistungen überschneiden. Aber nur bei den freiwilligen Leistungen hat der Arbeitgeber einen direkten Einfluss auf die Ausgestaltung. Gemäß § 87 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) bestimmt der Arbeitgeber die freiwilligen Leistungen nicht allein, sondern muss mit dem Betriebsrat als Vertretungsorgan der Arbeitnehmer Verhandlungen eingehen (vgl. Gabler 2004, S. 2063). So hat sich der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über Urlaubspläne, Verhütung von Arbeitsunfällen, Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, Fragen der betrieblichen Lohngestaltung etc. zu einigen. Die genannten Daten des Statistischen Bundesamtes aus 2004 weisen einen prozentualen Anteil der Leistungen für die betriebliche Altersversorgung an den gesamten Arbeitskosten von vier aus. Nicht näher definierte „sonstige freiwillige Sozialleistungen“ betrugen 0,7% der Arbeitskosten je Vollzeitarbeitsplatz. Insgesamt lässt sich von 1978 bis 2004 eine steigende Tendenz der Ausgaben für Sozialleistungen feststellen (vgl. http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Querschnittsveröffentlichungen/Statistisches

Zweck freiwilliger Sozialleistungen

Reichwein beschreibt die Zwecksetzung der betrieblichen Sozialpolitik anhand von sieben Arbeitgebermotiven. Jedes Motiv lässt sich dabei nur auf einen Ausschnitt der Zusatzleistungen beziehen, niemals auf die Gesamtheit der gewährten Leistungen. Eines der ältesten und ursprünglichsten Motive zur Gewährung von betrieblichen Sozialleistungen ist das der Für- und Vorsorge. Es entstammt den Anfängen der Industrialisierung, als die Arbeiter zumeist unter desolaten Bedingungen arbeiten mussten. Aus einem Gefühl der sozialen Verantwortung und christlichen Nächstenliebe auf Seiten der Unternehmer heraus ging es um die Bereitstellung von Wohnraum, Sicherung der Gesundheit und Ernährung. Heute lässt sich als prägnantes Beispiel einer Für- und Vorsorgeleistung die betriebliche Altersversorgung anführen. Hierunter fallen „alle Leistungen der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung.., die ein Arbeitgeber zur Sicherung des Lebensstandards nach Eintritt eines Versorgungsfalles (Alter, Invalidität oder Tod) für seine Arbeitnehmer und ihre Angehörigen unmittelbar oder über rechtlich selbständige Versorgungsträger erbringt.“ (Schnabel, Wagner 1999, S. 71)

Das Motiv der Disziplinierung und Erziehung der Belegschaftsmitglieder entstammt ebenso der ersten Zeit der Industrialisierung, lässt sich aber auf die heutige Zeit nicht im gleichen Sinne übertragen. Damals ging es um die Sicherung der Ordnung im Betrieb. Sozialleistungen wurden sowohl zur Belohnung als auch zur Bestrafung eingesetzt. Der mögliche, auch vollständige, Entzug von gewährten Leistungen unterstrich die Abhängigkeit der Arbeiter – insbesondere wenn es sich um Fürsorgeleistungen und Hilfen in Notlagen handelte, auf die die Arbeiter in den meisten Fällen angewiesen waren (vgl. Reichwein 1965, S. 90ff.). Eine solche Abhängigkeit kann angesichts des verbesserten Lebensstandards der Arbeitnehmer und vorhandener staatlicher Sozialpolitik für die heutige betriebliche Sozialpolitik nicht mehr angenommen werden. Angesichts der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt ist es heute vielmehr die Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen, die ein „diszipliniertes Verhalten im Sinne des Unternehmens“ fördert.

Das Motiv der Herrschaftssicherung zielt auf den Gehorsam der Arbeitnehmer und die Anerkennung von Weisungen ab. Früher gefährdeten Interessengegensätze und -konflikte die Stabilität des Machtverhältnisses zwischen Unternehmern und Arbeitern. Nach der Überwindung der Klassentrennung, Separation von Eigentum und Kontrolle bei den Kapitalgesellschaften und der Entwicklung hin zu einem ausgeglichenen Spannungsverhältnis zwischen den Leistungsfaktoren Kapital und Arbeit ist der Betrieb heute mehr eine „soziale Organisation“ als ein „Herrschaftsverband“. Die Erhaltung des Betriebes als gemeinsames Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmern steht normalerweise im Vordergrund (vgl. Reichwein 1965, S. 53 und 173f.)

Das Motiv der Abwehr außerbetrieblicher, speziell gewerkschaftlicher und staatlicher Einflüsse ist als das Bestreben des Arbeitgebers nach Loyalität zu verstehen. Mit Inkrafttreten der Mitbestimmungsgesetze ist die Motivation zur Abwehr gewerkschaftlicher Einflüsse aber mehr oder weniger hinfällig geworden. Bei den freiwilligen Sozialleistungen ist es der Betriebsrat, der die Interessen der Arbeitnehmer vertritt und gemäß § 87 des Betriebsverfassungsgesetzes in sozialen Angelegenheiten ein Mitbestimmungsrecht hat.

Aus ökonomischer Perspektive sind das Motiv der Erhaltung und Steigerung der Arbeitsleistung sowie das Motiv der Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen zu berücksichtigen. Eine direkte Leistungssteigerung durch die Bereitstellung von Sozialleistungen ist nicht nachweisbar. Die Leistungsgrenze legen die Mitarbeiter mittels Leistungsnormen und -standards selbst fest, so dass es im Rahmen der betrieblichen Sozialpolitik vielmehr um die Erhaltung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit sowie um die Steigerung der Leistungsbereitschaft geht (vgl. Reichwein 1965, S. 99f.). Durch das Angebot von Betriebskindergärten können beispielsweise Fehlzeiten reduziert und die Leistungsfähigkeit gesteigert werden. Die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen wird mittels Leistungen erreicht, die für den Mitarbeiter individuell von besonderer Bedeutung sind. So kann die betriebliche Altersversorgung, die zumeist erst nach einer Mindestbetriebszugehörigkeit gewährt wird, das Motiv der Bindung unterstützen.

Zuletzt ist das Motiv der Werbung neuer Arbeitskräfte zu nennen. Eine anerkannt gute betriebliche Sozialpolitik fördert das Ansehen eines Unternehmens in der Gesellschaft und kann, bei sonst gleichen Bedingungen, in einer Entscheidungssituation den Ausschlag für dieses Unternehmen geben.

Arten freiwilliger Sozialleistungen

Freiwillige Sozialleistungen lassen sich nach der Leistungsart, dem Empfängerkreis, der Bemessungsgrundlage, der Häufigkeit der Gewährung oder nach inhaltlichen Ansatzpunkten einteilen. Hier erfolgt eine Einteilung nach der Leistungsart (vgl. Kolb 2004, S. 1744).

Leistungsart Beispiel Hinweise
Geldleistungen betriebliche Altersversorgung Zusätzliches Einkommen für die Mitarbeiter im Alter (vgl. Martin 2001, S. 307).
Vermögensbildung Z.B. Belegschaftsaktien, zur Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen (vgl. Andresen 1999, S. 44ff.).
Mitarbeiterrabatte Vergünstigungen für die Mitarbeiter und Förderung des Absatzes.
Fahrtkostenzuschüsse Pauschaler Kostenersatz.
Unterstützung in Notfällen Z.B. die Sterbekasse, die Hinterbliebenen von im aktiven Dienst verstorbenen Mitarbeitern Überbrückungshilfe leistet.
____________________ _____________________________________________________ ________________________________________________________________________
Sachleistungen Belegschaftsverpflegungen In Form von Kantinen oder Essenszuschüssen.
Busdienst, freie Parkplätze Komfortable Beförderungsmöglichkeit.
____________________ _____________________________________________________ ________________________________________________________________________
Dienstleistungen und Nutzungsmöglichkeiten Beratungsleistungen Insbesondere Suchtberatung, Schuldnerberatung oder Familienberatung.
Betriebskindergärten Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter durch Reduzierung von Fehlzeiten und Verbesserung des Betriebsklimas.
Werksärztlicher Dienst V.a. von großen Unternehmen im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung geschaffen (vgl. Nick 1992, S. 2070).


Es lassen sich viele weitere Sozialleistungen aufzählen, wie betriebliche Weiterbildung, Firmenwagen, Mitgliedschaft im Fitnesscenter, zinsfreie oder zinsgünstige Arbeitgeberdarlehen, Handy, Laptop, Miles- and More Vergünstigungen und vieles mehr (vgl. Kolb 2004, S. 1746ff.). Laut dem IAB Betriebspanel von 2000 bieten fast 70% aller Betriebe in Deutschland mindestens eine Form freiwilliger Sozialleistungen an, wobei 64,7% auf Sonderzahlungen entfallen und 17,1% auf die betriebliche Altersversorgung. Es zeigt sich auch, dass größere Betriebe tendenziell häufiger zusätzliche Leistungen anbieten (vgl. Lutz 2005, S. 438).

Formen der Ausgestaltung

Die Gestaltungsparameter der betrieblichen Sozialpolitik sind diejenigen Größen, auf die der Arbeitgeber in seinem Sinne Einfluss nehmen kann. Die nachstehende Tabelle veranschaulicht mögliche Ausprägungen wichtiger Gestaltungsparameter, zwischen denen der Arbeitgeber entsprechend seiner Zwecksetzung variieren kann:

Gestaltungsparameter Beschreibung
Empfängerkreis Belegschaft insgesamt
Teile der Belegschaft
Angehörige von Mitarbeitern
_________________________ ________________________________
Rechtliche Grundlage Arbeitsvertrag
Betriebsvereinbarung
Gewohnheitsrecht
_________________________ ________________________________
Leistungsart Geldleistung
Sachleistung
Sonstige Dienstleistung
_________________________ ________________________________
Häufigkeit der Gewährung regelmäßig / periodisch
einmalig
_________________________ ________________________________
Bemessungsgrundlage Lohn
Erfolg
Dauer der Betriebszugehörigkeit
_________________________ ________________________________
Partizipation des Mitarbeiters Wahlmöglichkeit
Keine Wahlmöglichkeit
_________________________ ________________________________
Finanzierung Eigenständig
Kooperation mit anderen Unternehmen


Zusätzliche Sozialleistungen können beispielsweise der gesamten Belegschaft, nur Teilen der Belegschaft oder aber Angehörigen von Mitarbeitern gewährt werden. Dabei ist die Zielsetzung des Arbeitgebers für die Auswahl entscheidend. Mit der Bereitstellung bestimmter Leistungen an Teile der Belegschaft kann bei diesen Mitarbeitern vielleicht eine bindende Wirkung an das Unternehmen erzielt werden. Zu beachten ist aber, dass eine unterschiedliche Behandlung auch Neid und Missgunst hervorrufen kann und durch einen negativen Einfluss auf das Betriebsklima einer Bindungswirkung kontraproduktiv gegenübersteht. Neben der Zwecksetzung spielen die Gestaltungsmöglichkeiten des Betriebes bei der Ausgestaltung der betrieblichen Sozialpolitik eine wichtige Rolle. Für einige Unternehmen besteht beispielsweise bei der Finanzierung keine Wahlmöglichkeit. Sie sind auf Kooperationen mit anderen Unternehmen angewiesen.

Wirkung freiwilliger Sozialleistungen

Eine Betrachtung der Wirkungsweise betrieblicher Sozialpolitik ist allein aufgrund der Vielzahl von Gestaltungsparametern nicht eindeutig möglich. Jede Ausprägung eines Gestaltungsparameters begründet unterschiedliche Wirkungen auf die personalwirtschaftlichen Funktionsanforderungen eines Unternehmens. Die nachstehende Übersicht zeigt beispielhaft, wie sich die Ausgestaltung von Parametern auf die Funktionsanforderungen Leistung, Lernen und Kooperation auswirken kann:

Parameter Wirkungsbereich Wirkungshypothese Begründung/Erklärung Bedingung
Teile der Belegschaft als Empfängerkreis Leistung Positive Wirkung Sozialleistung als Belohnung und Ansporn. Die Empfänger erkennen ein "spürbaren" Vorteil.
Lernen Keine spezifische Wirkung erkennbar.
Kooperation Negative Wirkung Neid und Missgunst von Seiten der Nicht-Berücksichtigten; verschlechtertes Betriebsklima. Differenzierung ist der Belegschaft bekannt.
_______________________ ____________________________ _______________________________________ ______________________________ _____________________________
Mindestbetriebszugehörigkeit für Gewährung Leistung Positive Wirkung Nur bei guter Leistung ist ein Verbleib im Unternehmen möglich. Kein besseres externes Angebot zur Leistungsvergütung.
Lernen Positive Wirkung Abläufe im Unternehmen sind bekannt, Verbesserungsvorschläge somit möglich. Bereitschaft für eine Anpassung an geänderte Umweltbedingungen.
Kooperation Positive Wirkung „Man kennt sich“; Hilfe, Unterstützung der Kollegen ist gegeben. Der ganzen Belegschaft gewährte Sozialleistung.


Die Mindestbetriebszugehörigkeit als Voraussetzung für den Erhalt einer Sozialleistung wirkt sich beispielsweise positiv auf die Leistung des Mitarbeiters aus. Nur durch gute Leistungen kann der Mitarbeiter seinen Verbleib im Unternehmen sichern. Diese positive Wirkung tritt aber nur dann ein, wenn dem Mitarbeiter von einem externen Arbeitgeber kein besseres Angebot vorliegt. Eine Mindestbetriebszugehörigkeit sorgt für eine gewisse Verweildauer der Mitarbeiter im Unternehmen und wirkt sich so positiv auf das Lernen der Organisation aus. Die Mitarbeiter kennen die Abläufe im Unternehmen und können auf veränderte Umweltbedingungen besser reagieren. Die Wirkung auf die Kooperation ist ebenfalls positiv, sofern die Sozialleistung der gesamten Belegschaft zur Verfügung gestellt wird. Durch die Verweildauer im Unternehmen kennen sich die Kollegen gut und helfen einander. Dieser positive Einfluss auf die Kooperation kann ebenso als Gedanke hinter dem Motiv der Bindung aufgefasst werden. Neben der Kostenersparnis bei geringer Fluktuation wirkt die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen positiv auf die Kooperation. Dabei ist zu unterscheiden zwischen einer affektiven, abwägenden und normativen Bindung an das Unternehmen:

Affektiv meint die emotionale Bindung von Mitarbeitern an ihr Unternehmen, die Identifikation damit und die Eingebundenheit in dieses. Sie entsteht durch positive Gefühle im Organisationskontext, die sich im Zeitverlauf zu einer emotionsbetonten Bindung entwickeln. Betriebskindergärten stärken die emotionale Bindung eines Mitarbeiters an das Unternehmen, sofern eine gute Betreuung im Sinne der Eltern ge-währleistet wird.

Abwägende Bindung resultiert aus hohen Kosten, die mit dem Verlassen der Organisation einhergehen. Hier wird durch Kosten-Nutzen-Kalkulation abgewogen, ob das Ausscheiden aus der Organisation nachteilig ist. Die betriebliche Altersversorgung sorgt für eine abwägende Bindung. Hier wird dem Arbeitnehmer gemäß § 1b des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) eine unverfallbare Anwartschaft unter Anderem erst dann eingeräumt, wenn das Arbeitsverhältnis bei Eintritt des Versorgungsfalls mindestens fünf Jahre bestanden hat. Der Arbeitnehmer muss also vor Ausscheiden aus dem Unternehmen zwischen dem Verlust der Altersvorsorge und einem eventuell besseren neuen Jobangebot abwägen. Sind die Verluste des Ausscheidens höher als der Nutzen des neuen Jobangebots, wird der rationale Arbeitnehmer im alten Unternehmen bleiben.

Normative Bindung letztendlich beruht auf der Überzeugung, dass es richtig ist dem Unternehmen treu zu bleiben. Man betrachtet es als moralisch bedenklich, aus der Organisation auszuscheiden. Normative Bindung entsteht durch besonders faires Verhalten des Unternehmens gegenüber dem Mitarbeiter (vgl. Weller 2003, S.83). Das Angebot einer Suchtberatung stärkt die normative Bindung eines suchtkranken Mitarbeiters an das Unternehmen. Es ist auf ein besonders faires Verhalten eines Unternehmens zurückzuführen, wenn es einen beispielsweise alkoholsüchtigen Mitarbeiter nicht entlässt, sondern ihn auf seinem Weg der Genesung begleitet und unterstützt. Ein Arbeitnehmer, dem so eine Unterstützung zu Teil wurde, wird es als moralisch verwerflich ansehen, die Organisation zu verlassen.

Anwendungsvoraussetzungen

Neben den im vorherigen Abschnitt aufgezeigten wirkungsbezogenen Bedingungen sind allgemeine Voraussetzungen für die Einführung freiwilliger Sozialleistungen zu berücksichtigen.

Der Arbeitgeber hat vor Gewährung freiwilliger Sozialleistungen deren Finanzierbarkeit sicherzustellen. So wird sich z.B. ein Betriebskindergarten bei Unternehmen mit einer geringen Mitarbeiterzahl kaum finanzieren lassen. Eine solche Sozialleistung wird erst bei Unternehmen einer bestimmten Größe tragbar sein. Das zur Verfügung stellen von betriebseigenen Parkplätzen hingegen ist grundsätzlich auch für kleine Unternehmen finanzierbar. Nicht nur die Gelder sind vom Unternehmen aufzubringen, sondern es ist auch eine Kosten-Nutzen-Kalkulation für die Sozialleistungen zu erstellen (vgl. Doyé 2000, S. 17f.). Daher erscheint es sinnvoll für die betrieblichen Sozialleistungen ein entsprechendes Controlling im Unternehmen zu implementieren (vgl. Kolb 2004, S. 1751).

Um einige Sozialleistungen anbieten zu können, müssen zunächst geeignete Partner für deren Einführung gefunden werden. Die Belegschaftsverpflegung beispielsweise wird meist durch einen Kantinenbetreiber bereitgestellt, mit dem das Unternehmen entsprechende vertragliche Vereinbarungen zu treffen hat.

Eine weitere Voraussetzung ist das Vorhandensein der entsprechenden Räumlichkeiten. So müssen Flächen für die Bereitstellung von Parkplätzen oder für eine Kantine vorhanden sein bzw. geschaffen werden.

Um dem Motiv der Werbung neuer Mitarbeiter gerecht zu werden, reicht es nicht aus, das Sozialleistungsangebot ausschließlich innerhalb des Unternehmens zu kommunizieren, sondern es ist auch extern bekannt zu machen.

Unternehmen sind bei der Gestaltung ihres Sozialleistungssystems gemäß § 87 BetrVG größtenteils abhängig von der Zustimmung des Betriebsrates (vgl. Kolb 2004, S. 1748). Darüber hinaus sind je nach Sozialleistung rechtliche Anforderungen zu erfüllen. So sind bei der Einrichtung einer Kantine beispielsweise gesetzliche Hygienevorschriften zu beachten.

Beurteilung

Angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen freiwilliger Sozialleistungen ist eine pauschal positive oder negative Beurteilung in Bezug auf die zusätzlichen Sozialleistungen nicht möglich. Entscheidend ist die konkrete Gestaltung des Sozialleistungsangebots. Die Auswirkungen einer Bereitstellung von freiwilligen Sozialleistungen auf ein Unternehmen hängen insbesondere von der Ausprägung der Gestaltungsparameter ab. Dabei ist zu beachten, dass das Instrument der freiwilligen Sozialleistungen auch die Beziehungen der Arbeitnehmer untereinander beeinflussen kann. Es wurde verdeutlicht, dass bei einer Bereitstellung an Teile der Belegschaft bei diesen eine bindende Wirkung erzielt, bei anderen Teilen jedoch Missgunst hervorgerufen werden kann. Darüber hinaus sinkt die Kooperationsbereitschaft dieser Mitarbeiter mit jenen, welche eine Sozialleistung erhalten haben. Bei der Auswahl und Entscheidung für einen Arbeitgeber wird ein Arbeitnehmer grundsätzlich darauf achten, ob und welche Art von Sozialleistungen ihm angeboten werden. Aus diesem Grund sind häufig große Unternehmen bei Arbeitnehmern sehr beliebt. Dort wird ihnen von der Mitgliedschaft im Fitnesscenter über einen Firmenwagen bis hin zur betrieblichen Altersversorgung meist alles von der Firma angeboten. Vor allem gewinnt die betriebliche Altersversorgung einen immer höheren Stellenwert bei Arbeitnehmern, da der demografische Wandel dazu führt, dass die staatliche Altersversorgung nicht mehr zur Absicherung ausreicht und der Arbeitnehmer sich nunmehr selbst darum kümmern muss, wie er die Zeit nach seinem Berufsleben finanzieren kann. Freiwillige Sozialleistungen sind zum Wohl und Vorteil der Arbeitnehmer ausgelegt, stiften darüber hinaus aber auch dem Arbeitgeber einen Nutzen. Die betriebliche Sozialpolitik ist durchaus ein geeignetes Instrument, um den aufgezeigten Motiven des Arbeitgebers gerecht zu werden.

Literaturverzeichnis

Aufsätze

Kolb, M. (2004). Sozialleistungen, betriebliche und Sozialeinrichtungen. In: Gaugler, E., Oechsler, W. A., Weber, W. (Hg.) (2004). Handwörterbuch des Personalwesens. S. 1741 – 1752. 3. Auflage. Schäffer-Poeschel Verlag. Stuttgart.

Lutz, R. (2005). Determinanten betrieblicher Zusatzleistungen. In: Industrielle Beziehungen, 12, S. 424 – 451.

Nick, F. (1992). Sozialleistungen, betriebliche und Sozialeinrichtungen. In: Gaugler, E., Weber, W. (Hg.) (1992). Handwörterbuch des Personalwesens. S. 2066 – 2080. 2. Auflage. C.E. Poeschel Verlag. Stuttgart.

Schnabel, C., Wagner, J. (1999). Betriebliche Altersversorgung: Verbreitung, Bestimmungsgründe und Auswirkungen auf die Personalfluktuation. In: Frick, B., Neubäumer, R., Sesselmeier, W. (Hg.) (1999). Die Anreizwirkungen betrieblicher Zusatzleistungen. S. 69–93. Rainer Hampp Verlag. München.

Weller, I. (2003). Commitment. In: Martin A. (Hg.) (2003). Organizational Behaviour – Verhalten in Organisationen. S. 77 – 94. Kohlhammer Verlag. Stuttgart.


Bücher

Andresen, B.-J. (1999). Funktionen und Perspektiven betrieblicher Sozialpolitik aus Sicht der Praxis. In: Schmähl, W. (Hg.) (1999). Betriebliche Sozial- und Personalpolitik. Campus Verlag. Frankfurt/Main.

Doyé, T. (2000). Analyse und Bewertung von betrieblichen Zusatzleistungen. Rainer Hampp Verlag. München.

Drumm, H.J. (1989). Personalwirtschaftslehre. 1. Auflage. Springer Verlag. Berlin.

Gabler, Th. (2004). Wirtschaftslexikon. Band K-R 16. Auflage. Gabler Verlag. Wiesbaden.

Martin, A. (2001). Personal – Theorie, Politik, Gestaltung. Kohlhammer Verlag. Stuttgart.

Reichwein, R. (1965). Funktionswandlungen der betrieblichen Sozialpolitik. Westdeutscher Verlag. Köln.


Internetquellen

o.A.: Statistisches Bundesamt. Stand: 2005 http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Querschnittsveröffentlichungen/Statistisches (abgefragt am 30.7.2007) o.A.: Statistisches Bundesamt. Stand: 2005 http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/VerdiensteArbeitskosten/Arbeitskosten/Tabellen/Content75/StrukturKostenart,templateId=renderPrint.psml (abgefragt am 5.9.2007)