Macht und Kontrolle

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Hier entsteht ein Artikel zu Macht und Kontrolle

Das Verhalten in Organisationen wird in der Forschung aus einer Vielzahl von Perspektiven betrachtet. Anerkennung stellt dabei eines dieser Themenspektren dar und wird im folgenden Artikel ausgehend von der empirischen sowie theoretisch wissenschaftlichen Diskussion auf ihre Bedeutung für Veränderungsprozesse transferiert.


Begriff

Bedeutung

Der Begriff „Macht“ stammt ursprünglich von dem althochdeutschen Wort „maht“ aus dem 8. Jahrhundert ab und bedeutet übersetzt „Vermögen, Körperkraft, Anstrengung, Gewalt, Vollmacht“, aber auch „Menge, Fülle“.[1] In der täglichen Kommunikation ist der Begriff der Macht meist intuitiv einfach verständlich. Macht wird dort häufig als Einfluss definiert. In der Wissenschaft hingegen wird der Begriff der Macht unterschiedlich definiert.[2] Wissenschaftlicher Konsens ist, dass Macht „irgendeine Art der Beeinflussung von Menschen“ darstellt [3].

Nach dem bekannten Soziologen Max Weber bedeutet Macht „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“.[4] Macht stellt daher eine potenzielle Chance dar, unabhängig davon, ob diese Chance genutzt wird. Macht setzt nach Weber außerdem soziale Beziehungen zwischen den Beteiligten voraus. Das bedeutet, Macht findet innerhalb von aufeinander bezogenem, gemeinsamem Verhalten statt. Sie kann also auch in Freundschaften, Ehen, Feindschaften oder in alltäglichen Situationen wie dem Wochenmarktbesuch vorhanden sein. Ein über Macht verfügendes Individuum kann nach Weber den eigenen Willen auf bewusste und unbewusste Art ausüben. Außerdem beinhaltet Max Webers Definition von Macht, dass diese konfliktfrei und freiwillig aber auch gegen das Widerstreben von anderen ausgeübt werden kann.[5]

Der kanadische Wirtschaftswissenschaftler Henry Mintzberg definiert in seinem Buch Power in and around organizations von 1983 Macht als eine Fähigkeit, organisatorische Ergebnisse zu erzielen oder zu beeinflussen. Er leitet dies von dem französischen Wort „pouvoir“ ab, was mit „Macht“ und „können“ übersetzt wird. Unternehmen befinden sich in einem Umfeld mit einer Vielzahl von Kräften, welche ihr Handeln beeinflussen können. Das Kaufverhalten von Kunden oder die Entwicklung neuer Innovationen gelten als zwei mögliche Beispiele. Dennoch gilt Macht als Hauptfaktor, um zu verstehen, wie Organisationen funktionieren. Somit ist es essentiell, die Machtbeziehungen zu verstehen, in denen sich Unternehmen befinden, um ihre Strukturen verbessern zu können und Kontrolle über sie zu gewinnen. Bezugnehmend auf die Organisationsentwicklung sind diese Kenntnisse von besonderer Bedeutung.[6]

Der Machtbegriff kann in formale und informelle Macht differenziert werden. Formale Macht liegt vor, wenn ein Organisationsmitglied aufgrund von bürokratischen Regelungen, sprich durch eine gewisse Hierarchieebene, Macht zugewiesen bekommen hat. In Kontrast dazu wird unter informeller Macht „die nicht in einem bürokratischen Regelwerk definierte, sondern auf emergenten Normen, Regeln und Interpretationen beruhende Möglichkeit eines Organisationsmitgliedes A verstanden […], ein anderes Organisationsmitglied B dazu zu veranlassen, etwas zu tun, was es sonst nicht tun würde [7]

Ergänzend zu dieser Begriffserklärung führt dieser Artikel die Unterscheidung zwischen transaktionaler und transformationaler Führung auf. Eine transaktionale Führung beruht auf den Komponenten Bedingte Belohnung sowie Management by Exception. Im Zuge der bedingten Belohnung wird der Grundsatz Quid pro quo fokussiert. Das bedeutet, dass Führungskräfte ihre Erwartungen an die Mitarbeiter signalisieren und ihnen eine Gegenleistung bieten und damit belohnen. Bei dem Führen nach dem Ausnahmeprinzip (Management by Exception) überwachen Führungskräfte hauptsächlich und greifen nur bei Ausnahmen in die Tätigkeit der ihnen untergebenen Mitarbeiter ein. Diese Führung beinhaltet lediglich die Sicherstellung von Prozessen sowie die Einhaltung von Qualitätsstandards. [8] Konträr zu dieser Führungsform basiert eine transformationale Führung auf Sinnvermittlung, Mitarbeiterorientierung sowie auf einer aktiven Einbeziehung des Personals. Dabei zeichnen sich Führungskräfte durch inspirierende, motivierende und charismatische Charakterzüge aus [9]

Kontrolle bedeutet so viel wie „Überwachung, Aufsicht, Überprüfung und Gewalt über jemanden oder etwas“ ref>Brockhaus (2020a) </ref> und fand ursprünglich in der Wirtschaftsorganisation im Sinne der Überwachung und Überprüfung Anwendung. Im heutigen Sprachgebrauch wird der Begriff der Kontrolle jedoch häufig synonym mit den Begriffen Einfluss, Autorität (siehe auch Kapitel 1.2 Ähnliche Begriffe) und Macht verwendet. ref>Tannenbaum (1962), S. 239 </ref> Macht und Kontrolle finden folglich in einem Zusammenspiel statt, denn Macht wird Personen in dem Maße zugeschrieben, in dem es in der Lage ist, Kontrolle über andere oder ungewisse Bereiche auszuüben. ref>Tannenbaum (1962), S. 239; Coffin & Jäger (2016), S.48 </ref> Je mehr das Verhalten eines Individuums von anderen bestimmt wird (d.h. kontrolliert wird), desto weniger ist ein Individuum frei, seine eigene Handlungsweise zu bestimmen. Kontrolle kann von einer einzigen Person ausgehen, aber auch auf Gegenseitigkeit beruhen, so dass beispielsweise jede Person einer Gruppe eine gewisse Kontrolle über andere Gruppenmitglieder besitzt. ref>Tannenbaum (1962), S. 239 </ref>


Ähnliche Begriffe

In der alltagssprachlichen Verwendung existieren zahlreiche Synonyme für den Begriff Anerkennung, wie z.B. Lob, Bewunderung oder Ehrfurcht. Sie stehen für das plurale Bedeutungsspektrum des Anerkennungsbegriffs.[10] Die Synonyme mit ihren Bedeutungen und entsprechenden Vewendungen müssen klar vom Anerkennungsbegriff abgegrenzt werden.[11] Dies wird im Folgenden anhand der drei Synonyme Wertschätzung, Respekt und Achtung vorgenommen: Wertschätzung (Antonym Demütigung) gründet im Gegensatz zu Anerkennung auf einer inneren, positiven Haltung einer anderen Person gegenüber.[12] Respekt (Antonym Herabsetzung) beinhaltet zusätzlich den Aspekt der Beachtung des Wesens bzw. der Person selbst.[13] Achtung (Antonym Missachtung) steht für die Würdigung des Menschseins. In Abgrenzung zum Begriff Respekt kann hier die allgemeine Erklärung der Menschenrechte als Beispiel herangezogen werden. [14] Welcher Begriff verwendet wird, hängt zum einem vom Kontext und zum anderen von der Beziehung der sich anerkennenden Subjekte ab.[15]

Veranschaulichung

Veranschaulichung würdigende Anerkennung [16]

Semantisch werden vier grundlegende Bedeutungen der Anerkennung unterschieden:

- Formelle Anerkennung: Verwendung in der Rechtssprechung. Beispiel: Anerkennung einer Vaterschaft oder eines Testaments.

- Bejahende Anerkennung: Ausdruck der Akzeptanz und Toleranz. Beispiel: Anerkennung eines Standpunktes oder einer Forderung.

- Epistemologische Anerkennung: Verwendung im Sinne des etwas 'Für-Wahr-Haltens'. Beispiel: einen Tatbestand oder eine Aussage für wahr anerkennen.

- Würdigende Anerkennung: Ausdruck einer lobenden Würdigung. Beispiel: Anerkennung einer Leistung. [17]

Die würdigende Anerkennung kann insbesondere im Kontext des Organisationsverhaltens veranschaulicht werden. Regelmäßige Anerkennung kann über positive Gefühle zu einem gesteigerten Selbstvertrauen führen und gibt innere Anreize, die in einer erhöhten Motivation bei der Arbeit münden können. Diese intrinsische Motivation hat positiven Einfluss auf die Gesunderhaltung, die Leistung, die Kreativität und die Innovationsfähigkeit eines Mitarbeiters. Dies kann zu einer affektiven Mitarbeiterbindung führen.[18] Im Gegensatz dazu kann fehlende Anerkennung zu einem Gefühl der Frustration und Ausbeutung am Arbeitsplatz führen. Ein geschwächtes Selbstbewusstsein und sinkende Motivation sind die Folgen. Dabei gilt, keine Anerkennung ist in der Regel verheerender als negative Kritik, da die Missachtung der eigenen Person als Diskriminierung der Persönlichkeit empfunden wird.[19]

Empirie

Verbreitung

Anerkennung wird in der empirischen Organisationsforschung aus einer Vielzahl von Perspektiven betrachtet. Dadurch besteht die Schwierigkeit der Kategorisierung der Forschungsergebnisse. So kann an dieser Stelle nur ein Überblick über das Forschungsfeld gegeben werden. Zu unterscheiden sind zum einen empirische Studien, die das Thema Anerkennung aus einer "praktischen Perspektive" beleuchten. Als Beispiel sei hier die Studie 'Self-Determination Theory and Work Motivation' von Gagné/Deci (2005) oder die Studie 'The Effect of Performance Recognition on Employee Engagement' von Kaufmann et al. (2013) zu nennen. Zudem beschäftigen sich Forschungsdatenzentren, wie das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), mit repräsentativen Wiederholungsbefragungen zum Thema Anerkennung am Arbeitsplatz. Beispielsweise wurde 2011 abgefragt, ob und in welcher Ausprägung berufliche Anerkennung vom Vorgesetzten und in Bezug auf die erbrachte Leistung erfahren wird. So zeigt das Ergebnis aus dem Jahr 2011 für beide Fragestellungen ähnliche Ergebnisse auf: Circa 65% der Befragten sehen sich vom Vorgesetzten und entsprechend ihrer Leistung anerkannt. Jedoch wird hiervon nur bei circa 5% der Befragten das Anerkennungsgefühl sehr stark befriedigt.[20] Zum anderen existieren Studien, die sich mit Fragestellungen vor dem Hintergrund der Anerkennungstheorien beschäftigen. Hierbei wird nicht zwingend Anerkennung selbst betrachtet, sondern vielmehr werden die Effekte der Nicht-Anerkennung fokussiert. Als Beispiele sind hier die Studien 'The Spiraling Effect of Incivility in the Workplace' von Andersson/Pearson (1999) und 'Structural and Individual Determinants of Workplace Victimization' von Aquino (2000) zu nennen.

Determinanten

Die Anerkennungsforschung untersucht, welche Faktoren die Anerkennung im organisationalen Kontext beeinflussen kann. Je nach Fragestellung und Forschungsfeld ergibt sich dadurch eine Vielzahl von Determinanten. So kann an dieser Stelle keine Aufzählung der 'wichtigsten' Einflussfaktoren erfolgen, sondern vielmehr soll die Vielfalt der untersuchten Determinanten aufgezeigt werden. Aquino (2000) zeigt den hierarchischen Status und Konfliktstile als Einflussgrößen auf. Andersson/Pearson (1999) identifizieren wahrgenommene lädierte soziale Identität, Wut, hitziges Temperament, Klima der Informalität, beobachtete Unhöflichkeit und negative Reaktionen von Organisationsmitgliedern als Determinanten der Anerkennung. Sie machen deutlich: Wenn Höflichkeit, und damit Anerkennung, am Arbeitsplatz fehlt, können soziale Beziehungen innerhalb der Organisation beschädigt werden. Ein organisationales Klima, das durch Unhöflichkeit und Grobheit charakterisiert wird, führt zu aggressivem Verhalten und damit einer geringeren Produktivität am Arbeitsplatz.

Wirkungen

Als Beispiel für die empirische Anerkennungsforschung wird im Folgenden kurz die Studie 'A Social Recognition Approach to Autonomy' von Renger et al. (2017) dargestellt. Untersucht wird die Fragestellung, ob Erfahrungen eines gleichwertigen Respekts die wahrgenommene Autonomie am Arbeitsplatz steigert. Dabei wird die Autonomie mit den Begriffen Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit gleichgesetzt. Die Autoren unterteilen die Anerkennung in drei spezifische Formen: Need-Based Care, Achievement-Based Social Esteem und Equality-Based Respect. Diese Variablen wurden bei circa 400 Personen (Durchschnittsalter 27,6 Jahre) in einer Onlineumfrage zusammen mit der wahrgenommenen Autonomie der Testpersonen sowie der Zufriedenheit mit dem eigenen Leben abgefragt. Die Forscher fanden heraus, dass alle drei Formen der Anerkennung in positiver Beziehung zur wahrgenommenen Autonomie stehen. Respekt stellt dabei den stärksten Prädiktor der wahrgenommenen Autonomie dar.

Im zweiten Teil der Studie wurden die Variabeln im Kontext des Arbeitsplatzes untersucht. Es wurden 223 Mitarbeiter verschiedenster Firmen online (Durchschnittsalter 38,18 Jahre) befragt. Überprüft werden sollte, ob die Testergebnisse aus dem ersten Teil der Studie im Arbeitskontext bestätigt werden können. Abgefragt wurden die identischen Variablen. Es wurde allerdings zwischen Anerkennung von Kollegen und von Vorgesetzten unterschieden. Auch im zweiten Teil der Studie wird die Schlüsselrolle von Respekt deutlich. Respekt sagt die wahrgenommene Autonomie bei der Arbeit vorher, die dann zur Arbeitszufriedenheit führen kann. Während der Respekt von Kollegen ebenfalls eine starke Beziehung zur Autonomie aufweist, ist der Respekt der Vorgesetzten der stärkste Prädiktor. Die Beziehung zwischen dem Respekt des Vorgesetzten und der Arbeitszufriedenheit wird mediiert durch die wahrgenommene Autonomie bei der Arbeit. Sie spielt in diesem Zusammenhang also eine Schlüsselrolle. Warum die Wirkung zwischen Autonomie und dem erbrachten Respekt des Vorgesetzten besteht, wird in dieser Studie nicht weiter ausgeführt.[21]

Theorie

Alternative Theorien

Hegel

Der Ursprung von Anerkennungstheorien liegt im deutschen Idealismus mit seinem Vordenker Georg Friedrich Wilhelm Hegel. Mit Blick auf die Kernfrage ‚Wie ist Gesellschaft möglich?‘ rückt Hegel erstmals Anerkennung in den Fokus der Betrachtung. Auf Grundlage der Hobbschen Vertragstheorie und der Fichtschen Naturrechtslehre entwickelt Hegel das Konstrukt ‚Kampf um Anerkennung‘.[22] Hierbei wird der wechselseitige Kampf um die Anerkennung der Freiheit und Autonomie, durch die sich der Einzelne erst durch die Aufforderung des Anderen bewusst wird, beschrieben. Dabei wird die Konstitution des Selbstbewusstseins als ein zwischenmenschlicher Prozess verstanden.[23] Selbstbewusstsein bedarf laut Hegel, sich im Anderen und in Abgrenzung vom Anderen auf den drei Stufen ‚Liebe, Recht und Solidarität‘ zu erkennen. Dies geschieht durch wechselseitige Zuwendung und Befreiung. Dieser reziproke Prozess basiert nach Hegel nicht auf Begierde oder Ruhmsucht, sondern auf echten moralischen Antrieben, sodass die Anerkennungskämpfe zu moralischem Fortschritt in der Gesellschaft führen.[24]

Taylor

Für den Philosophen Charles Taylor ist Anerkennung ein menschliches Grundbedürfnis. Seiner Ansicht nach wird die Identität einer Person im Dialog mit anderen Personen gebildet, und zwar in ihrer jeweiligen Übereinstimmung oder Auseinandersetzung. Anerkennung wird nach Taylor in diesem dialogischen Austauschprozess errungen und ist nicht automatisch durch einen gesellschaftlichen Status gegeben. Dabei ist zu erwähnen, dass dieser dialogische Austauschprozess nach Taylor auch scheitern kann. Die Identität des Menschen sei von dieser kontinuierlichen Anerkennung und Bewährung innerhalb des Austauschprozesses abhängig. Die Verweigerung der Anerkennung könne Leiden verursachen. Taylor sieht in dieser Form der Identitätsbildung eine Weiterentwicklung von älteren Anschauungsweisen, in denen man die Verbindung mit z.B. Gott als Voraussetzung für die Entfaltung des eigenen Daseins ansah. Nach Taylor kann Selbstverwirklichung ausschließlich in sich selbst gefunden werden. Das bedeutet, sich in Abgrenzung zu Anderen selbst zu definieren. [25][26]

Mead

In der Theorie des symbolischen Interaktionismus werden soziale Veränderungs- und Interaktionsprozesse auf der Mikro-Ebene betrachtet. Nach Mead entsteht Wissen durch Interaktion und Reflexion der eigenen und fremden Reaktionen und Reize.[27] In dieser Selbstreflexion macht der Mensch sich selbst zum Objekt der Bedeutungsanalyse, sodass das daraus gewonnene Wissen das Selbstbewusstsein und das Wissen über die eigene Bedeutung darstellt.[28] Die eigene Identität konstituiert sich folglich aus Bewusstsein und Selbstbewusstsein in Interaktion. Die organisierte Gemeinschaft, in der sich Identität bildet, nennt Mead der verallgemeinerte Andere. Voraussetzung für die Gewinnung von Identität ist die sogenannte Rollenübernahme. Sie beschreibt die Fähigkeit von der Position des Anderen aus zu denken, der Möglichkeit des Hineinversetzens in den Anderen, sodass sein Verhalten antizipierbar wird.[29] Dabei unterscheidet Mead:

- I: Das impulsive Ich repräsentiert das Individuelle am Individuum, vereint sinnliche und körperliche Bedürfnisse und spiegelt das Gefühl der Initiative und Freiheit wider.

- Me: Das Me ist der Teil der Identität mit einem gesellschaftlichen Ursprung, welcher sich aus Haltungen anderer entwickelt hat. Es ist die Summe der durch Rollenübernahme erlernten Elemente.

- Self: Hier findet die Integration der wechselseitigen Beziehungen zwischen dem I und dem Me in Übereinstimmung statt. Demnach ist nach Mead Identität als Wechselspiel zwischen I und Me zu verstehen.[30]

Aussagen ausgewählter Theorien

Auf Grundlage von Hegels Modell entwickelt Axel Honneth seine Theorie Vom Kampf um Anerkennung zur gelungenen Identität. Hierbei geht er wie Hegel davon aus, dass das Selbstbewusstsein des Menschen durch soziale Anerkennung gebildet wird.[31] Dabei werden die drei Anerkennungsobjekte Bedürfnis, Recht und Leistung unterschieden, sodass das Objekt Bedürfnis für Primärbeziehungen, Recht für Rechtsverhältnisse und Leistung für Wertegemeinschaft steht. Im Folgenden werden die einzelnen Anerkennungsobjekte und ihre Beziehungen kurz dargestellt: Das Anerkennungsobjekt Bedürfnis zeigt sich in der Bedürfnis- und Affektnatur einer Person. Über emotionale Zuwendung führt Anerkennung demnach zu Selbstvertrauen. Das Anerkennungsobjekt Recht äußert sich in der moralischen Zurechnungsfähigkeit, die über kognitive Achtung eines anderen Subjektes in der eigenen Selbstachtung mündet. Das Anerkennungsobjekt Leistung zeigt sich in Fähigkeiten und Eigenschaften einer Person. Über soziale Wertschätzung entwickelt ein Subjekt seine eigene Selbstschätzung.[32] Diese Beziehungen der Anerkennung leitet Honneth negativ aus Erfahrungen der Missachtung mit dazugehöriger bedrohter Persönlichkeitskomponente ab, denn erst in der Negativgestalt wird Anerkennung zu einer wahrnehmbaren Größe.[33] Zu beachten ist, dass die aufgezeigten Beziehungen kein starres Konstrukt mit Bedingungen darstellen, sondern vielmehr einem Mechanismus gleichen. Um zu einer ungebrochenen Identität zu kommen, schlussfolgert Honneth, dass ein reziprokes Anerkennungsverhältnis notwendig ist, indem alle drei Anerkennungsweisen emotionale Zuwendung, kognitive Achtung und soziale Wertschätzung vereint sind.[34] Erst zusammengenommen sind die sozialen Bedingungen geschaffen, dass Menschen zu einer positiven Einstellung zu sich selbst gelangen können.[35]

Ausgewählter Mechanismus

Reziprokes Anerkennungsverhältnis nach Honneth [36]

Der Mechanismus des reziproken Anerkennungsverhältnisses zeigt, dass die Identitätenbildung sich über den Austausch von Anerkennung in Bezug auf ihre Objekte Bedürfnis, Recht und Leistung nur in Interaktion mit einem Anderen gründet. Bedingungen dieses Mechanismus sind ein intersubjektiv geteilter Werthorizont mit den darin enthaltenen Persönlichkeitsidealen sowie eine allgemeingültige Deutungspraxis von Werten.[37] [38] Zudem sollte beachtet werden, dass Anerkennung gewissermaßen erst in Negativgestalt zu einer messbaren Größe für Subjekte wird. So besteht die Schwierigkeit, einen Maßstab für die individuell gefühlte Anerkennung zu bestimmen.[39] Es können drei Anerkennungskonstellationen unterschieden werden:

- symmetrisch und wechselseitig-anerkennend: Individuen befinden sich auf gleicher Ebene, ohne dass zwischen ihnen ein Machtgefälle besteht. Sie anerkennen sich wechselseitig in ihren Bedürfnissen, Rechten und Leistungen. Beispiel: Mitarbeiter-Mitarbeiter.

- asymmetrisch und wechselseitig-anerkennend: Diese Beziehung ist wechselseitig, aber nicht symmetrisch. Dies ist der Fall, wenn ein Individuum den Anderen als Autoritätsperson anerkennt und der Andere ihn als Untergebenen. Eine vertikale Beziehung besteht. Beispiel: Mitarbeiter-Chef.

- asymmetrisch und einseitig-anerkennend: In dieser Konstellation erkennt ein Individuum den Anderen an, wird aber vom Anderen missachtet. Der Andere nimmt folglich eine Machtposition über das Anerkennungsbedürfnis des Individuums ein. Beispiel: Opferrolle mit tiefer Demütigung.[40]

Theoretiker gehen davon aus, dass die Begegnung zwischen Ich und dem Anderen ursprünglich asymmetrisch ist. Sie stellen heraus, dass über den Prozess des Kampfes zwar eine Gegenseitigkeit hergestellt wird, dass aber zugleich eine nie vollendete Überwindung der Asymmetrie vorherrscht. Die Symmetrie muss im Kampf um Anerkennung immer wieder neu erkämpft werden.[41] Daher steht der Begriff der Anerkennung für einen Prozess und kein starres Wesen.[42] Ausgehend von dem Prozess-Charakter des Mechanismus können auch Störungen auftreten. Störfälle können unter anderem folgende Szenarien sein: Veränderung der Konstellation (ein Kollege wird zum Vorgesetzten), Missachtung von Identitätsansprüchen (ein Individuum wird nicht entsprechend seiner Vorstellung anerkannt), oder Verkennung (ein Individuum empfindet sich falsch anerkannt). Diese Störfälle durchbrechen den reziproken Anerkennungsprozess und führen aufgrund des drohenden Persönlichkeitsverlustes zu Widerstand.[43]

Bedeutung für Veränderungsprozesse

Das Verhalten in Organisationen unterliegt laufenden Veränderungen der Unternehmensstrategien und -strukturen, da sich Organisationen heutzutage an stetig verändernde Rahmenbedingungen anpassen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.[44] Insbesondere die eigenen Mitarbeiter für Veränderungsvorhaben zu motivieren und zu mobilisieren, stellt dabei eine große Herausforderung dar. Inwieweit Anerkennung hierbei als ein entscheidender Faktor angesehen werden sollte, kann mithilfe des reziproken Anerkennungsverhältnisses nach Honneth erörtert werden. Eine Veränderung wird als Spannungsfeld bzw. Störquelle eines ausgewogenen Zustandes in einer Organisation verstanden, mit dem Ziel einen neuen 'besseren' ausgewogenen Zustand zu erreichen.[45] In einem ausgewogenen Zustand sind auch die Anerkennungsverhältnisse stabil reziprok. Wird dieser ausgewogene Zustand durch eine Veränderung unterbrochen, können die bestehenden Anerkennungsverhältnisse zerstört werden. Dies hat, wie oben aufgezeigt, zur Folge, dass die Identitätenbildung der Mitarbeiter beeinflusst wird. Ist dies der Fall und wird der eigene Anspruch auf Anerkennung nicht erfüllt, besteht die Gefahr des Widerstandes gegenüber der Veränderung durch den drohenden Persönlichkeitsverlust. Situationsbeispiele hierfür sind zum einen das Kommunikationsverhalten und zum anderen die Partizipationsmöglichkeiten im organisationalen Veränderungsprozess. So kann ein reziprokes Anerkennungsverhältnis zum Beispiel durch fehlende Kommunikation der einzelnen Schritte des Wandels oder durch den Vorbehalt wichtiger Informationen gestört werden, wenn ein Organisationsmitglied sich dadurch in seinen Identitätsansprüchen missachtet sieht. Außerdem kann das Gefühl von Anerkennung der Mitarbeiter negativ beeinflusst werden, wenn sie bei der Gestaltung des Wandels nicht partizipativ eingebunden werden. Folglich kann geschlussfolgert werden, dass Anerkennung für Veränderungsprozesse vor dem Hintergrund einer Protesthaltung der Organisationsmitglieder eine große Bedeutung einnehmen kann.

Kritische Würdigung

Verhalten in Organisationen kann mithilfe von Anerkennungstheorien erklärt werden. Unter anderem können Widerstandsreaktionen in Veränderungsprozessen aufgrund von Störungen der reziproken Anerkennungsverhältnisse entstehen. Entsprechende Theorien betrachten Anerkennung unter dem Aspekt der Identitätenbildung. Einige empirische Studien beschäftigen sich mit Anerkennung am Arbeitsplatz und ihren Wirkungen. Dennoch besteht eine Forschungslücke, Anerkennungstheorien auf den Organisationskontext zu übertragen und entsprechende Management-Empfehlungen abzuleiten. Denn in der Praxis zeigt sich, dass bisher Anerkennung im organisationalen Kontext unter dem Aspekt der Identitätenbildung/-störung keine Aufmerksamkeit genießt. Vielmehr wird Anerkennung nur mit der würdigenden Anerkennung gleichgesetzt, was dazu führt, dass Praktiken entwickelt werden, die die eigentliche Bedeutung von Anerkennung und ihre Einflussnahme auf das organisationale Verhalten verfehlen.

Literatur

Bradshaw, P. (1998). Power as Dynamic Tension and its Implications for Radical Organizational Change. European Journal of Work and Organizational Psychology, 7(2), 121–143. https://doi.org/10.1080/135943298398835.

Brockhaus. (2020a). Kontrolle. Brockhaus. Online abgerufen von: https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/kontrolle-allgemein (zuletzt abgerufen am 22.07.2020).​

Coffin, A. R. & Jäger, W. (2016). Die Macht der Organisation. Weinheim ; Basel : Beltz Juventa, 2016

Dörr, S. (2008). Motive, Einflussstrategien und transformationale Führung als Faktoren effektiver Führung. Rainer Hampp Verlag. http://doi.org/10.1688/9783866182073

Knoblach, B., & Fink, D. (2012). Warum wir tun, was andere wollen: Psychologische Determinanten informeller Macht in Organisationen. Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 64(7), 747–771. https://doi.org/10.1007/BF03373704

Mintzberg, H. (1983). Power In and Around Organizations. Prentice-Hall.

Nienhüser, W. (o. J.). In A. Martin (Hrsg.), Organizational Behaviour—Verhalten in Organisationen (S. 43–78). W. Kohlhammer Verlag. https://content-select.com/index.php?id=bib_view&ean=9783170299252.

Pfeffer, J. (1981). Power in organizations. Boston: Ballinger, 1981.

Shockley-Zalabak, P. S. (2012). Leadership and Management Communication. In Fundamentals of Organizational Communication (8. Aufl., S. 211–249). Pearson Education.

Tannenbaum, A. S. (1962). Control in Organizations: Individual Adjustment and Organizational Performance. Administrative Science Quarterly, 7(2), 236. https://doi.org/10.2307/2390857

Weber, M. (1980). Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss einer verstehenden Soziologie. 5. Auflage. Mohr, Tübingen 1980.

Einzelnachweise

  1. Pfeffer (1981), S. 831
  2. Bradshaw (1998), S. 122
  3. Nienhüser (2017), S. 46
  4. Weber (1980), S. 28
  5. Nienhüser (2017), S. 47
  6. Mintzberg (1983), S. 4
  7. Knoblach & Fink (2012)
  8. Dörr (2008),S. 22ff.
  9. Dörr (2008), S. 22ff.; Shockley-Zalabak (2012)
  10. Schmetkamp (2012), S. 111
  11. Schmetkamp (2012), S. 112
  12. Matyssek (2011), S. 14
  13. Lindner (2016), S. 168
  14. Schmetkamp (2012), S. 109
  15. Schmetkamp (2012), S. 112
  16. Fotoausschnitt des eigens illustrierten Kurzfilms
  17. Schmetkamp (2012), S. 112
  18. Grondwald/Melchart (201), S. 4 f.
  19. Matyssek (2011), S. 21f
  20. SOEP (2011)
  21. Renger et al. (2017), S. 112
  22. Schmetkamp (2012), S. 115
  23. Schmetkamp (2012), S. 116
  24. Honneth (1992), S. 32
  25. Taylor (1995)
  26. Schmetkamp (2012), S. 14
  27. Honneth (1992), S. 118
  28. Mead (1968), S. 184
  29. Mead (1968), S. 198
  30. Mead (1968), S. 218f
  31. Schmetkamp (2012), S. 128
  32. Honneth (1992), S. 211
  33. Honneth (1992), S. 150
  34. Schmetkamp (2012), S. 129
  35. Honneth (2012), S. 129
  36. Eigene Darstellung
  37. Dubet (2008), S. 217
  38. Honneth (1992), S. 205
  39. Honneth (1992), S. 195
  40. Schmetkamp (2012), S. 121
  41. Ricoeur (2006), S. 197f
  42. Dubet (2008), S. 207
  43. Schmetkamp (2012), S. 120 f.
  44. Gabler Wirtschaftslexikon (2017)
  45. Miner (2007), S. 31