Unsicherheit & Angst: Unterschied zwischen den Versionen
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Wichtig ist auch die Unterscheidung der Angst als empfundenes Phänomen (engl. state anxiety) von der beständigeren Charaktereigenschaft der [https://de.wikipedia.org/wiki/Ängstlichkeit Ängstlichkeit] (engl. trait anxiety), obgleich sich letztere als [https://de.wikipedia.org/wiki/Persönlichkeitseigenschaft Persönlichkeitseigenschaft] auf das zuerst genannte Angstempfinden auswirkt <ref>Stöber und Schwarzer 2000, 1f</ref>. Angst kann sowohl bewusst wahrgenommen oder auch implizit auf ein Individuum wirken. <ref>Reischies 2007, 228f</ref> | Wichtig ist auch die Unterscheidung der Angst als empfundenes Phänomen (engl. state anxiety) von der beständigeren Charaktereigenschaft der [https://de.wikipedia.org/wiki/Ängstlichkeit Ängstlichkeit] (engl. trait anxiety), obgleich sich letztere als [https://de.wikipedia.org/wiki/Persönlichkeitseigenschaft Persönlichkeitseigenschaft] auf das zuerst genannte Angstempfinden auswirkt <ref>Stöber und Schwarzer 2000, 1f</ref>. Angst kann sowohl bewusst wahrgenommen oder auch implizit auf ein Individuum wirken. <ref>Reischies 2007, 228f</ref> | ||
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Grundsätzlich kann unter Angst eine Art Gefühlskategorie verstanden werden, welcher zum Beispiel Gefühle wie Mutlosigkeit, Besorgnis, Verzweiflung, Panik oder Phobien zugeordnet werden können. <ref>Kiefer 2015, 52</ref> Hiervon lassen sich insbesondere die Angstlust, als gewünschtes herbeigeführtes Angsterleben <ref>Warwitz 2005, 96ff.</ref> (z.B. [https://de.wikipedia.org/wiki/Kick_(Psychologie) Kick] bei Extremsport, Horrorfilm) und [https://de.wikipedia.org/wiki/Angststörung krankhafte Störungen] <ref>C. J. Kemper 2010</ref> (z.B. [https://de.wikipedia.org/wiki/Arachnophobie Spinnenphobie], [https://de.wikipedia.org/wiki/Angstsensitivität Phobophobie]) begrifflich trennen. Die jeweiligen Angstgefühle grenzen sich somit zum einen durch Intensität ab, was sich auch in einem anderen Modell, dem Angstspektrums nach [https://de.wikipedia.org/wiki/Siegbert_A._Warwitz Siegbert A. Warwitz] widerspiegelt. Dieses bildet Angst von einem leichten Unwohlsein bis hin zu komplexen Angstpsychosen ab. <ref>Warwitz 2016, 36</ref> | Grundsätzlich kann unter Angst eine Art Gefühlskategorie verstanden werden, welcher zum Beispiel Gefühle wie Mutlosigkeit, Besorgnis, Verzweiflung, Panik oder Phobien zugeordnet werden können. <ref>Kiefer 2015, 52</ref> Hiervon lassen sich insbesondere die Angstlust, als gewünschtes herbeigeführtes Angsterleben <ref>Warwitz 2005, 96ff.</ref> (z.B. [https://de.wikipedia.org/wiki/Kick_(Psychologie) Kick] bei Extremsport, Horrorfilm) und [https://de.wikipedia.org/wiki/Angststörung krankhafte Störungen] <ref>C. J. Kemper 2010</ref> (z.B. [https://de.wikipedia.org/wiki/Arachnophobie Spinnenphobie], [https://de.wikipedia.org/wiki/Angstsensitivität Phobophobie]) begrifflich trennen. Die jeweiligen Angstgefühle grenzen sich somit zum einen durch Intensität ab, was sich auch in einem anderen Modell, dem Angstspektrums nach [https://de.wikipedia.org/wiki/Siegbert_A._Warwitz Siegbert A. Warwitz] widerspiegelt. Dieses bildet Angst von einem leichten Unwohlsein bis hin zu komplexen Angstpsychosen ab. <ref>Warwitz 2016, 36</ref> | ||
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4. Auf kognitiver Ebene wird z.B. die Wahrnehmung, Bewertung oder Erinnerung durch Emotionen beeinflusst. Die Emotion selbst kann jedoch auch als Resultat eines kognitiven Prozesses entstehen. Somit wirkt sich die Emotion einerseits auf kognitive Prozesse aus, wird auf der anderen Seite jedoch auch durch sie beeinflusst. <ref>Goschke und Dreisbach 2011, 131ff.</ref> | 4. Auf kognitiver Ebene wird z.B. die Wahrnehmung, Bewertung oder Erinnerung durch Emotionen beeinflusst. Die Emotion selbst kann jedoch auch als Resultat eines kognitiven Prozesses entstehen. Somit wirkt sich die Emotion einerseits auf kognitive Prozesse aus, wird auf der anderen Seite jedoch auch durch sie beeinflusst. <ref>Goschke und Dreisbach 2011, 131ff.</ref> | ||
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+ | Das Modell der Einstellungstendenzen bei Angst nach [https://de.wikipedia.org/wiki/Siegbert_A._Warwitz Siegbert A. Warwitz] zeigt, dass die Auswirkungen der Angst vielfältig und individuell variieren können. Die Verhaltensreaktionen reichen von der Bewältigung der Angst bis zu Vermeidung, Bagatellisierung, Verdrängung, Leugnung, Übertreibung, Generalisierung oder Heroisierung der Angst. <ref>Warwitz 2016, 34ff.</ref> | ||
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+ | Einen möglichen Erklärungsansatz der Angstreaktionen, bietet das Modell der reflektorischen Bedrohlichkeitsprüfung nach Berner. Hiernach läuft im Gedächtnis ein Bewertungsprozess ab, der für die Wirkung auf Verhaltensebene entscheidend ist. Wie der Name bereits anmutet ist diese Bewertung an ein Nachdenken geknüpft. Dem Modell nach wird kognitiv bewertet, ob eine Situation grundsätzlich bedrohlich und wie hoch Bewältigungswahrscheinlichkeit ist. Hieraus resultiert eine bestimmte Verhaltenstendenz für die individuelle Situation. <ref>Mescheder und Sallach 2012, 39ff.</ref> | ||
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== Literatur == | == Literatur == | ||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == |
Version vom 10. August 2020, 15:35 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Das Phänomen „Unsicherheit und Angst“
Der Begriff Angst hat seinen etymologischen Ursprung unter anderem in Zusammenhang mit „Enge“, „Bedrängnis“, „Schwierigkeiten“ und „Qual“.[1] Angst grenzt sich als kurz und intensiv auftretende Emotionen, genauer Affekt, von länger anhaltenden Stimmungen ab. Angst wird ferner den fundamentalen Emotionen zugeordnet, zu denen auch Aggression, Freude sowie Trauer gehören. [2] Der Begriff Angst wird oft auch als Überkategorie für eine Vielzahl emotionaler Gefühlszustände verwendet. Charakteristische Merkmale der Angst sind eine erhöhte Aktivität des autonomen Nervensystemsautonomen Nervensystems, ein emotionales Bedrohungserleben und Anspannung. Außerdem zeichnet sich Angst durch kognitive Besorgnis sowie das Gefühl von Unsicherheit und Kontrollverlust aus. [3]
Arten der Angst
Obgleich viel erforscht, gibt es keine eindeutige Evidenz über die verschiedenen Arten, Kategorisierungen und Abgrenzungen der Angst. Den Ansätzen ist jedoch gemein, dass i.d.R. äußere (konkrete Objekte, Personen oder Situationen, etc.) und innere (Kognitionen, innere Konflikte, etc.) Angstquellen unterschieden werden. Oftmals verschwimmen diese Grenzen jedoch und es kommt zu äußerlich-innerlichen Interdependenzen. [4] Außerdem wird oft zwischen der konkreten Angst, der Furcht (engl. fear), und der nicht greifbaren diffusen Angst (engl. anxiety) differenziert. [5] Diffuse Angst wird oft auch als Kontingenzangst bezeichnet, sie ist besonders komplex und beschreibt das Leiden an der Unsicherheit. [6] Ein anderer Ansatz differenziert körperliche Bedrohungen, wie Existenzängste vor Tod oder Krankheit, von Bedrohungen des Selbstwertes, unter welche sowohl soziale Ängste (z.B. Scham) aber auch Leistungsängste (z.B. Prüfungsangst) fallen. [7] Wichtig ist auch die Unterscheidung der Angst als empfundenes Phänomen (engl. state anxiety) von der beständigeren Charaktereigenschaft der Ängstlichkeit (engl. trait anxiety), obgleich sich letztere als Persönlichkeitseigenschaft auf das zuerst genannte Angstempfinden auswirkt [8]. Angst kann sowohl bewusst wahrgenommen oder auch implizit auf ein Individuum wirken. [9]
Grundsätzlich kann unter Angst eine Art Gefühlskategorie verstanden werden, welcher zum Beispiel Gefühle wie Mutlosigkeit, Besorgnis, Verzweiflung, Panik oder Phobien zugeordnet werden können. [10] Hiervon lassen sich insbesondere die Angstlust, als gewünschtes herbeigeführtes Angsterleben [11] (z.B. Kick bei Extremsport, Horrorfilm) und krankhafte Störungen [12] (z.B. Spinnenphobie, Phobophobie) begrifflich trennen. Die jeweiligen Angstgefühle grenzen sich somit zum einen durch Intensität ab, was sich auch in einem anderen Modell, dem Angstspektrums nach Siegbert A. Warwitz widerspiegelt. Dieses bildet Angst von einem leichten Unwohlsein bis hin zu komplexen Angstpsychosen ab. [13]
Ein besonders anschauliches Modell zu Ängsten ist das Riemann-Thomann-Modell, welches den Ansatz der "Grundformen der Angst" aufgreift und anhand der vier Grundängste nach Fritz Riemann eine Transformations-Achse (Angst vor Veränderung und Endgültigkeit) und eine Integrations-Achse (Angst vor Nähe und Selbstwerdung) definiert. Besonders aussagekräftig ist dieses Modell, wenn eine individuelle Einordnung im so aufgespannten zweidimensionalen Raum erfolgt, da derart die Intensität und das Mischverhältnis der Grundängste beschrieben werden kann. [14]
Funktion und Sinn der Angst
Obgleich oft negativ konnotiert, hat Angst eine wichtige evolutionshistorische Funktion einer Art körperinternen Alarmanlage, welche (vermeintliche) Gefahren erkennt und lebenserhaltende Schutzmechanismen in Gang setzt. [15] Für den neuzeitlichen Menschen verlieren konkrete Ängste, z.B. vor gefährlichen Tieren, jedoch zunehmend an Bedeutung, da sich vor allem diffuse Ängste ausbreiten, während konkrete Ängste zu mindestens im westlich-zivilisierten Alltag konstant abnehmen. Trotzdem haben Ängste nach wie vor ihre Funktion als Schlüsselindikator für subjektives Wohlbefinden aber auch soziale Funktion beibehalten, indem Menschen im direkten Umfeld implizit um Hilfe gebeten werden. [16]
Angst und Unsicherheit
Sicherheit wird oft als ein wichtiges Grundbedürfnis des Menschen aufgeführt (z.B. in der Bedürfnispyramide nach Maslow). Während die Motivationsforschung Neuartigkeit, Komplexität und Ambiguität als Motivator für exploratives Verhalten sieht, definiert die Angstforschung ähnliche Konstrukte als Angstquellen. In diesem Zusammenhang lassen sich unterschiedliche Arten der Unsicherheiten unterscheiden, die sich insbesondere in dem Handlungsspielraum unterscheiden. [17] Je geringer dieser ist desto größer ist die gefühlte Hilfslosigkeit und Angst. Veränderung und Unsicherheit verursachen jedoch nur dann Angst, wenn die Situation (scheinbar) nicht umgangen werden kann und ein Schaden erwartet wird. Unsicherheit und potentielle Gewinne, sofern als Chance definiert, verursachen hingegen Hoffnung. [18] Unsicherheit ist somit gewissermaßen eine Gradwanderung zwischen Neugier und Angst.
Unsicherheitsaversion
Die Unsicherheitsaversion, nicht zu verwechseln mit der Verlustaversion [19], dient als möglicher Angstprädiktor. Menschen mit hohem Sicherheitsbedürfnis empfinden demnach besonders früh und intensiv Angst in unsicheren Situationen, da ihnen ein vergleichsweise niedrigeres Unsicherheitsniveau genügt, um eine Bedrohung zu empfinden. Die Unsicherheitsvermeidung wird nicht nur als Persönlichkeitseigenschaft, sondern nach Hofstede auch als eine kulturelle Dimension definiert. Demzufolge haben Menschen in unterschiedlichen Kultkreisen eine unterschiedliche - aber innerhalb der Kultur ähnliche - Sensibilität für Unsicherheit. [20]
Sicherheit
Als Besonderheit in diesem Kontext ist auch der Wegfall von Unsicherheit zu betrachten. Sobald sich Unsicherheit in Sicherheit wandelt, verändert sich auch Angst in eine andere Emotion. Tritt ein erwartetes negatives Ereignis wider Erwarten nicht ein, so empfindet der Mensch im allgemeinen Erleichterung oder auch Freude. Aber auch wenn sich ein befürchtetes Resultat als sicher zeigt, verändert sich die Angst oft in andere mit Schaden assoziierte Gefühle, wie etwa Wut oder Zorn. [21]
Angst im Kontext organisationalen Wandels
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Angst in vielen Bereichen und unterschiedlichen Facetten des menschlichen Lebens auftreten kann, von der Angst vor dem Zahnarzt, vor dem Klimawandel, vor finanziellen Engpässen bis hin zu der Angst vor Krankheit und Tod. Ängste und andere Emotionen im organisationalen Wandel dienen als Schlüsselindikator der Akzeptanz des Wandels. Ängste, sowohl begründete oder unbegründete, führen i.d.R. zu Resistenz und dem Scheitern der Veränderung und können sowohl aus aktuellen als auch aus früheren Erfahrungen entstehen. Hierbei wird weiter unterschieden, ob eine Person Angst vor Veränderung per se (diffus), oder aufgrund einer spezifischen Situation hat, wie etwa den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund der aktuellen Umstrukturierung (konkret). Einige weitere Beispiele im organisationalen Kontext sind die Angst davor, die existenzielle Grundlage durch den Arbeitsplatz zu verlieren (existenzielle Angst), die Angst davor, für den Arbeitsplatzverlust von Kollegen verantwortlich zu sein (moralische Angst), die Angst, die Signifikanz im Unternehmen zu verlieren (Angst um Selbstwert) oder mit neuen Aufgaben überfordert zu sein (Angst vor Misserfolg), aber auch die Angst vor der Unternehmensführung (Angst vor Autoritäten) oder die Angst davor, Verantwortung zu übernehmen und die Angst vor Erfolg. [22] Darüber hinaus existieren einige fragwürdige Auffassungen über Emotionen im beruflichen Kontext. Zum einen die Annahme, dass Emotionen „weg-gemanagt“ werden müssten. Denn durch das Unterdrücken von Emotionen im Allgemeinen oder das Ausdrücken anderer Emotionen, als der tatsächlich empfundenen Emotionen (emotionale Dissonanz), können sowohl physische als auch psychische gesundheitliche Probleme entstehen. [23] Ein weiteres Problem ist „Management by Fear“, wobei Ängste der Mitarbeiter als Führungsinstrument und Druckmittel missbraucht werden. [24] Außerdem ist es auch gefährlich die Ängste als Problem der Mitarbeiter abzutun und als nebensächlich zu erachten. Letztendlich hat ein Unternehmen i.d.R. zumindest eine Teilverantwortung für diese Ängste. Leugnet ein Unternehmen diese Verantwortung, kann dies z.B. als fehlende Wertschätzung aufgenommen werden. [25]
Angstforschung und Hintergründe
Verbreitung der Angst
Viele Forschungsinstitute machen regelmäßige Erhebungen von Ängsten, wie das internationale Marktforschungsunternehmen Ipsos SA. Obwohl sich gewisse Regelmäßigkeiten zeigen, liegen teilweise sehr unterschiedliche Gründe für Angst vor. So wird für Deutschland 2019 unter den fünf größten Ängsten die Angst vor Einwanderung und die vor dem Klimawandel aufgeführt, während im globalen Vergleich Ängste vor finanzieller und politischer Korruption und einem schwachen Gesundheitswesen an einer der ersten Stellen stehen. [26] Außerdem zeigt die Studie, dass die Angst vor Arbeitslosigkeit weltweit vorherrschend ist [27]. Angst um den Arbeitsplatz entsteht insbesondere in Zeiten des Umbruches und der Krisen, wie beispielsweise der Weltfinanzkrise. Damalige Erhebungen zeigten, dass beinahe zwei Drittel der befragten Deutschen Angst vor finanziellen Engpässen durch einen möglichen Jobverlust hatten [28] und selbst Kinder um die Arbeit ihrer Eltern bangten [29]. In der Forschung ist außerdem zunehmend von sogenannten „neuen Ängsten“ die Rede. Hierzu wird auch die Angst vor dem Kontingenzzuwachs aufgeführt, die sich in der steigenden gesellschaftlichen Komplexität begründet, beispielsweise durch Orientierungslosigkeit insbesondere der jüngeren Generation aufgrund von Optionsvielfalt. Außerdem wird auch zunehmend die Projektion von Ängsten untersucht, beispielsweise die Angst vor dem Jobverlust, die auf Bevölkerungsgruppen wie Migranten projiziert wird. [30]
Determinanten und Einflussfaktoren der Angst
Die Faktoren, die Angst hervorrufen, sind vielschichtig und aufgrund der komplexen Struktur von Emotionen nicht immer vollständig eindeutig zu identifizieren. Dennoch werden Emotionen meist regelbasiert erklärt, das heißt es wird eine bestimmte gesetzmäßige Logik hinter den Emotionen gesehen. [31]
Angst begünstigende Faktoren
Begünstigenden Faktoren alleine lösen noch keine Angst aus, sondern beschreiben vielmehr die individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten einer Person sowie die sozialen und kulturellen Zusammenhänge, welche die Angstwahrnehmung beeinflussen. Es wird davon ausgegangen, dass der Mensch evolutionshistorisch begründet eine Veranlagung für die Ausbildung gewisser Ängste hat (Peparedness). Dies verliert jedoch zunehmend an Bedeutung, da die hierdurch gewissermaßen vorprogrammierten Ängste immer irrelevanter werden (z.B. Angst vor gefährlichen Tieren). [32] Die individuelle emotionale Neigung einer Person ist als Persönlichkeitseigenschaft relativ situationsunabhängig und stabil. In Bezug auf Angst spielen Ängstlichkeit und Unsicherheitsaversion eine fundamentale Rolle. Neben der Neigung bestimmte Emotionen zu empfinden spielt auch die emotionale Intelligenz eine ausschlaggebende Rolle für das Empfinden und vor allem den Umgang mit Emotionen. [33] Daneben wirken auch soziale und kulturelle Einflüsse auf die Angstwahrnehmung. Neben herrschenden Machtstrukturen [34] und geltenden Emotionsnormen [35], wie etwa der Vorschrift im Kundenkontakt Freude und Gelassenheit auszustrahlen, ist auch das allgemeine soziale Umfeld des Individuums zu betrachten, da es hier zu der sogenannten emotionalen Ansteckung kommen kann, welche die Übertragung des emotionalen Zustandes einer Umgebung auf ein Individuum erklärt. [36]
Angst auslösende Faktoren
Nach dem Modell der Kern-Relationen nach Lazarus definiert sich Angst durch eine unsichere oder existentielle Bedrohung, welche sowohl persönlich relevant und relevant für die eigenen Ziele ist und für die nach aktueller Einschätzung ebenso ein geringes Bewältigungspotential zu erwarten ist. [37] Als Gründe für die Angst vor Unsicherheit führt der Tiefenpsychologe Fritz Riemann z.B. starre und unflexible Strukturen in der Kindheit des Menschen auf, welche die Spontanität und das Selbstvertrauen des Menschen nachhaltig schädigen können. Die darin begründete Aversion vor Veränderung äußert sich u.a. in einem Kontrollzwang, Perfektionismus aber auch in einem beständigen und ordentlichen Verhalten. [38]
Wirkungen der Angst
Emotionen als multidimensionales Konzept
Emotionen können als ein multidimensionales komplexes Konzept aufgefasst werden. Durch die darin begründete Mehrdeutigkeit kann es durchaus zu Fehlinterpretationen sowohl der eigenen als auch der Emotionen anderer Menschen kommen. Es lassen sich vier Verhaltensebenen differenzieren: [39]
1. Die subjektive Ebene des Empfindens beschreibt das persönliche Erleben, wie beispielsweise besondere Unzufriedenheit, Anspannung oder Beklommenheit bei Angst. [40]
2. Die physiologische Ebene äußert sich in der Regel unterbewusst und automatisch im Körper und ist nur sehr schwer zu beeinflussen (z.B. erhöhte Atemfrequenz).
3. Die motorisch expressive Ebene als Verhaltenskomponente bedarf einer genaueren Beachtung. Nach dem Modell der Reaktionstendenzen nach Frijda erzeugt Angst insbesondere Maßnahmen zum Selbstschutz, also die Tendenz Angstquellen aus dem Weg zu gehen oder vor ihnen zu fliehen. [41] Trotzdem kann es sein, dass z.B. aufgrund sozialer Werte und Normen ein anderes Verhalten gezeigt wird. Andere Modelle differenzieren zusätzlich eine expressive Komponente, die sich beispielsweise in der Körperhaltung oder auch der Sprache (z.B. Stimmlage, Geschwindigkeit</ref> äußert. Davon abzugrenzen ist die kommunikative Komponente, welche sich auf den Inhalt konzentriert. [42]
4. Auf kognitiver Ebene wird z.B. die Wahrnehmung, Bewertung oder Erinnerung durch Emotionen beeinflusst. Die Emotion selbst kann jedoch auch als Resultat eines kognitiven Prozesses entstehen. Somit wirkt sich die Emotion einerseits auf kognitive Prozesse aus, wird auf der anderen Seite jedoch auch durch sie beeinflusst. [43]
Verhaltenstendenzen und Verhaltensreaktionen bei Angst
Das Modell der Einstellungstendenzen bei Angst nach Siegbert A. Warwitz zeigt, dass die Auswirkungen der Angst vielfältig und individuell variieren können. Die Verhaltensreaktionen reichen von der Bewältigung der Angst bis zu Vermeidung, Bagatellisierung, Verdrängung, Leugnung, Übertreibung, Generalisierung oder Heroisierung der Angst. [44]
Einen möglichen Erklärungsansatz der Angstreaktionen, bietet das Modell der reflektorischen Bedrohlichkeitsprüfung nach Berner. Hiernach läuft im Gedächtnis ein Bewertungsprozess ab, der für die Wirkung auf Verhaltensebene entscheidend ist. Wie der Name bereits anmutet ist diese Bewertung an ein Nachdenken geknüpft. Dem Modell nach wird kognitiv bewertet, ob eine Situation grundsätzlich bedrohlich und wie hoch Bewältigungswahrscheinlichkeit ist. Hieraus resultiert eine bestimmte Verhaltenstendenz für die individuelle Situation. [45]
Literatur
Einzelnachweise
- ↑ Kluge 1924, 23f.
- ↑ Reischies 2007
- ↑ Stöber und Schwarzer 2000, 189; Dorsch, Häcker, und Becker-Carus 1998, 40; Bliesener 2001, 38
- ↑ Benesch 1995, 91f
- ↑ Reischies 2007, 248f
- ↑ Dehne 2017, 504
- ↑ Benesch 1995, 91; Stöber und Schwarzer 2000
- ↑ Stöber und Schwarzer 2000, 1f
- ↑ Reischies 2007, 228f
- ↑ Kiefer 2015, 52
- ↑ Warwitz 2005, 96ff.
- ↑ C. J. Kemper 2010
- ↑ Warwitz 2016, 36
- ↑ Riemann 1977; Krol 2018; Thomann, Stegemann, und Thomann 2017
- ↑ Dorsch, Häcker, und Becker-Carus 1998, 40; Becker 2004, 8
- ↑ Becker 2004, 8f
- ↑ H. Peukert o.J.; Boeckelmann und Mildner 2011
- ↑ Lantermann 2009, 4f
- ↑ Wang, Rieger, und Hens 2017
- ↑ Hofstede 2001
- ↑ Kiefer 2015, 53ff.
- ↑ Kiefer 2015, 57
- ↑ Ashkanasy, Zerbe, und Härtel 2015, 7ff.
- ↑ Kiefer 2015, 60
- ↑ Kiefer 2015, 60
- ↑ Ipsos Public Affairs 2019
- ↑ Ipsos Public Affairs 2019
- ↑ Statista Research Department 2009
- ↑ Statista Research Department 2009
- ↑ Dehne 2017, 504ff
- ↑ Goschke und Dreisbach 2011, 134f.
- ↑ Seligman 1971
- ↑ Ashkanasy, Zerbe, und Härtel 2015, 13ff.
- ↑ T. D. Kemper 2006
- ↑ Hochschild 1979
- ↑ Cardeña 1997; Ashkanasy, Zerbe, und Härtel 2015, 9ff.
- ↑ Goschke und Dreisbach 2011, 134; Kiefer 2015, 48ff.
- ↑ Riemann 1977, 133ff.
- ↑ Dutton und Aron 1974; Kiefer 2015, 48
- ↑ Colby u. a. 1989
- ↑ Kiefer 2015, 48ff.
- ↑ Goschke und Dreisbach 2011, 131ff.
- ↑ Goschke und Dreisbach 2011, 131ff.
- ↑ Warwitz 2016, 34ff.
- ↑ Mescheder und Sallach 2012, 39ff.